# taz.de -- Die Wahrheit: England, Nengland
       
       > Zeichen der Zukunft: Warum es den Brexit einst wirklich und wahrhaftig
       > gab und welch hinterfotzige Rolle Gott dabei spielte.
       
 (IMG) Bild: Damals vor dem Brexit, als noch alles normal war: Prince Charles und eine gewisse Hazel beim Tee
       
       Wir schreiben das Jahr 2060, ein kleines Zimmer in einem kleinen Haus in
       einem kleinen Dorf in einem sehr kleinen Land namens Nengland. Die
       Rentnerin Jenny Smith hat Besuch von ihren zwei Enkelkindern.
       
       „Granny Jen!“, sagt der Junge.
       
       „Ja, mein Süßer?“, fragt sie.
       
       „Stimmt es, dass du dich erinnern kannst, an die alten Tage, als Nengland
       noch England hieß?“
       
       Jenny lächelt. „Aber klar!“, sagt sie. „So alt ist eure Omi! Als ich
       geboren war, hieß dieses Land hier England, nicht Nengland.“
       
       „Warum haben sie den Namen geändert?“, fragt die Enkeltochter.
       
       „Das war eine Abkürzung“, sagt Jenny. „Für Nazi-England. Damals wollten wir
       so schnell wie möglich Wörter ausgesprochen haben. Nicht British Exit,
       sondern Brexit. Nicht Nazi-England, sondern Nengland.“
       
       „Als du geboren warst, war Nengland also gar kein Naziland?“, staunt der
       Junge. Jenny streichelt ihm über seine Haare. „Ich dachte, Nengland war
       schon immer ein glückliches Naziland!“
       
       ## Erinnerungen aus einer fernen Zeit
       
       Jenny seufzt. Erinnerungen schwimmen zurück aus einem anderen Land, einer
       anderen Zeit. Tennis, Cricket, „Doctor Who“. Fish & Chips, Pies. Steak &
       Kidney Pies. Chicken Tikka Masala. Pubs & Bingo.
       
       „Damals war alles anders“, erklärt sie, „damals gab es zum Beispiel nicht
       an jedem öffentlichen Gebäude eine Hakenkreuz-Flagge.“
       
       „Echt?!“
       
       „Ach, irgendwie war alles anders. Wisst ihr was? Damals war es nicht
       illegal, wenn man sich an Halloween als ein Blackgefaceter oder als
       Fleißiger Pole verkleidete. Und wir haben beim Yoga ganz viele Positionen
       gehabt, den Hund und solche Sachen, ich kann mich nicht mehr genau daran
       erinnern . . . jedenfalls hatten wir nicht nur den Hitlergruß! Und in der
       Öffentlichkeit durfte man fremde Sprachen sprechen! Manchmal hörte man, wie
       Menschen fremde Sprachen in der Bahn sprachen!“
       
       „Gab es damals keine Kontrolleure?“
       
       „Doch, damals gab es schon Kontrolleure. Aber damals kontrollierten sie nur
       die Tickets, nicht die Sprache.“
       
       Was Jenny Smith nicht ahnen kann, ist, warum sich alles geändert hat. Es
       begann Anfang des 21. Jahrhunderts. Eines Morgens blickte Gott aus dem
       Fenster im Himmel und schaute besorgt herab auf die Erde. Wie so oft galt
       sein Blick seinem Lieblingsland – Großbritannien, natürlich! Was für ein
       schönes Land! Das hatte er richtig gut hingekriegt. Und das einzige, das
       besser war als Großbritannien: England! Ohne jeden Zweifel das attraktivste
       Land Europas und der Welt.
       
       ## England war ein so verdammt attraktives Land
       
       Gott runzelte die Stirn. Darin lag das Problem. England war ein so verdammt
       attraktives Land, dass es total unfair war den anderen Ländern in Europa
       gegenüber. Sein bester Engel kam und stand neben ihm.
       
       „Worüber denkst du nach, Gott?“, sagte er.
       
       „Über das England-Problem.“
       
       Der Engel wusste allzu genau, was für ein ernsthaftes Problem das war.
       
       „Das Land ist im Vergleich zu anderen Ländern einfach zu attraktiv“, sagte
       er.
       
       „Ja“, sagte Gott. „Das Land ist so geil, dass andere EU-Länder daneben wie
       totale Kackhaufen aussehen.“
       
       „Und wenn ein Land in Europa so klar, so eindeutig, so viel geiler ist als
       alle anderen EU-Länder, dann führt das natürlich zu Neid und Verzweiflung.“
       
       „Ja“, sagte Gott. „Da versammeln sich die gewöhnlichen EU-Bürger aus den
       Kacknationen wie hungrige Zombiehorden an den britischen Grenzen und
       sabbern geil bei der Idee, dass sie irgendwann mal in diesem herrlichen
       Land leben dürfen . . . Diese Situation ist unerträglich für die
       Kackeuropäer – aber auch für die Engländer, die geilen, attraktiven,
       supertotalgeilen Engländer. Sie leiden unter ihrer Geilheit.“
       
       „Gott, ich habe eine Idee! Warum sehen wir nicht zu, dass David Cameron ein
       EU-Referendum macht? Wir könnten die Idee von einem Referendum in sein Hirn
       pflanzen! Dann wäre das Land zwar immer noch total geil, aber zumindest
       könnten die Engländer ihre Grenzen vor den EU-Zombies beschützen.“
       
       Gottes Augen glänzten.
       
       „Das ist eine brillante Idee!“, rief er. „Und weißt du was? Letztlich wird
       das egal sein mit den Grenzen! Wahrscheinlich würde ein Referendum das Land
       so unattraktiv machen, dass niemand es besuchen wollen würde!“
       
       „Aber um auf Nummer sicher zu gehen, sollten wir eine Welle des Rassismus
       durch das Land schicken, nachdem das Referendum durchgeführt worden ist.“
       
       „Wahrscheinlich müssen wir das nicht“, sagte Gott weise. „Das Referendum
       wird den inneren Rassismus, der in jedem Herzen eines jeden tapferen
       Engländers lebt, einfach aufwecken und aktivieren.“
       
       „Wir sollten aber dafür sorgen“, sagte der Engel, „dass der nächste
       Premierminister nach Cameron ein totales Arschloch ist.“
       
       „Was ist mit Theresa May? Die böseste Frau der Welt. Die Frau ist so böse,
       dass sogar Alice Schwarzer nicht zusammenzuckt, wenn jemand May als ‚Fotze‘
       bezeichnet.“
       
       ## Kalte, böse Augen wie ein Disney-Bösewicht
       
       „Ihre kalten, kalten, bösen Augen strahlen wie die eines Disney-Bösewichts
       und werden schon etwas dafür tun, dass England unattraktiver wird.“
       
       „Und wie wäre es mit einem Vollidioten als Außenminister?“
       
       „Jemand, der alle Ausländer verachtet und den alle Ausländer verachten.“
       
       „Was ist mit Boris Johnson?“
       
       „Perfekt!“
       
       „Ach, ich werde besser schlafen, jetzt, wo ich weiß, dass die England-Frage
       einigermaßen geklärt ist.“
       
       2060. Die Enkelkinder schlafen, Jenny Smith blickt aus dem Fenster. Es ist
       lange her, seit eine andere Sprache als Nenglisch auf den Straßen und in
       den Häusern gesprochen wurde. „Es war nicht alles schlecht zu Zeiten des
       Multikulturalismus“, murmelt sie. Aber bald wird Jenny Smith tot sein, und
       dann wird es niemanden mehr geben, der sich an das alte England erinnern
       kann.
       
       20 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jacinta Nandi
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Brexit
 (DIR) Großbritannien
 (DIR) Zukunftsvision
 (DIR) Schwerpunkt Brexit
 (DIR) Meghan Markle
 (DIR) Jens Spahn
 (DIR) Stillen
 (DIR) Donald Trump
 (DIR) Schwerpunkt Brexit
 (DIR) Schwerpunkt Brexit
 (DIR) Schwerpunkt Brexit
 (DIR) Gina-Lisa Lohfink
 (DIR) Schwerpunkt Brexit
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Wahrheit: Taxi zum Brexit
       
       It’s definitely almost time to say goodbye: Wenn die Briten Blowjobs geben,
       bleibt nicht nur Europäern die Spucke weg.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Der Schöne und die geile Dame
       
       Eine königliche Vermählung steht dem kleinen Inselreich im Nordmeer
       demnächst bevor. Schon heute schaut die Wahrheit auf die Hochzeit des
       Jahres.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Geil auf den Gesundheitsminister
       
       Für Abtreibungsgegner wie Jens Spahn ist alles akzeptabler als eine Frau,
       die selbst über ihren Körper bestimmt. Keine Liebeserklärung.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Roboterklonhebammen
       
       Stillen ist das Beste für das Kind, behaupten diese Wesen aus dem Weltraum,
       während die Milchpumpe Geräusche macht wie ein Alien mit Asthma.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Fussballstadien voller Sexsklavinnen
       
       Seit Trump gewählt wurde, masturbiere ich nicht mehr. Meine sexuellen
       Fantasien sind einfach überlagert von der verdammten Realität.
       
 (DIR) Theresa May und der Brexit: Zielstrebig und kontrolliert
       
       Ausweichend diplomatische Antworten im Parlament: Die neue britische
       Regierungschefin gewährt kaum Einblick in ihre EU-Politik.
       
 (DIR) EU-Ratspräsidentschaft 2017: Großbritannien verzichtet
       
       Die britische Regierung werde im nächsten Jahr sehr mit den
       Austrittsverhandlungen beschäftigt sein. Einspringen wird wahrscheinlich
       Belgien.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Ich will mein Land nicht mehr zurück
       
       Jetzt hassen die Briten schon Polen! Die Rassisten werden auch immer
       dümmer! Meint die australische Freundin nach der Brexit-Wahl.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Schuhe aus Plastik
       
       Der Fall Gina-Lisa Lohfink zeigt, dass Feminismus sich nicht mit Petitessen
       aufhalten darf und wer die wahren Vergewaltigungsopfer sind.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Logik der Löwen
       
       O England! O Queen! Steht der Brexit an oder nicht? Innenansichten aus dem
       britischen Reich des Irrsinns.