# taz.de -- Politischer Protest bei Olympia: Für den Iran, für die Frauen
       
       > Im Iran dürfen Frauen nicht bei Männer-Volleyballspielen zusehen. Dagegen
       > protestiert Darya Safai schon seit Jahren – und auch in Rio.
       
 (IMG) Bild: Darya Safai auf der Tribüne während des Spiels Iran gegen Ägypten
       
       Rio de Janeiro taz | Darya Safai hat den besten Platz. Erste Reihe, auf
       Höhe des Netzes, immer im Bild der Kameras. Sie trägt T-Shirt, kurzen Rock,
       ein Stirnband mit den iranischen Nationalfarben. Vor allem aber trägt sie
       ein Transparent: „Let Iranian women enter their stadiums“: Lasst iranische
       Frauen in ihre Stadien.
       
       Volleyball, der Iran tritt gegen Russland an. In der Islamischen Republik
       ist in den letzten Jahren ein wahrer Boom ausgebrochen. Die Spieler
       verdienen viel Geld und sind so berühmt, dass sie nicht mehr in Ruhe auf
       die Straßen gehen können. Die Nationalmannschaft mit dem ehemaligen
       Bundestrainer Raúl Lozano qualifizierte sich erstmals für Olympia und steht
       im Viertelfinale.
       
       Auf Hochzeiten wird Volleyball gespielt, auf öffentlichen Plätzen, über
       spontan aufgezogene Netze. So populär wurde der Sport, dass die Mullahs
       seit 2012 auf ihn ein Gesetz anwenden, das vorher nur beim Fußball galt:
       Frauen dürfen nicht ins Stadion. Nackte Männerbeine zu sehen, derbe
       Männersprache zu hören, das wäre unsittlich. „Unislamisch“.
       
       Das Maracanãzinho, das kleine Maracanã, ist weit weg von Teheran. Direkt
       unter der Pressetribüne, weniger gut positioniert für die Kameras, halten
       zwei Frauen goldenfarbene Glitzerringe hoch, in deren Mitte sie auf eine
       iranische Fahne die Nummer 4 gemalt haben. Dazu ein Plakat: Marouf. Saeid
       Marouf ist die Nummer 4, der Kapitän. Irans Sportler des Jahres, bester
       Steller der World League 2014. Volles Haar, voller Bart, volles Lächeln. Wo
       Frauen nicht mal ins Stadion sollen, hat die Anbetung eines Spielers etwas
       Subversives.
       
       ## Überraschung an der Tribüne
       
       Safais Botschaft ist noch direkter. Sie mag nur ein universales Recht
       einfordern, Gleichstellung, das im Übrigen auch in der Olympischen Charta
       steht. Aber das IOC interpretiert so etwas trotzdem gern mal als
       unzulässige politische Botschaft. In der Pause nach dem ersten Satz kommt
       eine Frau in den gelben Rio-2016-Klamotten und bittet Safai samt Plakat zum
       Tribünenaufgang. Bestimmt muss sie es jetzt abgeben und wird im
       Zweifelsfall sogar aus der Halle geworfen? Erstaunlicherweise passiert
       etwas ganz Anderes.
       
       Die Helferin bringt sie zu anderen Zuschauern, die Fotos mit ihr und dem
       Transparent machen wollen. Bussi links, Bussi rechts, Safai geht zurück auf
       ihren Platz, und hält weiter ihre Botschaft hoch. Später gibt es noch mal
       Diskussionen, aber das Plakat bleibt. In der olympischen Welt ist das fast
       eine kleine Revolution.
       
       Nach dem Spiel die nächste Überraschung: Auch zwei iranische
       Journalistinnen warten auf die verschwitzten Spieler in den kurzen Hosen.
       Verschleiert, klar, aber wie passt das zusammen? Berichten dürfen Frauen,
       nur Zuschauen nicht, erklärt eine der beiden. Dann blickt sie nervös auf
       das Telefon des Reporters. Dass er es ja nicht mitschneidet.
       
       Ein paar Meter weiter analysiert Mohammad Mousavi das Turnier: „Zum Glück
       hatten wir die einfachere Gruppe, denn wir haben bisher keinen guten
       Volleyball gespielt“. Der Mittelblocker trägt eine dicke Silberkette am
       Hals, ein cooler Typ. Die Frauen, das Transparent? „Sorry, darüber kann ich
       nicht reden.“ Man muss das verstehen: Der Fußballtorwart Sosha Makani kam
       sogar ins Gefängnis, weil er in den sozialen Medien ein Video vom Tanz mit
       einer unverschleierten Frau postete. Die Jungs hätten es nicht einfach,
       sagt Lozano. Und dass er nur ein anderes Land kenne, wo Frauen nicht zum
       Volleyball gingen: Griechenland. „Aber da liegt es an der Fangewalt“.
       
       ## Schlechte Presse als Drohung
       
       Die Sonne geht gleich unter, Darya Safai steht vor dem Maracanãzinho,
       aufgekratzt, aber glücklich. Es sei viel besser gelaufen als beim letzten
       Spiel gegen Ägypten. Da war sie auch schon da mit ihrem Plakat, und da habe
       sie geweint, weil die Veranstalter sie wegziehen wollten und ein paar Leute
       im Publikum sie bedrohten. Wer? „Leute, die für die Islamische Republik
       Iran arbeiten“. Schließlich setzten sich ein paar Journalisten neben sie,
       danach hätte sich niemand mehr an sie herangetraut. Schlechte Presse
       fürchten Diktatoren wie Sportfunktionäre gleichermaßen. Weshalb diesmal nur
       behauptet wurde, sie habe nicht das richtige Ticket – um sie aus dem
       Fernsehbild zu bekommen. „Aber ich brauche diesen Platz, er ist für einen
       guten Zweck.“
       
       Safai floh nach den Studentenprotesten 1999 aus dem Iran nach Belgien. Seit
       Jahren engagiert sie sich gegen das Stadionverbot für Frauen. 2015 schrieb
       sie den damaligen Fifa-Präsidenten Sepp Blatter an, der daraufhin
       tatsächlich an den Iran appellierte, die Arenen zu öffnen. Folgenlos, aber
       immerhin. Auf ein ähnliches Signal von Olympia wartet sie nach wie vor. „Es
       ist eine Schande, wenn das IOC argumentiert, es gehe um eine kulturelle
       Frage. Teherans 'Stadion der Freiheit’, das Frauen nicht frei betreten
       dürfen, fasst über 100.000 Zuschauer, ein Drittel waren früher Frauen. Wo
       ist also die 'kulturelle Frage’? Es ist nur, was die Ayatollahs autoritär
       diktieren.“
       
       Am Mittwoch trifft der Iran im Viertelfinale auf Italien (23 Uhr). Safai
       verspricht, wieder da zu sein, mit ihrem Plakat, beschützt von Journalisten
       und Zuschauern.
       
       17 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Florian Haupt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
 (DIR) Volleyball
 (DIR) Schwerpunkt Iran
 (DIR) Gleichstellung
 (DIR) Schwerpunkt Iran
 (DIR) Volleyball
 (DIR) Russland
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
 (DIR) Leichtathletik
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Langstreckenlauf durch den Iran: Die Frau ist nicht aufzuhalten
       
       58 Tage lang durchquerte die schwedische Ultraläuferin Kristina Paltén
       Wüsten und Schnee: Die Scharia hat sie beachtet und gute Freunde gefunden.
       
 (DIR) Deutscher Profi-Volleyballer im Iran: „Das hat ja super geklappt“
       
       Der Volleyballprofi Dirk Westphal hat beim iranischen Klub Shahrdari Täbris
       angeheuert. Er ist überrascht, wie unkompliziert vieles funktioniert.
       
 (DIR) Iran plant zwei neue Atomkraftwerke: Russland baut mit
       
       Der Iran will mit russischer Hilfe zwei weitere Atomkraftwerke errichten.
       Am Samstag kommender Woche soll der Bau im südiranischen Buschehr beginnen.
       
 (DIR) Stimmung bei Olympia in Rio: Schön, wo es auch vorher schön war
       
       Die Spiele haben vor allem den gehobenen Stadtvierteln genutzt. Und die
       vielen Pannen? Die nehmen die Brasilianer locker hin.
       
 (DIR) Exjugos bei Olympia in Rio: Bällebad Balkan
       
       Ob Basketball, Wasserball, Handball: Keine K.o-Runde kommt ohne Teams und
       Kerle aus Exjugoslawien aus – wie immer.
       
 (DIR) Olympianacht in Rio: Alles beim Alten
       
       Japanische Athletinnen bringen ihre Gegnerinnen zu Fall. China gewinnt im
       Tischtennis. Das US-Team ist im Basketball-Halbfinale.
       
 (DIR) Japans Star-Ringerinnen bei Olympia: Eine Kampfarena im eigenen Haus
       
       Den Mattensport betreiben Frauen erst seit 2004 im olympischen Rahmen. Die
       erfolgreichsten Athletinnen in dieser Disziplin hat Japan.
       
 (DIR) Olympianacht in Rio: Pinguine do Brasil
       
       Eine nasse Tartanbahn wird kreativ umgenutzt, Brasilien hat mit da Silva
       seinen Goldjungen und Usain Bolt kann Siegerehrung.
       
 (DIR) Russische Doping-Whistleblower: Die Stepanows fürchten um ihr Leben
       
       Sie melden sich von einem geheimen Ort zu Wort: Julia und Vitali Stepanow
       mussten nach einem Angriff auf ihr E-Mail-Konto erneut umziehen.
       
 (DIR) Doping in der olympischen Leichtathletik: Klagt sie noch oder springt sie schon?
       
       Die Leichtathleten haben ihre Dopingfälle einfach nicht im Griff. Zeit für
       ein Denkpause. Der internationale Verband sollte sich selbst sperren.
       
 (DIR) Geldprobleme bedrohen Sportfest in Rio: Paralympics gehandicapt
       
       Erhebliche Geldprobleme gefährden die Paralympischen Spiele. Die Erstattung
       der Reisekosten der AthletInnen lässt auf sich warten.