# taz.de -- Die Wahrheit: Rotz und Trotz am Arbeitsplatz
       
       > Wochenendmenschen betreiben immensen Aufwand, um den weitaus größeren
       > Teil ihres Lebens zu ignorieren. Außerdem hören sie Gutelauneradio.
       
       So wie es Weihnachtschristen gibt, die sich nur zur Christmette in der
       Kirche einfinden, gibt es Wochenendmenschen, die dem Glauben anhängen, dass
       sich das wahre Leben zwischen Freitagabendzusammenbruch und „Tatort“
       abspielt, in Kneipen oder am Baggersee. Und das sind, wie es scheint, alle
       von uns.
       
       Sonst wäre es gar nicht zu erklären, dass das überall präsente
       Gutelauneradio schon am Montagmorgen davon zu schwafeln beginnt, wie doch
       bald wieder erstens endlich Feierabend und zweitens dann auch prompt
       Wochenende sei. Spätestens am Mittwoch wird das Bier kaltgestellt, und der
       Donnerstag heißt, hörte ich neulich, in der Trendhauptstadt Berlin bereits
       Klein-Freitag. Am Arbeitsplatz wird in lausigen 40 Stunden zwischen So. und
       Sa. dann irgendwas vorgeführt, was nach außen entfernt an menschliches
       Leben erinnert, in Wahrheit aber nur aus schlecht getarntem Rotz und Trotz
       besteht.
       
       Wobei mir wieder einfällt, dass Fanny Müller und ich schon vor Jahren den
       Plan hatten, ein Schlechtelauneradio zu gründen, in dem wir alltags ab fünf
       Uhr morgens stundenlang unwitzig vor uns hin muffeln und Zuhörer beleidigen
       wollten. Allerdings hätten wir dafür sehr früh aufstehen müssen, und dann
       dauert es ja noch länger bis zum Feierabend.
       
       Ja, wahrscheinlich gibt es ziemlich viele blöde Jobs, die ich auch nicht
       machen möchte. Guter Einwand. Bundeskanzlerin fände ich jetzt doof zum
       Beispiel, und Friseurin wäre mir zu viel Verantwortung. Trotzdem gehe ich
       lieber mit Leuten um, die ihre Arbeit nicht als Beeinträchtigung ihrer
       Persönlichkeitsentfaltung betrachten. Gern sollen sie alle dafür auch viel
       Geld kriegen. Aber ich bin sicher, sie würden trotzdem jammern und stöhnen
       und weiter ihre albernen Strichlisten bis zum Urlaub führen.
       
       Da kommen wir ans nächste Problem: Wer nur für zwei Wochen im Jahr der
       echte Mensch ist, der er gerne sein möchte, kann schon mal ziemlich rabiat
       werden, wenn es dann nicht so läuft. Regenwetter, Ameisenstraßen im Bett,
       Kröten hinterm Klo; das alles ist der Illusion der paradiesischen Umgebung,
       in der mein sonnengebräuntes Ego endlich angemessen erstrahlen kann, nicht
       besonders zuträglich.
       
       Ich gestehe: Ich habe im Urlaub schon mal eine Kellnerin angefahren, nur
       weil ich eine Dreiviertelstunde auf ein albernes Dessert warten musste.
       Mildernde Umstände: Ein Alphorntrio auf der Restaurantterrasse hatte
       versucht, mir die Wartezeit zu versüßen, damit mein Abend perfekt würde.
       Ich geriet in einen ungünstigen Strudel aus Naturtonreihen, Unterzuckerung
       und Menschenhass. Es tut mir immer noch leid.
       
       Neuester Trend in unser alternden Gesellschaft: Kinderfreie Hotels.
       Bodenlos, infam, totaler Quatsch. Wer keine Kinder aushalten kann, soll im
       Bordell Ferien machen oder im Altersheim. Lasst euch bloß nicht vom Leben
       stören! Man kann alternativ nach Celle ziehen, wo die Provinz
       selbstzufrieden vor sich hin vergreist. Wie quakte neulich der Senior am
       Restaurant-Nachbartisch? „Hier bin ich, hier will ich sein. Goethe.“
       
       13 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Fischer
       
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