# taz.de -- Kroatiens neue Regierung: Ein schlechter Start
       
       > Kaum ist die Mitte-rechts-Koalition im Amt, gibt‘s Proteste in und vor
       > dem Parlament. Es geht um überzogenen Nationalismus und Patriotismus.
       
 (IMG) Bild: Feiernde Veteranen in Zagreb.
       
       Sarajevo taz | In Kroatien sieht es ganz nach einem schlechten Start für
       die erst am Freitag vom Parlament gebilligte neue Mitte-rechts-Koalition
       aus. Im Parlament protestierten die sozialdemokratischen und linksliberalen
       Abgeordneten bereits gegen die Ernennung von Kulturministers Zlatko
       Hasanbegović, der den Vorsitz mehrerer patriotischer Verbände innehat. Vor
       dem Gebäude demonstrierten Hunderte von Menschen gegen den ihrer Meinung
       nach nationalistischen Ideologen.
       
       Am Samstag kam es noch dicker: Der neue „Veteranenminister“ Mijo Crnoja
       will ein „Verzeichnis der Verräter“ während des Krieges 1991–1995
       erstellen. Damit sind offenbar alle Personen gemeint, die sich kritisch
       über die Politik des damaligen Präsidenten Franjo Tudjman geäußert haben.
       Der Minister will offenbar all jene ins Visier nehmen, die auf kroatische
       Kriegsverbrechen im „Vaterländischen Krieg“ hingewiesen haben.
       
       Für kroatische Rechte wie ihn gehören ohnehin alle Exkommunisten zu den
       Vaterlandsverrätern. Crnoja möchte zudem den Kriegsveteranen
       entgegenkommen, die seit Jahren höhere Renten einfordern. Er will ein
       Veteranengesetz in die Verfassung integrieren, mit dem die Rechte aller
       Kriegsteilnehmer aufgewertet werden. Zudem soll die patriotische Gesinnung
       der Schüler gehoben und das nationale Fernsehen verpflichtet werden, mehr
       patriotische Filme zu zeigen.
       
       Diese Absichten lassen die Kluft zwischen dem linken und dem rechten
       Spektrum der Gesellschaft wieder tiefer werden. Die Androhung von
       Strafverfolgung für kritische Intellektuelle birgt zudem ein Risiko für die
       Stabilität der neuen Regierung. Erst nach langem Hin und Her war es der
       Führung der konservativ-nationalistischen Partei Kroatische Demokratische
       Gemeinschaft (HDZ) gelungen, die während der Wahlen am 3. Novemer 2015
       überraschend zur dritten Kraft aufgestiegene Partei Most (Brücke) für eine
       Koalition zu gewinnen.
       
       Most stellte sich vor der Wahl unter ihrem Vorsitzenden BožkoPetrov als ein
       Bündnis dar, das den Staat reformieren, verschlanken und der Korruption den
       Garaus machen will. Der 36-jährige Bürgermeister der dalmatinischen
       Grenzstadt Metkovićwill sogar die Verwaltungsstruktur radikal reformieren
       und ein föderatives System durchsetzen.
       
       Mit rund 20 Prozent der Stimmen und 19 Mandaten im Parlament wurde die
       Partei vor allem von Protestwählern aus dem sozialliberalen Lager
       unterstützt. Deshalb waren sich viele Beobachter nach den Wahlen einig,
       dass Most letztlich mit den Sozialdemokraten koalieren würde.
       
       Angesichts dieser Ausgangslage gelang dem Parteichef der HDZ, Tomislav
       Karamarko, ein geschickter Schachzug. Er köderte Most kurz vor Weihnachten
       mit dem Vorschlag, den parteilosen, in Kanada aufgewachsenen Manager des
       israelischen Pharmakonzerns Eli Lilly, Tihomir Oreskovic (49), zum
       Ministerpräsidenten zu küren. In der kroatischen Politik ist er weitgehend
       unbekannt. Der Finanzfachmann versprach denn auch umfassende Reformen.
       
       So billigte Kroatiens Parlament am Freitag mit den Stimmen von Most die
       neue Regierung mit 83 Ja- gegen 61 Neinstimmen bei einigen Enthaltungen.
       Die Koalition mit der HDZ wird nach Ansicht vieler Beobachter in Zagreb
       jedoch nur dann Bestand haben, wenn Most einige der Reformprojekte auch
       umsetzen kann. Eine reformunfähige und zu rechtslastige Regierung könnte zu
       einer Spaltung der Partei Most und damit zum Sturz der neuen Regierung
       führen.
       
       24 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erich Rathfelder
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kroatien
 (DIR) Nationalismus
 (DIR) Patriotismus
 (DIR) Kroatien
 (DIR) Kroatien
 (DIR) Kroatien
 (DIR) Kroatien
 (DIR) Parlamentswahl
 (DIR) Nationalismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Parlamentswahl in Kroatien: Keine klare Mehrheit
       
       Überraschend gewinnt die konservative HDZ bei der vorgezogenen Wahl, ist
       aber auf einen Koalitionspartner angewiesen. Die Wahlbeteiligung war
       niedrig.
       
 (DIR) Künstler in Kroatien: Einsame Antifaschisten
       
       Eine landesweite Lesung will ein Zeichen gegen den Rechtsruck der Regierung
       setzen. In Split stößt die Aktion jedoch nur auf wenig Resonanz.
       
 (DIR) Rechtsruck in Kroatien: Antifaschismus als Floskel
       
       Die Politik der neuen nationalkonservativen Regierung zementiert die
       Spaltung der kroatischen Gesellschaft. Besonders die Kulturpolitik ist
       gefährdet.
       
 (DIR) Kulturkampf in Kroatien: Proteste gegen den Rechtsaußen
       
       Filmschaffende, Journalisten und Autoren fordern die Absetzung von
       Kulturminister Hasanbegovic. Der will linke Projekte nicht mehr fördern.
       
 (DIR) Parlamentswahl in Kroatien: Most oder Selters?
       
       Die konservative HDZ überholt die regierenden Sozialdemokraten. Um zu
       regieren, wären beide aber auf die überraschend starke Most-Partei
       angewiesen.
       
 (DIR) Parlamentswahl in Kroatien: Der nächste Sieg der Rechten droht
       
       15 Prozent Arbeitslosigkeit machen der Regierung zu schaffen. Bei der Wahl
       am Sonntag stehen die Chancen gut für die nationalistische Opposition.