# taz.de -- Bionadestatt Bierbike
       
       > Kulturgeschichte Wo Party war, wird Historie sein: drei Führungen entlang
       > der „Clubkultour“
       
       Dienstagmorgen, 10 Uhr. Der Termin für die Vorstellung der
       „Clubkultouren-Berlin“ beginnt zum denkbar unclubmäßigsten Zeitpunkt der
       Woche. Auf den Berghain-Toiletten dürfte seit Montagmittag endgültig nur
       noch die Putzkolonne unterwegs sein, der Allweekender SaSoMo im Kater Blau
       ist spätestens seit Montagabend vorbei, und selbst für Hartgesottene hat
       die Afterhour im Golden Gate mittlerweile ein erschöpftes Ende gefunden. Am
       Dienstagmorgen schläft die Feierszene noch, auf deren Spuren die Teilnehmer
       der Stadtführung in den nächsten Stunden wandeln.
       
       „Es geht uns bei „Clubkultour“ darum, nicht nur die wirtschaftliche
       Relevanz, sondern besonders die kulturelle Bedeutung der Clubs für Berlin
       herauszustellen“, erklärt Eberhard Elfert sein Anliegen, während sich der
       kleine Reisebus über die Torstraße langsam in Richtung Alex vorschiebt. Mit
       Blick auf das Café St. Oberholz, wo die digitale Boheme in ihre Laptops
       hackt, erinnert der Kulturwissenschaftler an Clubs wie den Eimer oder das
       Sexiland, die einst unterhalb des Rosenthaler Platzes zu Partys in einer
       öffentlichen Toilette einluden. Der im Flyer anvisierten Zielgruppe der „60
       Prozent der Berliner, die nicht die Chance hatten, beim Mauerfall dabei zu
       sein“, dürften diese Orte durchaus historisch erscheinen, ebenso wie die
       Vorstellung, dass am Alexanderplatz statt Primark einst das Zentrum des
       hippen Nachtlebens gewesen sein soll.
       
       Als Fahrradtour oder alternativ auch im Reisebus führen Elfert und von ihm
       geschulte Stadtführer Touristen und andere Interessierte ab dem 19. März
       immer samstags zu den Schauplätzen des Berliner Clubgeschehens und zeichnen
       die komplexe Geschichte seit der Wende anhand der architektonischen
       Stadtentwicklung nach. Drei Routen mit unterschiedlichem Schwerpunkt sind
       wählbar. Unterstützt wird das Projekt von der Clubkommission e. V., die
       sich seit 2000 für die Förderung der Berliner Club-, Festival- und
       Kulturereignisveranstalter einsetzt und sich als „Sprachrohr für die
       kleinteilige Szenewirtschaft“ versteht.
       
       Vom Potsdamer Platz bis nach Kreuzberg fährt die „Klassische Tour“ längs
       des ehemaligen Grenzgebiets und stellt die hier in den 1990er Jahren
       angesiedelten frühen Clubs wie Tresor, E-Werk, Exit und das alte Ostgut in
       den Mittelpunkt. Unter dem Motto „Underground und Easyjetset“ geht es bei
       der zweiten Tour um Architektur, Stadtentwicklung und die damit verbundenen
       Veränderungen in der Landschaft der Szene in den letzten 25 Jahren.
       Altbekannte Stichworte wie Billigflugtourismus, Gentrifizierung und
       Clubsterben fallen – wobei Elfert letzteren Begriff ablehnt.
       
       „Den Begriff des Clubsterbens finde ich problematisch, da Clubs ja keines
       natürlichen Todes sterben, sondern Schließungen meist schlicht mit
       wirtschaftlichen Interessen zusammenhängen. Ich würde eher von einer
       Wanderbewegung sprechen“, sagt er, als der Bus die Oberbaumbrücke passiert.
       Dieser Clubabwanderung widmet sich die dritte Tour, „ ‚Richtig‘ feiern“,
       die zwar augenzwinkernd als „Alternative zum Pub-Crawl“ angeboten wird, mit
       „richtig“ aber auch „korrekt“ meint. Samstagsabends ab 22 Uhr werden die
       aktuellen Feierhotspots in Kreuzberg und Friedrichshain abgeradelt. Statt
       Pfeffi gibt es ein alkoholfreies Getränk aus biologischem Anbau – Bionade
       statt Bierbike sozusagen.
       
       Nachhaltigkeit ist das große Zauberwort der „Richtig“-feiern-Tour, die etwa
       einen Blick auf das Holzmarktareal, das urbane Gartenprojekt Mörchenpark
       und den seit Jahren geplanten Spreeuferweg wirft. „Clubkultour“ will nicht
       Touristen in die angesagten Clubs treiben, sondern versteht es als
       Bildungsauftrag, ein Bewusstsein für den Geist der Szene und die
       historische Bedeutung der „Kreativwirtschaft“ zu schaffen. Ob dies durch
       kulturwissenschaftliche Betrachtung einer immer noch lebendigen Kultur
       gelingen kann, ist allerdings fraglich. Die silberne Discokugel hinter dem
       Bretterverschlag des Kater Blau schimmert verheißungsvoll in der Sonne.
       Morgen fängt das Wochenende wieder an. Laura Aha
       
       http://clubkultour.de
       
       3 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Laura Aha
       
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