# taz.de -- Pott Reinhard Krause hat die achtziger Jahre im Ruhrgebiet fotografiert – eine Zwischenzeit: Gerade Straßen, gerade Leute
       
 (IMG) Bild: Niemand habe ihm das geglaubt, kommentiert jemand auf Facebook. „Stuntman mit Raketenrucksack“, Essen-Steele, 1984
       
       von Fabian Rasem
       
       Für Reinhard Krause war es ein Leben von Bild zu Bild, damals zu Beginn der
       achtziger Jahre im Ruhrgebiet. Krause, gerade Anfang zwanzig, wollte
       Fotograf werden. Er stand morgens auf, überlegte, was anstehe – DGB-Demo,
       Wettbewerb um den Mister Pilswampe 1984 –, dann ging er auf die Straße und
       trieb sich herum. Um das Skurrile im Alltäglichen zu suchen und es mit
       seiner Kamera festzuhalten. Er entwickelte die Filme im Keller oder in der
       Badewanne und bot die Abzüge Zeitungsredaktionen an. Das Geld reichte, um
       die nächste Filmrolle zu kaufen.
       
       Heute ist Reinhard Krause Bildchef der Fotoagentur Reuters in London. In
       den Achtzigern lebte er im Ruhrgebiet, in Essen, später in Dortmund.
       
       Seine Bilder und Negative aus dieser Zeit lagerten lange in Umzugskartons.
       Vor einiger Zeit hat er sie hervorgeholt, abgestaubt und eingescannt. Aus
       den einzelnen Tagewerken wird im Rückblick eine Fotoarbeit über das
       Ruhrgebiet in einer Zwischenzeit.
       
       Es gibt kaum Zechen, Ruß und Kumpel auf seinen Bildern. „Die ganzen
       Klischees, die alle immer suchen, die Schwerindustrie, das gab es fast
       nicht mehr. Es ging etwas vorbei“, sagt Krause. Das Geschäft mit Kohle und
       Stahl hatte seinen Zenit hinter sich. Entlassungen folgten, Ungewissheit.
       
       Statt erschöpften Bergleuten liegt da also der brustbehaarte Macho im
       Schwimmbad und runzelt die Stirn. Das Foto gehört zu den lauten, direkten
       unter den Arbeiten. Neben ihnen stehen die stilleren Bilder. Das Paar auf
       dem Bürgersteig, zwei Putzeimer, ein Auto, sie bückt sich mit dem Lappen,
       er steht im Anzug dahinter.
       
       Es sind nicht einzelne Aufnahmen, konkrete Motive, die den Reiz von Krauses
       Sammlung ausmachen, es ist die Stimmung, die beim Betrachten seiner Bilder
       über einen kommt. Das Graue, das Gerade. Gerade Straßen, gerade Menschen.
       
       Reinhard Krause hat seine wiederentdeckten Bilder bei Facebook hochgeladen.
       Menschen begannen, sie zu kommentieren, erkannten sich wieder, erinnerten
       sich an Momente eines vergangenen Alltags. Den Tag, an dem der Stuntman mit
       dem Raketenrucksack über ihrer Siedlung abhob.
       
       „Die Fotos zeichnen einen Aufbruch nach, den keiner verstanden hat“, sagt
       Reinhard Krause. Im Nachhinein denkt er, es war der Wandel von Provinz zu
       einem kulturellen Raum. Kleine Ateliers entstanden, autonome Zentren.
       „Eigentlich war das Ruhrgebiet immer ein Konglomerat von unheimlich
       langweiligen Siedlungen. Lärmschutzwände, Reihenhäuser, Nachkriegsbauten,
       Autos.“ Im Prinzip, sagt Krause, sei vieles häufig eher traurig gewesen.
       
       Mit dem zeitlichen Abstand verliert sich die Traurigkeit. Man sehnt sich
       nicht in diese Jahre zurück, aber man kann sich ohne schlechte Gefühle in
       sie hineinsehen.
       
       Reinhard Krause: „Die Achtziger im Ruhrgebiet“ ist bis zum 4. September in
       der Ping Pong Galerie zu sehen – dem Tischtennisraum einer Trinkhalle in
       Bochum
       
       20 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Rasem
       
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