# taz.de -- NACHRUFIslam Karimow knebelte Usbekistan schon zu Sowjetzeiten. Nun ist der Diktator tot: Saurier mit lauter Schattenseiten
       
 (IMG) Bild: Taschkent, 1. September 2016: Karimow lebt nur noch als Wandgemälde (rechts, neben Nasarbajew)
       
       von Marcus Bensmann
       
       Er war der einzige Staatschef, den Usbekistan je hatte. Über seine
       Nachfolge zu sprechen, galt als Verbrechen. Zum Unabhängigkeitstag, der am
       1. September gefeiert wird, ließ er sich noch vor zwei Jahren bei einem
       Tänzchen filmen. Aber nun ist es nichts mit der Ewigkeit geworden: Am
       Freitag, 25 Jahre und ein Tag nach der Loslösung Usbekistans von der
       Sowjetunion, wurde von Diplomaten bestätigt, dass Präsident Islam Karimow
       verstorben ist. Er wurde 78 Jahre alt.
       
       Als kommunistischer Apparatschik hatte Karimow 1989 die Macht in Usbekistan
       übernommen, damals noch Sowjetrepublik. Nach Karimows Tod ist Nursultan
       Nasarbajew in Kasachstan der letzte noch lebende sowjetische Saurier.
       
       Das Usbekistan, das Karimow hinterlässt, ist eine der weltweit brutalsten
       Diktaturen, ohne Pressefreiheit oder legale Opposition. Tausende
       Andersdenkende sind in Lagern eingesperrt, in denen nach UN-Angaben
       „systematisch“ gefoltert wird. So wurde 2002 bekannt, dass Häftlinge zu
       Tode gebrüht wurden. Islam Karimow hat sich immer geweigert, die Folter
       öffentlich zu verurteilen. Politik und Wirtschaft unterliegen der Kontrolle
       des Staates.
       
       Karimow selbst stammte aus der Provinz unweit von Samarkand an der
       Seidenstraße und wuchs zeitweise in einem Waisenhaus auf. Der erste
       Präsident Usbekistans musste die usbekische Landessprache erst erlernen.
       Karimows Muttersprache war tadschikisch, seine Arbeitssprache russisch.
       
       Im Sommer 1991 unterstützte er den Putsch von Sowjetnostalgikern gegen
       Michail Gorbatschow, dessen Scheitern das Ende der Sowjetunion einläutete.
       Auch Karimow wollte damals die Sowjetunion bewahren. Danach forcierte er
       die Unabhängigkeit, aus Angst vor Gorbatschows Rache. Die erste
       Präsidentschaftswahl 1991 gewann er gegen den Dichter Muhammad Solich – mit
       Hilfe von Fälschung. Es war zugleich die letzte Wahl mit einem unabhängigen
       Kandidaten.
       
       Unterdrückung der Opposition rechtfertigte Karimow immer als Kampf gegen
       islamistischen Terror. Aber auch Menschenrechtler und Journalisten werden
       verfolgt. Neffe Jamshid Karimow, ein Journalist, verschwand für Jahre in
       der Psychiatrie. 2005 ließ Karimow mit Panzern einen Volksaufstand in der
       Stadt Andischan niederschießen. Hunderte starben.
       
       Die EU verhängte Sanktionen, kassierte sie aber später kleinlaut.
       Usbekistan, an Afghanistan angrenzend, ist einfach strategisch zu wichtig.
       Nach 2001 durften die USA und Deutschland Militärbasen in Usbekistan für
       den Nato-Krieg in Afghanistan unterhalten; Transitroute ist das Land bis
       heute.
       
       Karimows wichtigstes Instrument der Repression war der Geheimdienst SNB
       unter Rustam Inojatow. Der heute 72-Jährige diente Karimow 22 Jahre lang.
       Mit Hilfe seines Kettenhundes Inojatow spielte Karimow auch die mächtigen
       Klans aus Samarkand, dem Ferghanatal und Taschkent gegeneinander aus. Dabei
       ging es um Beutemachen: Usbekistan ist ein reiches Land, mit Gold, Gas und
       Öl – und einer der weltweit größten Baumwollexporteure.
       
       Die Reichtümer des Staates teilten sich die Staatselite und die
       Herrscherfamilie. Dafür forderte Karimow Loyalität. Aber die älteste
       Tochter Gulnara Karimowa scherte aus. Die heute 44-Jährige,
       zwischenzeitlich Botschafterin in Genf, sang und tanzte, entwarf Mode und
       herzte sich mit dem internationalen Jetset in Cannes und Los Angeles. Das
       Geld dafür kam aus schmutzigen Geschäften: 2012 wurde bekannt, dass eine
       schwedische Telefongesellschaft sie mit einer dreistelligen Millionensumme
       schmierte.
       
       Karimowa positionierte sich in Usbekistan als mögliche Nachfolgerin ihres
       Vaters. Ein Fehler. Mit Hilfe des mächtigen SNB-Chefs wurde sie
       ausgeschaltet. Die Gunst gewann die zweite Tochter: Lola. Am Montag schrieb
       sie von den „Gehirnblutungen“ des Vaters auf Instagram und bat um „Gebete“.
       
       Karimow wollte nicht als zentralasiatischer König Lear enden, der von
       habsüchtigen Töchtern vertrieben wurde. Er wurde zum Kronos, der zum
       Machterhalt eine Tochter opferte. Doch das Erbe ist unbestellt. Es könnte
       ein Staatszerfall wie in Syrien drohen. Dort warten Tausende islamistische
       Kämpfer aus Usbekistan auf die Heimreise. Oder eine Clique aus
       Geheimdienstlern kapert unter russischer Ägide die Macht in Taschkent.
       Premierminister Schawkat Mirsijajew wird jetzt als möglicher Nachfolger
       gehandelt. Aber nichts ist sicher. Karimows Erbe ist eine Blackbox.
       
       Marcus Bensmann berichtete zwischen 2001 und 2014 für die taz aus
       Zentralasien. Heute ist er Redakteur des Recherchezentrums Correctiv.
       
       3 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marcus Bensmann
       
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