# taz.de -- Kolumne „Warum so ernst?“: Traktor, Redakteurin, Kolumne
       
       > Denk ich an „Arbeit“, dann denk ich an den Schmied, den Anstreicher, den
       > Metzger, den Schneider – aber doch nicht ans Schreiben.
       
 (IMG) Bild: Das sieht wirklich nach Arbeit aus
       
       Die Redakteurin schickt mir folgende Email: „Aboud, es ist mal wieder
       soweit. Morgen musst du mir den Text für deine Kolumne schicken!“
       
       Und ich, ich hatte sowohl die Kolumne als auch die Zeitung völlig
       vergessen, genauso die arabische Renaissance, Che Guevara und mich selbst
       sowieso, während ich da saß und Spider Solitaire spielte.
       
       Ich überlege, was ich schreiben soll.
       
       Mir kommen Tausende Ideen, von denen keine Einzige für einen Text taugt.
       
       Ideen wie zerknüllte Blätter, weggeworfen in den Mülleimer, der mein Kopf
       ist.
       
       Ich werde über Arbeit schreiben. Arbeit bedeutet Geld. Wenn ich das Wort
       Arbeit höre, denke ich an den Schmied, den Anstreicher, den Metzger, den
       Schneider, den Fliesenleger und den Fernseher-Reparateur.
       
       Du kannst vielleicht Geld verdienen, wenn du einen blutverschmierten
       Arbeitskittel trägst, den ganzen Tag mit einem scharfen Messer in der Hand
       herumläufst und Fleisch verkaufst. Tierfleisch, versteht sich. Oder aber,
       wenn du ein Tischler bist, und dir das Sägemehl bis ins Mittelohr reicht.
       Oder, wenn du als Fernseh-Reparateur gezwungen bist, mit fünfzig kaputten
       Fernsehgeräten zusammenzuleben, die sich auf den Regalen deines Ladens
       stapeln.
       
       Das war mein Verständnis davon, wie ein Mensch sein Geld verdient. Mir wäre
       nie im Leben eingefallen, dass eine Person beispielsweise als „Koordinator“
       Geld verdienen kann. Oder im Bereich „Design“. Oder als Schriftsteller!
       
       Ist Schreiben etwa Arbeit?
       
       Doch die Redakteurin versteht das nicht. Und morgen will sie ihre Kolumne,
       und wenn nicht, dann wird sie sauer!
       
       Und ich würde es natürlich nie wagen, die Redakteurin verärgern.
       
       Ich denke darüber nach, was ich schreiben könnte. Ich erinnere mich daran,
       wie es war, als ich noch mein Metallarbeiterleben bestritt / in unserer
       Werkstatt reparierten wir Traktoren / wenn ein Traktor vor der Werkstatt
       parkte, stürzten ich und meine Brüder uns darauf, wie Raubtiere auf eine
       Beute / eine Beute, die dreitausend syrische Lira (etwa 13 Euro) einbrachte
       / Und dreitausend syrische Lira waren ein Vermögen / Wir kauften davon
       Fleisch und Obst und Bier und mein intellektueller Bruder kaufte sich
       Bücher mit eigenartigen Titeln, beispielsweise, „Wie der Stahl gehärtet
       wurde“, und bildete sich darauf etwas ein.
       
       Je mehr Traktoren kamen, desto intellektueller wurde mein Bruder / Durch
       die Menge der Traktoren im Umland kam eine beträchtliche Hausbibliothek
       zustande / Und die Kultur breitete sich in unserem Haus aus / Mahmoud
       Darwisch, Milan Kundera und natürlich Brathähnchen und Fleisch, deren
       Stellung nicht geringer war, als die des Herrn Kundera / Meine Mutter hatte
       auch ihre Freude, nicht wegen der Kultur, sondern weil sie immer den Rest
       des Geldes bekam, das ein Traktor einbrachte / So sehr hing die
       Alltagskultur der Familie mit Traktoren zusammen. Wenn meine Mutter zum
       Beispiel für mich betete, sagte sie „Möge Gott zwanzig Traktoren vor dir
       parken“. Und meine Schwester pflegte zu sagen, wenn sie auf mich sauer war:
       „Verpiss dich. Hoffentlich überfährt dich ein Traktor und dann bin ich dich
       los.“
       
       Und dann kam, was kam.
       
       Die Werkstatt musste schließen, meine Familie floh in die Türkei, ich bin
       inzwischen in Deutschland, und die Redakteurin will ihre Kolumne bis
       morgen. Und hier in Deutschland heißt morgen auch wirklich morgen.
       
       Ich dachte gerade an die Redakteurin und den Text, da rief mich meine
       Mutter über Skype an.
       
       Wir redeten ein bisschen, dann sagte ich:
       
       „Mama, ich muss jetzt Schluss machen. Ich muss an die Arbeit.“
       
       „Wo musst du denn hin? Bleib! Du kannst jetzt nicht gehen. Überhaupt, was
       hast du denn bitte für Arbeit?! Verbringst doch deine ganze Zeit mit Schlaf
       und dann schreibst du leeres Gewäsch! Was für eine Arbeit denn? Traktoren?“
       
       „Nein Mama. Keine Traktoren. Eine Kolumne und eine Redakteurin.“
       
       Übersetzung: Sandra Hetzl
       
       14 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Aboud Saeed
       
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