# taz.de -- EMtaz: Gruppe A: Frankreich – Albanien: Nein! Doch! Ooohh!
       
       > Französische Drama-Queens: Griezmann und Payet buchten erst in der 90.
       > Minute das Last-Minute-Ticket ins Achtelfinale.
       
 (IMG) Bild: Rudeljubel nach dem 1:0 von Antoine Griezmann in der 90
       
       Die Startbedingungen: Frankreich könnte es eigentlich ruhig angehen lassen:
       Nach Dimitri Payets Traumtor in der vorletzten Minute beim 2:1 gegen
       Rumänien wird in der Vorrunde nichts mehr anbrennen. Da dann ohnehin nur
       die acht schlechtesten Teams ausscheiden, sind die Franzosen mit drei
       Punkten schon so gut wie weiter, ein Tor bräuchten sie dafür noch.
       Stattdessen hat Trainer Didier Deschamps sich im Vorfeld als Bushido-Fan
       geoutet und „Stress ohne Grund“ gemacht: Er setzte die wichtigen
       Leistungsträger Paul Pogba und Antoine Griezmann auf die Bank. Aber nicht
       um sie zu schonen, sondern weil sie so schlecht gegen Rumänien gewesen
       seien, so der Weltmeister von 1998. Dafür darf sich Kingsley Coman vom FC
       Bayern München auf der rechten Seite austoben, außerdem spielt Anthony
       Martial von Manchester United.
       
       Ganz anders Albanien: Das Team hat das erste Spiel mit 0:1 gegen die
       Schweiz verloren. Zu allem Überfluss flog auch noch der Tausendsassa,
       albanische Rekordnationalspieler und Kapitän Lorik Cana mit Gelb-Rot vom
       Platz und ist damit heute gesperrt. Mergim Mavraj vom 1. FC Köln könnte man
       noch kennen, muss man aber auch nicht. Ansonsten besteht das Team aus mehr
       Unbekannten als eine multivariable Gleichung.
       
       Das Vorurteil: Die Franzosen hätten das Spiel in aller Ruhe angehen und
       locker aufspielen können. Deschamps hat stattdessen Unruhe ins Team
       gebracht und, wenn wir Bartels da richtig verstanden haben, zu allem
       Überfluss auch noch ehelichen Besuch im Teamhotel untersagt. Otto Rehhagel
       wäre da [1][anderer Meinung] gewesen und der ist immerhin im 21.
       Jahrhundert mit Manndeckung Europameister geworden. Und apropos Rehhakles:
       Gianni de Biasi, der albanische Trainer, ist waschechter Italiener und wird
       ebenso versuchen, das französische Spiel zu zerstören. Daher kommt es zu
       einem klaren 0:0.
       
       Das Spiel: Die ersten 20, ach was 45 Minuten igelt sich Albanien hinten
       ein. Im eigenen Strafraum ist es so richtig gemütlich. Ist das da ein
       Biedermeier-Ohrensessel im Fünfmeterraum? Ach schau, der Kamin brennt so
       schön. Den Franzosen ist es dort trotzdem nicht muggelig genug. Sie kommen
       praktisch nie zu Besuch. Albanien hat eh nie Kuchen da.
       
       Frech: Als die Albaner sich kurz vor ihr Schneckenhaus trauen, schlägt
       Elseid Hysaj eine abgefälschte Flanke vor das französische Tor, die fast
       den den albanischen „Stürmer“ Armando Sadiku erreicht. Aber der
       französische Torwart Hugo Lloris fängt den Ball. Danach das übliche Bild:
       Franzosen schieben sich den Ball an der Mittellinie hin und her. Die
       EM.taz.statistik.wundermaschine (das bloße Auge) hat die Passdaten der
       Franzosen ausgewertet: Ganz schwache Packing-Rate. Das Spiel ist insgesamt
       so spannend wie die Ankündigung: „Beckmann live aus Malente“.
       
       Symptomatisch: In der 35. Minute zaubert das wandelnde
       Youtube-Higlight-Video Kingsley Coman den Ball auf der Außenbahn an seinem
       albanischen Gegenspieler Kukeli mit dem Zidane-Trick vorbei. Und streichelt
       das Leder dann: direkt zum Gegner. Eine Szene, die der Wikipedia-Eintrag
       von „Brotlose Kunst“ sein könnte.
       
       Zweite Halbzeit: Deschamps hat in der Halbzeit-Pauser offenbar die
       heftigsten Bushido-Lines zitiert und seine Spieler mit sinnlosen
       Beleidigungen aufgeweckt. Denn die Franzosen starten in die zweite Hälfte
       wie Kai, äh, Jacques aus dem Rotweinfass. Und Paul Pogba darf auch wieder
       mitmachen, sieh an. Der, Coman und Payet versem…äh verbaguetten
       anschließend sofort ein paar Großchancen. Nein! Doch! Oohh!
       
       Auf der anderen Seite haben die Albaner immerhin eine Riesenmöglichkeit:
       Der französische Innenverteidiger Ngolo Kanté verkantet sich im Laufduell
       mit dem Albaner Ledian Memuschaj. Irgendwie eumelt der Ball von Kanté an
       den Pfosten der Franzosen. Von da prallt er genau auf den Kopf von
       Memuschaj. Nur leider ist dessen Kopfballspiel im Liegen ausgesprochen
       schlecht. Dabei gibt es so schöne [2][Beispiele], wie man es besser hätte
       machen können.
       
       In der 67. hat Olivier Giroud gleich zwei Riesenchancen. Vergeigt jedoch
       beide. Die letzte an den Pfosten. Frankreich dreht jetzt richtig auf.
       Inzwischen ist das Spiel so ausgeglichen wie ein Testspiel zwischen der
       deutschen Nationalmannschaft und dem TSV Malente. Umso erstaunlicher:
       Deschamps wechselt systematisch die Spieler aus, die gerade gut im Spiel
       waren. Erst Coman, dann Giroud. Dafür bringt er Griezman und Andre Pierre
       Gignac. Ist das dieses französische Laissez-faire? Danach trotzdem weiter
       wie gehabt: Frankreich vergeigt mehr als David Garrett auf der Triangel.
       
       Doch dann ist da ja noch die 90. Minute: Nach einer Flanke macht Griezmann
       den circa zwanzigsten gefährlichen Kopfball rein. Tor. Frankreich. Oh là
       là: Den kollektiven Stoßseufzer kann man sogar noch im Saarland hören. Dass
       Payet in der Nachspielzeit sogar noch auf 2:0 erhöht, geht danach fast
       schon im Jubel unter. Danach reißen die französischen Fans das ab, was von
       Marseille nach England-Russland noch übrig geblieben ist. Ergebnis:
       Frankreich 2, Albanien 0.
       
       Der entscheidende Moment: Griezmann, 90. Minute, bucht das
       Last-Minute-Ticket für Frankreich. Mit einem perfekten Kopfball nach einer
       Flanke von Adil Rami. Allerdings hatte er beim Kopfball auch mehr Platz als
       ein Elefant im Business-Bereich von Air Dubai.
       
       Der Spieler des Spiels: Aus Mitleid: der albanische Beton. In der ersten
       Halbzeit besonders zäh und trocken. In der zweiten Halbzeit war der Zement
       etwas wässriger. Hat leider nicht gehalten.
       
       Die Pfeife des Spiels: Patrice Evra. Nachdem er im ersten Spiel gegen
       Rumänien den unnötigsten Elfmeter seit Andy Möllers Schutzschwalbe
       verursacht hat, setzte er heute mit einem Roundhouse-Kick auf Halshöhe
       gegen den Albaner Lila ein. Eine Karte bekam er dafür nicht. Chuck Norris
       gefällt das.
       
       Das Urteil: Was sollen die Albaner machen: Sie stehen hier und können nicht
       anders. Also im eigenen Strafraum. Und die Offensive ist halt eher so
       Problemzone. Immerhin kam den Albanern zugute, dass Didier Deschamps seine
       Mannschaft systematisch sabotiert hat. Genützt hat es am Ende trotzdem
       wenig. Frankreich siegt verdient, aber doch irgendwie glücklich mit 2:0.
       Albanien-Trainer di Biasi boxt gefrustet seinen Assistenten, Griezmann
       lässt sich eine Stammplatz-Garantie ausstellen.
       
       15 Jun 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.youtube.com/watch?v=A2_iRenS6n0
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=kIADEHPhLqI
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gareth Joswig
       
       ## TAGS
       
 (DIR) EMtaz Bericht/Analyse
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
 (DIR) Albanien
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) Fußball
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) EMtaz: Achtelfinale Frankreich – Irland: Vom Küken zum Hahn
       
       Frankreich entdeckt die Breite des Spiels und Irland verläuft sich in der
       eigenen Abwehr. Am Ende reichen den Franzosen fünf Minuten.
       
 (DIR) EMtaz: Oli Kahn über „Menschen“: Titan in Anführungszeichen
       
       Welke und Kahn nehmen den Fußballzirkus nicht allzu ernst. Das tut gut.
       Allerdings kann man auch über das Ziel hinausschießen.
       
 (DIR) EMtaz: Deutschlands miese zweite Spiele: Löws retardierendes Moment
       
       Bei der Nationalelf ist es Tradition geworden, dass auf einen Auftaktsieg
       die Ernüchterung folgt. So bleibt die Spannung bis zum Gruppenfinale hoch.
       
 (DIR) EMtaz: Unsinn der Schweigeminute: Einfach mal die Fresse halten
       
       Vor dem Frankreich-Spiel war mal wieder Schweigen verordnet. Gehört sich
       halt. Wer hingegen bei der Hymne schweigt, wird gerügt. Was soll das?
       
 (DIR) EMtaz: Gruppe B: Russland – Slowakei: 80 Minuten russischer Pausentee
       
       Die Slowakei meldet sich im Turnier zurück, weil Russland nicht begriffen
       hat, dass man Bälle besser flach nach vorne spielt. 2018 wird düster.
       
 (DIR) EMtaz: Gruppe F: Portugal – Island: Ice, Ice, Baby!
       
       Wo liegt eigentlich dieses Island? Das fragte sich Cristiano Ronaldo noch
       vor der Partie. Dann ersangen sich isländische Fans einfach einen Punkt.
       
 (DIR) EMtaz: Gruppe C: Polen – Nordirland: Milik ist Papst
       
       Polen spielt hoch in den Strafraum der Nordiren, die den Ball noch höher
       raushauen. Dann schießt ein Stürmer einmal flach, trifft das Tor, das
       war's.