# taz.de -- EMtaz: Kroatien – der neue Favorit: Mit Sporttalent und Schlachtenlist
       
       > Nach dem famosen Erfolg über Spanien ist der Auswahl Kroatiens bei dieser
       > EM der ganz große Wurf zuzutrauen. Sogar die Fans reißen sich zusammen.
       
 (IMG) Bild: Die kroatischen Fans bejubeln ihr Team – bald auch im Finale?
       
       Davor Šuker ist jetzt grauhaarig und etwas korpulenter, aber wenn die
       kroatischen Fans nicht gerade irgendwo einen Bengaloregen niederprasseln
       lassen, dann versprüht er immer noch dieselbe Fußballlust wie früher. Vor
       allem natürlich in Frankreich, wo der Boss des kroatischen Fußballverbands
       an allen Ecken und Enden an seine größte Stunde erinnert wird – als
       Torschützenkönig führte er seine Nation bei der WM 1998 ins Halbfinale. Und
       vor allem an einem Abend wie diesem: als die Fußballer seines Verbandes
       durch ein bravouröses 2:1 gegen Spanien ihre Gruppe gewannen.
       
       „Nein, dieses Ziel will ich nicht vorgeben, ich will nicht vergleichen“,
       sagte er mit Legendengroßmut zwar auf die Frage, ob Ähnliches wie 1998 nun
       wieder möglich sei. Aber er fügte angesichts der Parallelität beim
       Austragungsort dazu: „Da ist schon etwas.“
       
       Und was? Die Frage kann jeder beantworten, der die bisherigen EM-Spiele
       verfolgt hat und sich Kroatiens weitere Gegner in der oberen Tableauhälfte
       anschaut. Während sich die G 5 Europas (Spanien, Italien, England,
       Frankreich, Deutschland) im anderen Segment gegenseitig eliminieren werden,
       scheint das talentierte Team von Trainer Ante Čačić auf eine Direttissima
       ins Finale eingebogen zu haben. Kroatien ist vom Geheimfavoriten zum
       Turnierfavoriten mutiert.
       
       Wie es Spanien mit extrem hohem Pressing zu Fehlern zwang, den Rückstand
       durch Alvaro Morata, einen Lattenpfostenpendler von Ivan Rakitić sowie
       einen ungerechtfertigten Elfmeter für die Spanier wegsteckte, wie Ivan
       Perišić in der 87. Minute noch die Kraft für seinen Lucky Punch fand – das
       war eine beeindruckende Gesamtdarbietung.
       
       Dass die Kroaten sie ohne ihren angeschlagenen Star Luka Modrić, mit fünf
       Rotationen und teilweise international unbekannten Youngstern vollbrachten,
       macht sie umso grandioser. Das Sporttalent auf dem Balkan verdient einen
       Ewigkeitsoscar. Und Schlachtenlist ist auch immer da.
       
       20 Minuten vor Schluss, Elfmeterpfiff nach einer Falleinlage von David
       Silva. Proteste, Gelbe Karten. Als er sieht, dass Ramos schießen wird, geht
       der Blick von Kapitän Dario Srna zur Bank, wo Modrić sitzt, Ramos’
       Vereinskollege bei Real Madrid. Eine Aufforderung, eine Antwort. „Lange
       stehen bleiben und dann leicht nach rechts.“ Srna reicht die Botschaft an
       Torwart Danijel Subašić weiter. Ramos tut wie vermutet, Subašić wie ihm
       geheißen, der Rest ist Geschichte.
       
       Oder auch nicht, denn mancher Hauptdarsteller zeigte sich nur mäßig
       überrascht. „Für uns ist das kein so ein großes Ding“, sagte Mittelstürmer
       Nikola Kalinić, Schütze des herrlichen Hackenvolley-Ausgleichstors. „Wir
       sind uns unserer großen Qualität bewusst. Ich kann nicht versprechen, dass
       wir das Turnier gewinnen werden, aber mit Gottes Hilfe können wir wirklich
       weit kommen.“
       
       ## Der Verband hat genug Aufräumarbeit vor sich
       
       Ein Anfang war in Bordeaux auch, dass der Allmächtige die eigenen Ultras
       zur Räson brachte, denn Kroatien kann ja nicht nur auf sportlichem Wege
       eliminiert werden. Nachdem es in Bordeaux sogar Gerüchte über eine geplante
       Attacke auf den Schiedsrichter gegeben hatte, blieben ähnliche
       Zwischenfälle wie bei den Feuerattacken während des Spiels gegen Tschechien
       diesmal aus.
       
       „Ich möchte die französische Polizei und die Sicherheitskräfte
       beglückwünschen“, sagte ein erleichterter Šuker. Über eine Million Euro
       Strafe an Fifa und Uefa habe sein Verband in den letzten zehn Jahren
       bezahlt. Seine nächsten beiden WM-Qualifikationsspiele muss Kroatien ohne
       Publikum spielen.
       
       Dass aber auch der Verband noch genug Aufräumarbeit vor sich hat, ist
       weithin bekannt. Dabei geht es nicht mal nur um Korruption. Wo der vor zwei
       Jahren wegen seines faschistischen Grußes gesperrte Josip Šimunić
       inzwischen als Assistenztrainer willkommen ist, herrscht auch nicht
       unbedingt ein liberaler Geist. „Wir spielen und kämpfen für die Kroaten in
       aller Welt“, sagte Šimunić’ Vorgesetzter Čačić nach dem Triumph. „Dieses
       Team ist unsere Nation, diese Spieler zeigen, wie man ein Land
       repräsentiert, wie man handeln muss.“
       
       22 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Florian Haupt
       
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