# taz.de -- Feminismus Die sex-positiven Aktivistinnen Laura Méritt und Polly Fannlaf im taz.lab-Interview: „Die Klitoris wurde immer kleiner“
       
       Interview Sophie Fedrau
       
       taz: Frau Méritt, Frau Fannlaf, Sie stehen für sex-positiven Feminismus.
       Was bedeutet das – und was ist daran so attraktiv? 
       
       Laura Méritt: Die sex-positive Bewegung spricht sich für einen
       respektvollen Zugang zu Sexualität aus, der auf Konsens beruht. Besonders
       die jüngere Generation, die mit den Angeboten der Pornoindustrie im
       Internet aufwächst, ist interessiert an alternativen Bildern, die nicht
       sexistisch, rassistisch, size-istisch oder age-istisch sind.
       
       Wie sex-positiv sind wir denn schon? 
       
       Méritt: Die Sexspielzeugindustrie wurde von der Frauenbewegung
       revolutioniert. Pornografie ist als ernstzunehmendes Forschungsfeld an den
       Universitäten angekommen, und feministische Kriterien finden allgemein
       Anklang. Das ist ein riesiger Schritt auf dem Weg hin zu einer
       Gesellschaft, die Sex als positive Kraft anerkennt.
       
       Gibt es nicht wichtigere Themen als Feminismus und Gender – das Erstarken
       der AfD oder die Flüchtlingsdebatte? 
       
       Méritt: Gender ist eine Masterkategorie, die in alle gesellschaftlichen
       Angelegenheiten hineinspielt. Außerdem sind Frauen und andere Gender mit
       Bildung und einem starken Selbstbewusstsein, also auch Vertrauen und
       Kenntnis des eigenen Körpers, weniger anfällig für rechte Parteien und
       andere diskriminierende Strukturen.
       
       Polly Fannlaf: Die alten Dualismen haben ausgedient und nun geht es darum,
       die Vielfalt zu erkunden. Freund*in und Fremde sind keine Gegensätze – es
       gilt, den Reichtum zu begreifen und zu feiern.
       
       Sie geben Workshops über die weibliche Anatomie. Ist es wirklich noch
       nötig, darüber aufzuklären? 
       
       Méritt: Zu Lustorganen und vor allem zu den Schwellkörpern und
       Erregungsorganen wie Klitoriskomplex und weiblicher Prostata wissen die
       meisten zu wenig. Mann und Frau werden als zueinander komplementär
       dargestellt, und das Praktizieren von Sex reduziert auf die Penetration von
       Schwanz in Möse.
       
       Fannlaf: Das ist vielen zu langweilig und die bekommen dann bei uns viele
       schöne Anregungen (beide lachen).
       
       Ist Anatomie also ein Politikum? 
       
       Méritt: Körper werden von der jeweiligen Gesellschaft und ihren
       sozioökonomischen Interessen definiert. Diese Beschreibungen können sich im
       Laufe der Zeit verändern. Die Klitoris wurde etwa im Laufe der Jahrhunderte
       immer kleiner dargestellt, jetzt wird sie von der Schönheitsindustrie als
       klein und symmetrisch normiert.
       
       Innerhalb des Feminismus steht „PorYes“ gegen „PorNo“. Ist die
       Frauenbewegung zu gespalten? 
       
       Fannlaf: Bei Politiker*innen werden Meinungsverschiedenheiten als Zeichen
       engagierter Auseinandersetzung gelesen. Bei Frauen werden verschiedene
       Ansätze hingegen eher negativ gewertet. Damit wird in die ideologische
       Genderkiste gegriffen. Dabei ist ein Leitsatz der Frauenbewegung: Vielfalt
       ist Reichtum.
       
       Méritt: Tatsächlich gibt es zum Thema Pornografie mehr Gemeinsamkeiten als
       Unterschiede. Alle sind sich einig, dass eine andere (Bilder-)Sprache nötig
       ist. Das Schweigen der gesellschaftlichen Mitte zu lustvoller Sexualität
       überlässt die Deutungshoheit über sexuelle Expression der Pornoindustrie.
       Schön ist da, dass immer mehr feministische Filme produziert werden.
       Feminismus macht sexy!
       
       19 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sophie Fedrau
       
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