# taz.de -- Rückkehr nach Sportinvalidität: Er will nur ein paar Minuten
       
       > Elkin Soto war nach einer Verletzung Sportinvalide. Nun hofft er auf
       > einen Kurzeinsatz und darauf, dass ihn dann niemand attackiert.
       
 (IMG) Bild: Elkin Soto jubelt nach seinem Treffer gegen FC Bayern München, 2014
       
       Mainz taz | Beim FSV Mainz 05 ahnt man jetzt schon, dass Gefühlsausbrüche,
       die Verein und Fans am letzten Spieltag überwältigen werden, kaum zu
       verkraften sind. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass am 14. Mai in
       der Arena am Europakreisel im Heimspiel gegen Hertha BSC alles
       zusammenkommt: Dass ein außergewöhnlicher Erfolg (Einzug in die Europa
       League) gefeiert und ein langgedienter Manager (Christian Heidel)
       verabschiedet wird sowie der erklärte Publikumsliebling (Elkin Soto) auf
       den Rasen zurückkehrt.
       
       Selbst für einen auf Frohsinn getrimmten Fastnachtsverein wie den FSV, der
       am Sonntag das Rhein-Main-Derby bei Eintracht Frankfurt bestreitet, könnte
       das unter Umständen zuviel sein. Deswegen macht längst die Rede vom
       „emotionalen Sprengstoff“ die Runde – ein Begriff, der es auch gut trifft.
       
       Speziell das Comeback des wegen seiner Verlässlichkeit verehrten
       Kolumbianers Elkin Soto könnte alles in den Schatten stellen. Dass der
       35-Jährige überhaupt am Mittwoch von Trainer Martin Schmidt begrüßt und von
       den Kollegen mit Applaus bedacht wurde, um anschließend Teile des
       Mannschaftstrainings mitzumachen, glich für Außenstehende einem
       medizinischen Wunder.
       
       „Ich will in dieser Saison noch ein paar Minuten spielen. Das ist mein
       Ziel“, ließ Soto wissen. Sein Comeback würde, wenn auch nur über eine
       symbolische Einwechslung, zur Verfilmung taugen.
       
       Denn als der Mittelfeldspieler am 3. Mai vergangenen Jahres im Heimspiel
       gegen den Hamburger SV in einem Zweikampf mit Rafael van der Vaart mit
       voller Wucht das Bein unglücklich durchschwang, ging kaputt, was selten bei
       einem Fußballer kaputt geht: Außer einem Riss des vorderen Kreuzbandes
       sowie einer Teilruptur des hinteren Kreuzbands kam es zu einer kompletten
       Ruptur der lateralen stabilisierenden Strukturen des Kniegelenks,
       diagnostizierten die Ärzte. Einfacher gesagt: Kreuzband, Meniskus und
       Innenband waren aus der Gelenkkapsel gerissen.
       
       ## „Seine mentale Verfassung ist erstaunlich“
       
       „Das Knie war nicht mehr da, wo es hingehört. So etwas habe ich noch nie
       gesehen“, äußerte sich der Mainzer Manager Christian Heidel über die
       außergewöhnlich schwere Verletzung, die ein ganzes Stadion in den
       Schockzustand versetzte. Jeder wusste, dass der kahlköpfige Dauerläufer
       eigentlich auf gepackten Koffern saß und in seine Heimat nach Südamerika
       zurückkehren wollte. Heidel bot spontan einen neuen Einjahresvertrag an –
       der Profi nahm sofort an. Und ist dafür im Rückblick unendlich dankbar. „So
       wusste ich, dass ich meine Reha unter besten Voraussetzungen in Ruhe machen
       kann.“ Und jenen Operateuren und Therapeuten vertrauen konnte, die ihn
       teilweise schon nach dem ersten Kreuzbandriss im anderen Knie 2007
       behandelt hatten.
       
       Die nächste Woche erscheinende Sportärztezeitung hat Sotos Rückkehr zum
       Fußball zum großen Thema gemacht. Detailliert ist darin der leidvolle und
       schwierige Weg mit den zwei umfangreichen Operationen – die erste am 6.
       Mai, die zweite am 28. Juli vergangenen Jahres – beschrieben. Dabei ging es
       oft nicht nur um physiologische, sondern auch psychologische Aufbauhilfe:
       etwa als Soto auf einem Gerät, das die Schwerkraft ausschaltet, seine Beine
       sehr früh wieder laufen sehen konnte.
       
       Robert Erbeldinger, der Herausgeber der Sportärztezeitung, traf sich
       zweimal zu Gesprächen mit dem Spieler und urteilt: „Seine mentale
       Verfassung ist erstaunlich.“ Die achtseitige Titelstory heißt „Der schwere
       Weg“ zurück, wobei unter anderem der Mainzer Mannschaftsarzt Stefan
       Mattyasovszky oder der Operateur Thore Zantop vom Sporthopaedicum Straubing
       zu Wort kommen. Alle Beteiligten sind sich einig: Ohne seinen immensen
       Willen, seine professionelle Einstellung und seinen tiefen Glauben wäre
       Soto nicht dahin gekommen, wo er heute ist.
       
       ## Sotos Entwicklung ist positiv
       
       Hinzu kam, so beschreibt es Chris Rohrbeck, Chefphysiotherapeut des FSV
       Mainz 05, „ein perfektes Zusammenspiel vieler Akteure“ bei der
       medizinischen Begleitung. Noch ist aber nicht alles gut. Cheftrainer Martin
       Schmidt gibt nicht zu Unrecht zu bedenken, dass es nur noch vier Wochen bis
       zum letzten Spieltag sind – und bisher hat der 159-fache Bundesligaspieler
       noch keinen Zweikampf bestritten. Bei den Übungen wurde er als Wandspieler
       eingesetzt, um Körperkontakt zu vermeiden; das Abschlussspiel beobachtete
       er von außen.
       
       Ein Mitwirken wäre vor allem gut für den Kopf. Bei seinem Körper geht es
       den Behandlern derzeit darum, dass alle Gelenke „freigehalten“ werden. Auch
       Knöchel, Becken und Hüften müssen die Belastungen wieder mitmachen, die
       Muskelketten funktionieren – gerade die Gefahr von Folgeverletzungen wird
       nach solch langen Zwangspausen oft unterschätzt.
       
       Doch Sotos Entwicklung ist positiv. „Elkin hat es geschafft, diese schwere
       Verletzung in eine mentale und physische Herausforderung für sich zu
       drehen“, sagt Schmidt. „Jetzt muss er das Ziel haben, zu spielen. Und wir
       begleiten ihn.“
       
       Doch selbst wenn der 26-fache kolumbianische Nationalspieler nicht mehr
       aufläuft, hat er für sich viel erreicht und alle in seinem Umfeld
       verblüfft. Die Pläne für die Zeit danach sind längst geschmiedet. Im Sommer
       geht es mit der Familie zurück nach Kolumbien, so oder so. Da kann er sich
       gut vorstellen, eine Aufgabe in der Jugendarbeit zu übernehmen. „Viele
       Jugendliche haben nicht die Möglichkeit, Profi zu werden, und wachsen in
       einem schwierigen Umfeld auf. Diesen Jungs eine positive Entwicklung zu
       bieten, das wäre mein Wunsch.“ Zumal er, den sie zu Hause „El Sultan“
       nennen, mehr denn je als Vorbild dient.
       
       24 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Hellmann
       
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