# taz.de -- Kolumne Nach Geburt: Neoliberaler Kinderfußball halt
       
       > Schluss mit der Leistungsdruckscheiße. Statistisch fällt Ihr Kind eher
       > beim Schuhebinden vor den Bus, als dass es Fußballprofi wird.
       
 (IMG) Bild: Sind sie nicht toll, unsere Jungs? Schade, denn Ihr Kind wird eh nicht wie die
       
       Liebe Eltern, ich muss Sie leider schon wieder enttäuschen: Ihr Kind wird
       kein Fußballprofi. Ruhm, Reisen, die Versorgung der Familie, alles in den
       Wind. Das ist bitter. Tschulli. Ich hasse es, der Überbringer schlechter
       Nachrichten zu sein, aber einer muss es Ihnen ja sagen.
       
       Warum ich mir so sicher bin? Statistik. In Deutschland wurden 2015 737.630
       Kinder geboren. Es gibt aber nur 1.500 Fußballprofis. Gehen wir mal davon
       aus, dass sich diese Profis aus 15 Jahrgängen rekrutieren, dann heißt das,
       dass von den 737.630 Babys des Jahrgangs 2015 nur 100 Erwachsene mit
       Hauptberuf Fußball werden. Wahrscheinlichkeit: 0,013 Prozent.
       
       Woher ich außerdem weiß, dass Ihr Kind sein Glück lieber im Rechnen oder
       Schreiben oder Seilspringen suchen sollte? Weil es möglicherweise bereits
       elf Jahre alt ist und noch kein außergewöhnliches Fußballtalent
       festgestellt wurde. Die Wahrscheinlichkeit, Fußballprofi zu werden, liegt
       jetzt bei 0,00021 Prozent oder so. Dass man beim Schuhezubinden vor den Bus
       fällt, dürfte realistischer sein.
       
       Trotzdem dreht bei allzu vielen Fußballeltern der Ehrgeizmotor auf
       Hochtouren. Bei einem mir wohlbekannten Verein in einer mir wohlbekannten
       Mannschaft ist vor Kurzem der Trainer rausgeflogen. Er hatte zu sehr das
       Leistungsprinzip in den Vordergrund gestellt: Kinder, die im Spiel einen
       Fehler gemacht hatten, zur Strafe aus- und nicht wieder eingewechselt; zu
       schwache Spieler aus dem Team geschmissen – und darüber erst alle anderen
       Kinder informiert und dann den armen Jungen. Was man halt so macht im
       neoliberalen Kinderfußball.
       
       Doch statt den Entscheidern im Verein für ihren Einsatz wider den
       Leistungsdruck lobend die Schultern weichzuklopfen, rebellierten die
       Eltern. Sie forderten Druck, Druck, Druck! Von nichts kommt schließlich
       nichts. Vier verließen gar den Klub. Andere verlangten, zukünftig ein
       Mitspracherecht bei der Gestaltung des Trainings zu bekommen.
       
       Haben die nichts Besseres zu tun, als die Trainingspläne von Elfjährigen zu
       studieren? Was erwarten die vom Fußball? Dass die Kinder aufs echte Leben
       vorbereitet werden? So ein Mist. Was ist das überhaupt, das echte Leben?
       Etwa diese ganze Leistungsdruckscheiße? Die werden die Kinder noch früh
       genug kennenlernen.
       
       Wie gerne wäre ich bei dieser Elternversammlung dabei gewesen. Ich wäre
       aufgestanden und hätte darum gebeten, bitte weniger in die
       Trainingsgestaltung eingebunden zu werden. Ich hätte zugegeben, dass ich
       faul bin und nicht alles wissen muss, was meine Kinder so treiben. Ich
       hätte noch darum gebeten, dass die Trainer bitte nett zu den Kindern seien,
       sie nicht quälten, dafür sorgten, dass sie sich bewegten – und gut.
       Absteigen könnten sie gerne. Wäre mir egal.
       
       Meine Kinder werden eh keine Fußballprofis. Warum ich das weiß? Statistik.
       Woher ich das noch weiß? Meine Tochter eins steht sich dafür schon genug
       selbst im Weg. Ihre Leidenschaft liegt ganz woanders. Morgens begrüßt sie
       das Streichfett mit: „Hallo Butter, da bist du ja, du süße Maus.“
       
       28 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürn Kruse
       
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