# taz.de -- Flüchtlinge Eine syrische Familie ertrinkt auf der Überfahrt nach Lesbos. Damit sie beerdigt werden kann, riskiert ein Vizebürgermeister eines Nachts seinen Job: Sahirs Grab
       
 (IMG) Bild: In einem Olivenhain auf Lesbos: Rund 20 Männer heben das Grab der syrischen Familie mit Spaten aus
       
       Aus Lesbos, Griechenland, Franziska Tschinderle (Text) und Martin Valentin
       Fuchs (Fotos)
       
       Sahir wird bestattet im Scheinwerferlicht von vier Autos. „Riechst du
       das?“, fragt Sitara. „Ja“, haucht Samar neben ihr. Alle riechen es. Frische
       Erde und Verwesung. Zwischen den Autos liegen vier in Laken gewickelte
       Körper. Zwei davon sind deutlich kleiner als der Rest. „Die Frau und der
       kleine Junge zuerst!“, befiehlt jemand, der Sahirs Grab mit einer
       Taschenlampe ausleuchtet. Er springt in das Loch und ruft: „Es ist nicht
       tief genug. Helft graben, Brüder!“
       
       Abwechselnd steigen 19 Männer hinein, um mit Spaten die Erde aufzulockern.
       Sie keuchen und wischen sich den Schweiß von der Stirn. Dabei sehen sie
       aus, als buddelten sie wie besessen nach einer Schatzkiste. Als der letzte
       Leichnam in das Grab gelegt wird, bricht einer der Männer, Dahir,
       schluchzend zusammen. Er hat 17 Tage dafür gekämpft, dass er seinen Bruder
       in die Erde legen darf. Und jetzt muss er es in einer
       Nacht-und-Nebel-Aktion tun. Hier, auf einer Insel, Hunderte Kilometer von
       der Familie entfernt.
       
       ## Der Erholungsort ist nun ein Krisenzentrum
       
       Es ist Spätherbst auf Lesbos. In dieser Zeit des Jahres fallen die
       griechischen Inseln für gewöhnlich allmählich in den Winterschlaf. Ein
       Großteil der touristischen Infrastruktur ist dann ungenutzt. Nun aber sind
       die Apartments ausgebucht; Helfer, Ärzte und NGO-Mitarbeiter bewohnen sie.
       In den Restaurants rückt man am Abend die Tische zusammen, in den Straßen
       parken auffallend viele Mietwagen.
       
       Das Hafenstädtchen Molyvos, am äußersten Ende der Nordküste gelegen, ist
       das Zentrum der Einsatzkräfte. Es ist vom Erholungsort zur Krisenstätte
       geworden, denn das türkische Festland, von dem aus die Flüchtlingsboote in
       die EU ablegen, ist nur zehn Kilometer entfernt.
       
       Die Küste sieht aus, als hätte ein Riese Konfetti verstreut. Orange, rote,
       schwarze Punkte ziehen sich über den Strand. Es sind Tausende Schwimmwesten
       und Hunderte Schlauchboote, auf denen allein im November Zehntausende
       Menschen Lesbos erreicht haben. Die griechischen Behörden kommen mit dem
       Säubern der Strände nicht mehr nach.
       
       851.319 Menschen sind 2015 über Griechenland nach Europa geflüchtet. Lesbos
       ist die Insel, auf der die meisten von ihnen ankommen. Laut der Datenbank
       des Flüchtlingshilfswerks UNHCR waren es knapp 500.000. Von hier aus
       nehmen die Flüchtlinge anschließend Fähren nach Athen oder in die
       Hafenstadt Kavala in Nordgriechenland. 62 Prozent von ihnen sind Syrer, 23
       Prozent Afghanen. Auf Lesbos kümmern sich Hunderte Freiwillige um diese
       Menschenmassen, Freiwillige wie Sitara, die ihr Geld damit verdient,
       Computerspiele zu programmieren, und ihre Schwester Samar aus London.
       
       85 Organisationen – etwa die Starfish Foundation, A Drop in the Ocean
       (Dråpen i havet) oder Team Humanity – und viele Individualhelfer haben hier
       eine Arbeitsroutine entwickelt. Sie ziehen Boote aus dem Wasser, wickeln
       Schlotternde in Rettungsdecken, betreuen und verarzten Traumatisierte,
       verteilen Kleider und Verpflegung und bringen die Menschen schließlich von
       der Küste mit Kleinbussen in Camps, die auf der Insel wie Pilze aus dem
       Boden geschossen sind.
       
       Tagsüber arbeiten viele der Helfer als Lifeguards, nachts als Späher auf
       den Klippen. In der Nacht sind die Küstenstreifen in völlige Dunkelheit
       getaucht. Vor Samar und Sitara leuchtet das türkische Festland wie eine
       Lichterkette. Ein Boot, das nachts über die Ägäis kommt, würden sie ohne
       Nachtsichtgerät nicht sehen. Sitara singt „Hello“ von Lionel Richie,
       während sie die Außengrenzen der Europäischen Union beobachtet.
       
       In der Nacht, in der Sahir und seine Familie vor der griechischen Küste ums
       Leben kommen, regnet und windet es, so schildert es im Nachhinein ein
       Mitglied von Team Humanity. Die Wellen sind meterhoch.
       
       Lesbos liegt im Übergangsbereich des mediterranen Winterregenklimas zum
       kontinental geprägten Steppenklima. Die Hauptniederschläge fallen im
       Winter. Auch bei gutem Wetter ist der Seeweg zwischen der Türkei und der
       Nordküste von Lesbos nicht zu unterschätzen. Allein in der Zeit zwischen
       Anfang Oktober und Mitte November, da sind die Bedingungen auffallend mild,
       ertrinken 124 Menschen. Wenn es aber windet und regnet, stößt selbst die
       griechische Küstenwache mit ihren robusten Booten an Grenzen.
       
       Am späten Abend sehen Freiwillige Sahirs Boot als hellen Punkt durch ihre
       Nachtsichtgeräte. Sie alarmieren die Küstenwache. Fischer aus Molyvos und
       der nächsten Hafenstadt Petra strömen zusammen, um mitzuhelfen. Kein
       Schlauchboot ist diesmal in Seenot geraten, sondern ein zweistöckiges
       Holzschiff mit 300 Personen an Bord. Viel zu viele für die marode Jacht. 70
       Menschen, darunter 45 Frauen und Kinder, ertrinken. Die Überlebenden werden
       von Fischern und der Küstenwache gerettet und in den Hafen von Molyvos
       gebracht. Die Einsatzkräfte hüllen Kinder, die soeben zu Waisen geworden
       sind, in goldene Rettungsdecken. „Sie sahen aus wie Ofenkartoffeln, die man
       in die Glut legt“, sagt Eva, eine Freiwillige aus Schweden.
       
       ## „Uns geht es gut“, schreibt Sahir an Khalid
       
       Am Tag davor sendet Sahir via WhatsApp eine Nachricht an Khalid: ein Foto
       der Familie in der Hafenstadt Izmir, der letzten Station, bevor die
       Weiterreise von Schleppern organisiert wird. Sein Cousin hat das Foto noch
       immer gespeichert. Es zeigt den 42-jährigen Familienvater mit seiner Frau
       und den vier Kindern. Der Kleinste ist zweieinhalb Jahre alt und sitzt im
       Kinderwagen. Seine Geschwister sind sieben, zehn und zwölf Jahre alt. Die
       Familie sieht aus, als sei sie zum Urlaub an die Westküste der Türkei
       gefahren. „Uns geht es gut, wir sind endlich angekommen“, schreiben sie
       Khalid, der seit einem Jahr in Dänemark lebt. Er ist erleichtert. Er
       glaubt, dass jetzt nichts mehr schiefgehen könne.
       
       Um circa 13 Uhr legen zwei Boote von der türkischen Küste ab: ein schwarzes
       Schlauchboot und das bereits überfüllte Holzschiff. Der Motor des
       Schlauchboots gibt bereits vor Abfahrt am Strand den Geist auf. Die
       Schlepper verfrachten alle Passagiere auf das Holzschiff, um Zeit und Geld
       zu sparen. „Von der türkischen Küste sieht das Meer so ruhig aus, und dann,
       mitten auf dem Wasser, merkst du, wie gefährlich das Ganze eigentlich ist“,
       erzählt Agios, ein Lifeguard von Team Humanity, der an diesem Abend im
       Einsatz gewesen ist.
       
       Das obere Deck gibt unter dem Gewicht der Menschen nach und kracht auf das
       untere. Agios demonstriert die Szene mit seinen zwei Handflächen und
       schlägt sie klatschend aneinander.
       
       Seine Augen sind weit aufgerissen, die Stimme bebt. Er hat die Verwandten
       von Sahir kennengelernt. Er ist wütend und traurig. Die Menschen sollen
       sich panisch auf eine Seite gedrängt und das Boot endgültig zum Kentern
       gebracht haben. Sahir versucht auf die andere Seite zu seiner Frau zu
       schwimmen, so erzählt es später sein Sohn Ibrahim, der überlebt hat. Als
       die Küstenwache bereits zwei seiner Kinder mit Seilen auf ihr Boot zieht
       und sich Sahir ebenfalls an das Seil hängen möchte, droht das Boot der
       Küstenwache in eine Schieflage zu kippen.
       
       Es gibt neben Ibrahim keinen Augenzeugen, der über diesen Moment spricht.
       Niemand wird seine Aussage je bestätigen können, deswegen sind sich
       freiwillige Helfer auf Lesbos bis heute uneinig. Sahir, seine Frau und die
       zwei jüngsten Kinder ertrinken in diesen wenigen Minuten. Aber warum?
       Sahirs Sohn will gesehen haben, wie die Küstenwache, aus Angst, selbst zu
       kentern, das Seil losgeschnitten und seinen Vater zurück ins Meer gestoßen
       habe. Der Junge ist unter Schock, als er den Hafen von Molyvos erreicht. Er
       hat seine Eltern und zwei Geschwister ertrinken sehen. Doch einige wenige
       Freiwillige bleiben später bei ihrer Behauptung. Sie fragen: „Soll ein
       Zwölfjähriger lügen?“
       
       „Mein Bruder war ein guter Mann“, sagt Dahir. „Er ist so ein Mensch, den
       jeder um Rat gefragt hat“, fügt sein Cousin Khalid hinzu. Freunden und
       Verwandten, die weniger verdient haben, hat er das Geld für die Flucht
       vorgestreckt. Als Kommunikationsmanager in einer syrischen Firma war Sahir
       wohlhabend. Für seine Kinder soll er immer nur das Beste gewollt haben. Als
       ihn die Schlepper in einem dreckigen und heruntergekommenen Apartment
       einquartieren wollten, soll Sahir gesagt haben: „Nehmt das Geld. Aber ich
       suche mir einen Ort, wo meine Kinder in Ruhe schlafen können.“ Die letzten
       Tage vor ihrem Tod verbrachte die Familie in einem Hotel.
       
       Während Dahir von seinem Bruder erzählt, merkt man, dass er die letzten
       Tage wenig geschlafen hat. Dahir lebt, wie Khalid, in Dänemark. Seit einer
       Woche ist er auf Lesbos. Dahir kämpft seit Sahirs Tod mehr als zwei Wochen
       zuvor dafür, dass er und seine Familie endlich begraben werden dürfen. Sie
       stoßen auf Warteschleifen, Bürokratie und Sprachbarrieren.
       
       Der Friedhof der Hauptstadt Mytilini, auf dem bisher Flüchtlinge begraben
       wurden, ist schon lange voll, wie der Bürgermeister an die Öffentlichkeit
       trug. Deshalb findet sich für die 70 Verstorbenen kein Platz auf der Insel.
       Sie lagern in einem Kühlhaus des Allgemeinen Krankenhauses Mytilinis.
       
       „Für uns Muslime ist das eine noch größere Demütigung, weil unsere
       Verstorbenen sofort nach dem Tod in die Erde gelegt werden müssen“,
       bedauern Khalid und Dahir. Muslime begraben ihre Verstorbenen nach einer
       strikten Zeremonie. Die Toten werden nicht wie Christen in Särgen, sondern
       in mehreren Schichten von Tüchern begraben, wobei die Zeremonie in
       Ausrichtung nach Mekka stattfindet. Unmittelbar nach dem Tod werden den
       Toten die Augen verschlossen.
       
       Verpflichtend ist die Waschung, die im Sterbezimmer oder in einer Moschee
       stattfinden muss. Der gesamte Körper wird mehrmals mit frischem Wasser ohne
       Seife gewaschen. Eine Salbung an der Stirn, den Handflächen, den beiden
       Knien und den Zehen folgt. Das Totengebet kann zu jeder Zeit, nur nicht
       beim Aufgang oder beim Untergang der Sonne gesprochen werden. Die Männer
       stellen sich in Richtung Mekka auf und vollziehen das ungefähr vier Minuten
       dauernde Gebet im Stehen.
       
       ## Dann sagt der Vizebürgermeister etwas Mutiges
       
       An einem Freitag, den 13., hat Dahir Glück. Eine Gruppe von Freiwilligen
       und Verwandten der Verstorbenen findet sich vor dem Bürgermeisterhaus zum
       Protestieren zusammen. Das Haus der Stadtverwaltung liegt direkt am Hafen
       der Hauptstadt Mytilini. Die griechische und die europäische Flagge sind
       gehisst. Von hier aus kann man die gewaltigen Fähren sehen, die wie
       schwimmende Felsen auf ameisengroße Passagiere warten.
       
       Dahir ist sichtlich nervös und zieht an einer Zigarette. Er hat dunkle
       Ringe unter den Augen und wirkt wie ein schlaffer Tiger, der weiterkämpft,
       nachdem ihn jemand mit Betäubungspfeilen angeschossen hat.
       
       Als der Vizebürgermeister eintrifft, beginnt eine Diskussion in Englisch,
       Griechisch, Arabisch und Dänisch. Die Stimmen der Übersetzer überschlagen
       sich, die Freiwilligen übertönen das Stimmengewirr mit Forderungen und
       Erklärungen. Nur an den Gesichtern der Verwandten liest man ab, dass sie
       sich nur eines wünschen: Lass das Warten endlich ein Ende haben. Irgendwann
       sagt der Vizebürgermeister etwas Mutiges: „Ich übernehme die Verantwortung
       für das Begräbnis. Die Seelen eurer Verwandten sollen endlich Ruhe finden.“
       Dahir, der müde Tiger, lächelt. Er schüttelt dem Vizebürgermeister die
       Hand. Dahir bedankt sich für eine Selbstverständlichkeit.
       
       Wo soll Sahir begraben werden? Lesbos hebt sich von den anderen
       griechischen Inseln durch zwei von Süden ins Inselinnere reichende
       Buchten ab: den Golf von Gera und den Golf von Kalloni. Das blaue
       Meerwasser im kleineren Golf von Gera sieht von oben ein bisschen wie eine
       Sprechblase aus. Im Landesinneren, in der Nähe der Küste, findet sich in
       den nächsten Tagen ein Platz für das Begräbnis. Zum Schutz der Verwandten
       soll nicht gesagt werden, wo genau. Einige wenige erhalten am Vormittag
       eine WhatsApp-Nachricht mit den Koordinaten. Das Credo an jenem Tag lautet:
       Sahirs Familie und die restlichen Leichen sollen so schnell und
       unauffällig wie möglich beerdigt werden.
       
       Denn der Vizebürgermeister der Insel hat zwar sein Einverständnis gegeben,
       aber die Behörden haben noch keinerlei Bescheid ausgestellt. Der
       Vizebürgermeister steht sichtlich unter Druck. Er trägt einen grauen
       Overall. Darin sieht er nicht wie ein Politiker aus, sondern wie ein
       Bauarbeiter. Seine Stimme brummt und kratzt von den Zigaretten. Man kann
       sich vorstellen, wie dieser Mann Bäume fällt oder Asphalt anlegt, aber nie
       und nimmer, wie er weint. Aber dann geschieht es doch. Seine Stimme bebt,
       und er beginnt zu schluchzen: „Eure Toten sind eine Schande für unser
       Land.“
       
       Samar bekommt den Anruf bei Einbruch der Dunkelheit: „Komm schnell, wir
       haben den Platz und müssen die Leichen sofort waschen.“ Samar ist Ärztin
       und Muslimin. Sie hat keine Wahl, denn sie ist die Einzige auf dieser
       Insel, die dafür infrage kommt. Sie hat schon einige Male eine Waschung
       vorgenommen, aber noch nie in einem Olivenhain. Die Familie durfte die
       Verstorbenen nicht im Krankenhaus der Hauptstadt Mytilini waschen.
       
       Samar wirkt, als könne sie den Anblick bereits verwesender Leichen
       wegstecken. Aber am nächsten Tag schreibt sie: „Es ist ein Bild, das ich
       nie wieder vergessen werde.“
       
       Als Samar eintrifft, dämmert es bereits. Das Gebet wird im Dunkeln
       stattfinden. Den ganzen Vormittag haben Bagger unter der Aufsicht des
       Vizebürgermeisters Olivenbäume entwurzelt, als wären sie kleine Stecklinge.
       Ihre Krallen graben Löcher für die Leichen in die Erde und häufen sie zu
       Erdhügeln auf. Sahirs Bruder Dahir und sein Cousin Khalid treffen als Erste
       ein. Der Bruder trägt ein blaues Hemd und eine Anzughose. Khalid hat die
       Haare gegelt. Er sitzt auf der Wiese und beobachtet, wie Baum für Baum
       krachend umfällt und abtransportiert wird. Es ist wohl das erste Mal, dass
       er sieht, wie man innerhalb eines Tages einen Friedhof sprichwörtlich aus
       dem Boden stampft.
       
       Die Zeit vergeht viel zu langsam. Im Nachbargarten haben sich einige der
       Anwesenden um ein Pferd versammelt. Es liegt seit dem Morgen im Sterben. Es
       zittert und keucht. Die Hufen haben vom stundenlangen und verkrampften
       Strampeln tiefe Furchen in die Erde gegraben.
       
       ## Um 20 Uhr wird Sahir in ein weißes Tuch gewickelt
       
       Khalid muss warten, also schaut er sich Fotos am Smartphone an. Glück und
       Leid sind nur ein Wischen voneinander entfernt: die ganze Familie beim
       Essen in Damaskus. Die zerstörten Straßen nach einem Bombenanschlag. Ein
       Selfie von Sahir mit den Kindern. Das Foto zweier in Folien gebetteter
       Kinderleichen mit geöffneten Augen. Man muss an Evas Vergleich mit den
       Ofenkartoffeln denken.
       
       Es ist 19 Uhr am 14. November, als ein grüner Ford mit den Leichen in den
       Olivenhain fährt. Die Verwandten und Bestatter schließen hastig das Tor und
       schalten die Autoscheinwerfer ein. Es ist 20 Uhr, als man Sahir in ein
       weißes Tuch wickelt. Samar hat die Frau und die Tochter mit Wasser aus
       Plastikflaschen gewaschen. Sie steht jetzt neben ihrer Schwester Sitara und
       fragt, ob es ihr gut gehe und ob ihr kalt sei. Es ist bereits so dunkel,
       dass man ohne Lampe nur noch Umrisse erkennen kann. Das Pferd im
       Nachbargarten ist tot. Samar wird beim Einschlafen das Licht in ihrem
       Zimmer anlassen. Dahir bricht zusammen und trauert um seinen Bruder. In
       Molyvos fährt die erste Küstenwache mit Nachtsichtgeräten an den Strand.
       
       Franziska Tschinderle und Martin Valentin Fuchsgehören zum Kollektiv Lost
       (refugeeslost.com). In ihrem neuen Buch „Lost: The Story of Refugees“ ist
       dieser Text in längerer Form erschienen.
       
       23 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Franziska Tschinderle
 (DIR) Martin Valentin Fuchs
       
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