# taz.de -- heute in hamburg: „So leben, wie wir auch“
       
       > Diskussion Großunterkünfte befördern sexuelle Gewalt gegen geflüchtete
       > Frauen, sagt Lydia Potts
       
       taz: Frau Potts, wann haben Sie zuletzt eine Flüchtlingsunterkunft besucht? 
       
       Lydia Potts: Das ist länger her, bestimmt schon ein oder zwei Jahre. Ich
       habe mich mit dem Thema Frauen auf der Flucht besonders intensiv in den
       90er-Jahren beschäftigt, weil ich darüber ein Buch geschrieben habe.
       Deshalb war ich auch häufiger in Flüchtlingsunterkünften.
       
       Von welchen Problemen haben die Frauen dort berichtet? 
       
       Ein sehr großes Problem ist, dass die Frauen in den Großunterkünften keine
       Privats- und Intimssphäre haben. Die meisten Flüchtlinge sind traumatisiert
       und das erschwert die Organisation des Alltags sehr, gerade auf so engem
       Raum. Häufig entstehen soziale Spannungen. So kommt es zu
       Konfliktsituationen und Gewalt, auch sexueller Natur.
       
       Ist diese Enge für Frauen problematischer als für Männer? 
       
       Es geht mir nicht darum, zu sagen, die Situation sei für Männer einfach.
       Ich will sie auch nicht als Täter oder Verfolger abstempeln. In diesen
       Unterkünften herrscht aber eine dauerhafte Ausnahmesituation, in der jede
       soziale Sicherheit wegfällt. Für Frauen ist das problematischer, weil sie
       sich in Konfliktsituationen schlechter wehren können – gerade bei sexueller
       Gewalt. Ihnen widerfährt diese Form der Gewalt auch häufiger.
       
       Was können die Flüchtlingsunterkünfte dagegen unternehmen? 
       
       Meistens ist die Gewalt, die gegenüber Frauen ausgeübt wird, sehr subtil.
       Wenn sie in der Essensschlange angefasst werden oder anzügliche Bemerkungen
       fallen, kann man nur schwer intervenieren. Inzwischen gibt es zum ersten
       Mal ernsthafte öffentliche Diskussionen, wie dagegen vorgegangen werden
       kann. Ich glaube, das Problem liegt bei den Unterkunftsbedingungen.
       
       Was sollte sich bei der Unterbringung verändern? 
       
       Eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge würde einiges verbessern. In
       diesen großen Lagern leben so viele einander fremde Menschen auf engem
       Raum, dass es viel schneller zu Übergriffen kommt. Am besten wäre es, wenn
       die Flüchtlinge in kleineren Einheiten untergebracht würden, in denen sie
       mit Menschen aus ihrem sozialen Nahbereich zusammen sind – also in
       Wohnungen. Dann könnten sie so leben, wie wir auch.
       
       Interview: Antonia Stille
       
       Lydia Potts diskutiert mit Sabine Hess (Uni Göttingen), Encarnación
       Gutiérrez Rodríguez (Uni Gießen) und einer Vertreterin der Initiative Women
       in Exile über „Frauen auf der Flucht – Leerstellen aktueller
       Flüchtlingsdiskurse“: 19 Uhr, Universität, Von-Melle-Park 9, Raum S 30
       
       11 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Antonia Stille
       
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