# taz.de -- Studie zu Verkehrsklima in Deutschland: Chaotisch, aber sicher
       
       > Trotz steigender Unfallzahlen fühlen sich die Deutschen im Straßenverkehr
       > sicherer. Die Aggressivität ist vor allem in Städten hoch.
       
 (IMG) Bild: Oft ist es schwierig im Autoverkehr richtig zu kommunizieren, ein Autofahrer aus Schwerin versuchte es mit Zeichensprache
       
       Deutschlands Verkehrsteilnehmer lügen sich etwas vor. Zwar ist die Zahl der
       Verkehrsunfällen laut dem Statistischen Bundesamt steigend, die Deutschen
       fühlen sich aber sicherer im Straßenverkehr als 2010. Dies zeigt eine
       [1][Studie] des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)
       die am Mittwoch präsentiert wurde. Zwar empfindet eine Mehrheit der gut
       2.000 Befragten den Straßenverkehr in Deutschland als „chaotisch“ und
       „stressig“, jedoch sehen vor allem mehr Frauen den Verkehr als „sicher“ an.
       
       „Wir haben eine neue Generation von Frauen als Verkehrsteilnehmern. Sie
       sind selbstbestimmter“, sagt Siegfried Brockmann, Leiter der
       Unfallforschung der Versicherer, die die Studie angefertigt hat. Auffallend
       dabei sei, dass „Frauen im Straßenverkehr weniger aggressiv sind als
       Männer“, so Brockmann. „Die Tendenz ist, dass Frauen ihren Platz eher
       verteidigen wollen. Sie geben beispielsweise eher Gas, wenn sie überholt
       werden“, ergänzt Studienleiterin Sophie Kröling. Männer wollten sich
       dagegen gerne durchsetzen: Sie überholten gerne rechts auf der Autobahn
       oder führen zu dicht auf. Die Auto fahrenden Teilnehmer wurden gefragt, ob
       sie sich in gewissen Situation „aggressiv verhalten“. Oder, ob sie bei
       Verärgerung schneller fahren. Fast die Hälfte der Studienteilnehmer
       bejahten dies.
       
       „Die Studie zeigt, dass jüngere Autofahrer aggressiver sind als ältere“,
       erläutert Brockmann. Zudem würde sich auch die Aggressivität mit dem
       Einkommen, dem Bildungsgrad und den gefahrenen Kilometern erhöhen. „Ohne
       die Zahlen überbewerten zu wollen. Vielfahrer scheinen das Gefühl zu haben
       einen Anspruch auf „ihren Platz“ zu haben – wird dieser beeinträchtigt,
       reagieren sie aggressiv. Auch höher Gebildete und besser Situierte haben
       öfter das Gefühl, sich Freiheiten verschaffen zu müssen“, meint Brockmann.
       
       Für Nina Wahn, Verkehrspsychologin beim Autoklub ADAC, spielt bei
       Vielfahrern auch die Erfahrung mit: „Oft sind solche Fahrer aggressiver, da
       sie ihre Kenntnisse besser einschätzen als die der anderen.“ Ihr
       „Statussymbol“ sehen vor allem Menschen mit teuren Autos gefährdet.
       Prinzipiell würden jedoch im deutschen Autoverkehr zwei Faktoren die
       Aggressivität erhöhen: „Im Autoverkehr stehen die Menschen häufig unter
       Zeit- und Termindruck. Auch ist die Möglichkeit zu kommunizieren im Auto
       geringer“, ergänzt Wahn.
       
       Für den Unfallforscher Brockmann nimmt die Aggressivität zu, je enger der
       Raum ist, in dem sich die Verkehrsteilnehmer befinden. Deshalb wäre diese
       vor allem in den Städten sehr hoch. Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischen
       Sprecher des ökologischen Verkehrsclubs (VCD), führt dies auch auf den
       zunehmenden Fahrradverkehr in den Städten zurück: „Innerhalb des
       Fahrradverkehrs gibt es deutliche Geschwindigkeitsunterschiede, zudem ist
       sehr oft zu wenig Platz. Hier besteht ein großes Aggressionspotenzial“,
       sagt Lottsiepen.
       
       Auch wurden in der Studie unterschiedliche Verkehrssicherheitsmaßnahmen
       abgefragt. So befürworteten lediglich 35 Prozent die auch vom VCD
       geforderte Tempobegrenzung auf 30 Kilometer pro Stunde. „Hier sehen wir
       oft, dass die Menschen sich zwar vor ihrer Haustür Tempo 30 wünschen, aber
       woanders nicht“, erklärt Lottsiepen. Laut der Studie befürworten die
       Deutschen jedoch einen Sehtest alle 15 Jahre, Fahrtauglichkeitsprüfungen
       für Senioren ab 75 und eine Promillegrenze von 1,1 für Fahrradfahrer. Zu
       der Wirksamkeit von Verkehrsstrafen im Zusammenhang mit aggressiven
       Verhalten zeigt sich, so der Unfallforscher Brockmann, dass „es zwar die
       Richtigen treffe, jedoch dies bei gut 20 Prozent nichts hilft.“ Der
       Stinkefinger bleibt so wohl auch in Zukunft Symbol deutscher
       Verkehrskultur.
       
       10 Aug 2016
       
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