# taz.de -- Neues vom Schach: Das sündige Spiel
       
       > Der saudische Großmufti belegt Schach mit einer Fatwa. Ein iranischer
       > Spieler tritt nicht gegen Israelis an. Und der Weltmeister gewinnt immer
       > weiter.
       
 (IMG) Bild: Im Schach werden Sport und Politik gern mal vermischt. Auf dem Foto vom 2. Februar spielt Weltmeister Carlsen gegen niederländische Politiker.
       
       Hilft es, die Türme mit einem Minarett auszustatten? Müssen die Damen auf
       dem Brett künftig in eine Burka gehüllt werden und dürfen immer nur drei
       Felder hinter dem König herlaufen? Schachspieler aus der westlichen Welt
       nahmen die Fatwa eines arabischen Großmuftis gegen ihr Denkspiel mit Humor
       und schlugen via Facebook Änderungen vor, um Scheich Abdulaziz Al al-Sheikh
       milde zu stimmen. Der oberste islamische Gelehrte in Saudi-Arabien hat
       Schach „verboten“, weil es „süchtig“ mache. Das sündige Spiel sei eine
       „Verschwendung von Zeit und Geld und verursacht Rivalität und Feindschaft“.
       
       Mit dem islamischen Rechtsgutachten, das der Geistliche in einer TV-Sendung
       verkündete, ist er reichlich spät dran. Seit rund 1.400 Jahren spielen
       Muslime Schach, die Wurzeln liegen in Indien und Persien. „Schachmatt“ –
       der Schah ist tot – stammt von dort. Die Araber brachten das Strategiespiel
       auch nach Europa. Bekannt wurde die Fatwa von Al al-Sheikh, der bereits
       Barbie-Puppen und Pokémon-Karten verteufelt hat, jetzt erst richtig, weil
       vor Wochenfrist in Mekka ein Schachturnier ausgetragen wurde.
       
       Der kleine saudische Verband ließ sich jedoch nicht ins Bockshorn jagen und
       befand, dem Großmufti mangele es schlicht an Hintergrundwissen. Schach sei
       gewiss kein „Glücksspiel“, betonte Musa Bandr gegenüber der Deutschen
       Presseagentur. Der Verbandsvertreter fürchtet jedoch, dass die „Fatwa der
       Religionspolizei künftig im Königreich einen rechtmäßigen Grund gibt, uns
       an der Organisation von Schachturnieren zu hindern“.
       
       Sunnitische und schiitische Führer sind sich ausnahmsweise einig:
       Großajatollah Ali al-Sistani hat das königliche Spiel ebenfalls schon mit
       einem Bannstrahl belegt, weil es für Wetten eingesetzt werden könne. Von
       1979 bis 1988 war es für Iraner verboten. Mittlerweile dürfen sie wieder
       ans Brett.
       
       ## Preisgeld verpasst wegen Israel-Boykott
       
       Es bleibt jedoch ein brüchiger Frieden. Vorsicht müssen die Iraner vor
       allem walten lassen, wenn Duelle gegen Israelis anstehen. So gab
       Großmeister Ehsan Ghaemi Maghami zu Jahresbeginn gegen die Israelin Yuliya
       Naiditsch kampflos den Punkt ab. Die Organisatoren in Basel um Bruno
       Zanetti waren ihm in Runde zwei schon entgegengekommen und hatten durch
       eine neue Auslosung das brisante Duell verhindert.
       
       Eine weitere Sonderbehandlung war dann aber im weiteren Turnierverlauf
       nicht mehr möglich. Der Iraner verpasste deshalb die Preisränge.
       Unangefochten heimste danach der Gatte von Yuliya Naiditsch, der 2015 nach
       Aserbaidschan gewechselte deutsche Spitzenspieler Arkadij Naiditsch, Platz
       eins ein. „Ich wurde um alle Chancen gebracht“, erklärte hernach Ghaem
       Maghami. Ihm fehlt für die fehlende Rücksichtnahme jegliches Verständnis.
       
       Der iranische Topspieler war bereits vor ein paar Jahren auf Korsika von
       einem Turnier ausgeschlossen worden, als der Großmeister gegen einen
       Israeli nicht antreten durfte. „Selbst eine Petition gegen meinen
       Ausschluss half damals leider nichts“, sagt der 33-Jährige.
       
       Der Schweizer Zanetti bedauert den politischen Unsinn, den wieder einmal
       eine Randsportart traf. „Ich würde gerne sehen, was die Iraner machen
       würden, wenn es im Fußball zu einem WM-Endspiel zwischen dem Iran und
       Israel käme.“
       
       ## Katar lockt Magnus Carlsen
       
       Am besten 2022 in Katar: Die Ölscheichs sind als Ausrichter von
       Großereignissen stets recht flexibel. Ungeachtet der religiösen Vorbehalte
       in anderen arabischen Ländern richteten sie im Dezember in Doha eines der
       stärksten Turniere der Schach-Historie aus. Weil Geld keine Rolle spielt,
       wurde auch erstmals seit 1971 wieder der amtierende Weltmeister zu einem
       für das niedere Fußvolk offenen Turnier gelockt. Magnus Carlsen gewann den
       Wettbewerb, obwohl er in der Auftaktrunde gegen die Georgierin Nino
       Batsiaschwili remisierte.
       
       Seine Siegesserie der letzten Monate baute der überragende Norweger am
       Sonntag in Wijk aan Zee aus. An der stürmischen niederländischen Küste
       störte kein religiöser Führer das Traditionsturnier. Carlsen blieb in den
       13 Runden ungeschlagen und legte mit neun Punkten einen vollen Zähler
       zwischen sich und den Amerikaner Fabiano Caruana und Ding Liren. Der
       Chinese rettete sich gegen den Weltmeister nach 99 Zügen in ein Patt.
       
       Ob der Großmufti das ausbleibende Matt des „Schahs“ auch ärgerte?
       Wahrscheinlich versteht er den Unterschied nicht. Ex-Weltmeister Garri
       Kasparow geißelte die Fatwa auf Twitter kurzerhand als „dumm“.
       
       3 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hartmut Metz
       
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