# taz.de -- Placebo gegen Altersarmut
> VORSORGE Die viel gepriesene Deutschlandrente hilft bei der Bekämpfung
> der zunehmenden Verarmung im Alter nur wenig
von Ursula Engelen-Kefer
Die Debatte über die Rentenpolitik ist um eine Facette reicher. Die
Deutschlandrente soll nun richten, was die Riesterrente nicht vermochte,
nämlich einen auskömmlichen Lebensstandard sichern und Altersarmut
bekämpfen. So sieht es ein Vorschlag der schwarz-grünen Landesregierung von
Hessen vor. Die grüne Bundestagsfraktion hat nun die Deutschlandrente auf
ihre politische Agenda gesetzt.
Sie fordert von der Bundesregierung ein Gesetz zu einer „fairen und
transparenten privaten Altersvorsorge“. Damit sollen auch Geringverdiener
zusätzlich zu ihren Pflichtbeiträgen für die gesetzliche Rente eine private
Zusatzversorgung ansparen. Für die Verwaltung ist ein staatlich regulierter
Pensionsfonds vorgesehen. Nach dem Beispiel von Schweden und Norwegen, wo
derartige Kapitalfonds zur Alterssicherung seit Jahren bestehen, allerdings
zusätzlich zu auskömmlichen gesetzlichen Altersrenten, wird ein Zuwachs der
Kapitalerträge von mindestens 4 Prozent erwartet. Nach dem Zeter und Mordio
der privaten Finanzbranche, die um ihre Pfründe fürchtet, ist eine
„Opt-out-Klausel“ vorgesehen.
Mit hochtrabenden Versprechungen war auch 2001 die Riesterrente gestartet.
Die willkürliche Fiktion, alle 30 Millionen Arbeitnehmer in der
gesetzlichen Rentenversicherung würden 4 Prozent ihres Einkommens in eine
private Zusatzversorgung einzahlen, hat sich als „Flop“ erwiesen.
Gerade einmal 20 bis 25 Prozent der Versicherten haben eine Riesterrente
abgeschlossen. Allerdings wurde durch den auch international einmaligen
rot-grünen Willkürakt allen Rentnern die gesetzliche Altersrente um 4
Prozent herabgesetzt, auch wenn keinerlei Zusatzversorgung vorhanden ist.
## Deutschlandrente versusRiesterrente
Fragt sich nur, warum das Sparen für die Deutschlandrente attraktiver sein
soll als für die Riesterrente. Gerade Arbeitnehmer mit niedrigerem
Einkommen werden nicht in der Lage und bereit sein, sich eine
Deutschlandrente sozusagen vom Mund abzusparen. Zudem dürften insbesondere
Geringverdiener kaum etwas davon haben, da zusätzliche Renten auf die
Armutsrente angerechnet werden.
Darüber hinaus haben die Finanzkrisen nur zu deutlich gemacht, dass die
Kapitalerträge nicht in den Himmel wachsen. Vielmehr bedeutet das niedrige
Zinsniveau, dass die Träume von hohen Anlagegewinnen schnell platzen. An
der Herabsetzung der gesetzlichen Altersrente würde sich auch nichts
ändern, selbst wenn die seit Jahren angeprangerten Missstände der
Riester-Reform bei der Deutschlandrente beseitigt würden:
Undurchsichtigkeit der Produkte, haltlose Versprechungen hoher
Kapitalrenditen sowie unverschämte Verwaltungskosten. Zudem wecken
derartige gigantische Kapitalansammlungen nicht beherrschbare
Begehrlichkeiten für finanzielle Raubzüge der Politik.
In dem Konzept der Deutschlandrente sollen für Geringverdiener großzügige
Zulagen gewährt und die Beiträge nach individueller Leistungsfähigkeit
gestaffelt werden, während sich bei der Riesterrente durch die wahlweise
Förderung über Zulagen und Steuern die soziale Schieflage noch verstärkt
hat. Gerade für besser Verdienende mit höheren Rentenansprüchen ist die
steuerliche Entlastung ein willkommener Anreiz für den Abschluss einer
privaten Zusatzrente. Hingegen verzichten Geringverdiener eher auf die
öffentlichen Zulagen als einen Teil ihres knapp bemessenen Einkommens.
## Aushöhlung der paritätischen Sozialversicherung
Es bleibt auch ein weiteres Ausweichmanöver vor der paritätisch von
Arbeitgebern mitfinanzierten gesetzlichen Altersrente. Dazu hat die
Riesterrente bereits die Vorlage geleistet. Die Beiträge wurden gedeckelt:
auf 20 Prozent 2020 und 22 Prozent 2030. Den Versicherten wurde der Abstieg
in Niedrigrenten auf unter 43 Prozent vom Nettolohn verordnet. Die Folge
ist für die Mehrheit der Rentner ein erheblicher Abfall ihres
Lebensstandards. Auch die in den letzten Jahren erfolgten
Rentensteigerungen über der Inflationsrate können diesen gewaltigen
Aderlass nicht annähernd ausgleichen. Eine weitere Schwächung ihrer
Kaufkraft erfolgt durch die ständigen Kürzungen von Leistungen in der
Krankenversicherung.
Gleichzeitig müssen Arbeitnehmer und Rentner höhere Beiträge leisten,
während die Arbeitgeber von jeglichen Zusatzbelastungen befreit sind. Wie
selbst amtliche Rentenberichte vermelden, werden in den nächsten Jahren
auch mittlere Einkommensbezieher nahe an oder unter die Armutsgrenze
fallen. Auch nach einem harten Arbeitsleben mit hohen Pflichtbeiträgen zur
Rentenversicherung ist der Gang zum Sozialamt im Alter nicht mehr
ausgeschlossen. Für Geringverdiener, darunter viele Frauen, wird häufig nur
noch die Armutsrente mit der entwürdigenden Bedürftigkeitsprüfung die Regel
sein.
## Bekämpfung der Altersarmut verschoben
Die Große Koalition hat erstmals seit Jahrzehnten die Spirale der
Verschlechterungen in der Rentenversicherung angehalten. Sie hat sie durch
die Mütterrente und durch die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren umgekehrt.
Allerdings ist dies kein nachhaltiger Beitrag zur Bekämpfung der
Altersarmut. Die zusätzlichen Rentenleistungen für die vor 1992 geborenen
Kinder werden auf die Armutsrenten angerechnet. Und von der 63er-Regelung
profitieren vor allem langjährig Versicherte und besser Verdienende, in der
Regel Männer. Das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Bekenntnis zur
Bekämpfung der Altersarmut durch eine solidarische Lebensleistungsrente ist
auf 2017 verschoben, mithin auf das Jahr der nächsten Bundestagwahl und
damit auf die kommende Legislaturperiode.
Die Bekämpfung der Altersarmut erfordert anstelle einer wohlklingenden
Deutschlandrente die Wiederherstellung der gesetzlichen paritätisch von den
Arbeitgebern mitfinanzierten Altersrente. Dazu müssen die Rentenkürzungen
rückgängig gemacht und die sogenannte „Riester-Treppe“ in der
Rentenanpassungsformel wieder nach oben gegangen werden. Leider fehlen der
Großen Regierungskoalition trotz ihrer breiten politischen Mehrheit
Bereitschaft und Mut.
19 Feb 2016
## AUTOREN
(DIR) Ursula Engelen-Kefer
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