# taz.de -- Die Wahlkampfspende geht an den Lieferservice: E-M@il für Dich
       
       BRIDGE & TUNNEL 
       
       von Ophelia Abeler
       
       E-M@il für Dich. Subject: dinner? Friend --- I’d like to get to know you,
       and I can’t think of a better way to do that than sitting down to dinner
       together.“
       
       Das ist kein Spam, Hillary Clinton schreibt mir diese E-Mail, und ich bin
       überrascht, wie schnell sie zur Sache kommt, erst gestern wollte sie
       wissen, wann ich Geburtstag habe, um mir gratulieren zu können.
       
       Sie schreibt mir seit Kurzem täglich, nämlich seitdem ich im Internet auf
       dieses Banner geklickt habe, auf dem zu lesen war: „Lass Donald Trump nicht
       Präsident der USA werden!“
       
       Ich hatte nicht damit gerechnet, auf diesem Weg auf Hillary Clintons
       Wahlkampfspendenseite zu landen – ein kluger Schachzug. Clinton liegt mit
       mehr als 77 Millionen Dollar Spenden vorn, selbst Donald Trump dürfte das
       Respekt abfordern, wäre sie eine Kandidatin bei „The Apprentice“. Die
       Taktik, sich das Verhindern von Trumps Wahl bezahlen zu lassen, könnte von
       ihm selber sein, dessen Aufmerksamkeitsökonomie darauf fußt, andere
       herunterzumachen, um möglichst viel für sich selber abzuschöpfen. Das Beste
       an Donald Trump ist wahrscheinlich, dass er niemanden um Geld für seinen
       Wahlkampf angeht, sondern diesen größtenteils aus seinem Vermögen
       finanziert.
       
       Ich gab meine E-Mail-Adresse auf der Webseite ein, durfte aber als nicht
       wahlberechtigte Ausländerin letztendlich nicht spenden. Oder ich hätte bei
       der Selbstauskunft lügen müssen. Aber Hillary schreibt mir trotzdem weiter.
       
       Zum Beispiel, wie sie sich unsere Dinnerverabredung vorstellt. „Wir müssen
       gar nicht über Politik reden oder zu ernst werden, ich will nur wissen, was
       in Dir vorgeht, und ich möchte mich bei Dir dafür bedanken, dass Du Teil
       dieses Teams bist.“
       
       Mir würde es, ehrlich gesagt, gleich heute Abend passen, ich mag keine
       Silvesterpartys und würde lieber mit Hillary Clinton über alles reden, als
       mir von Leuten, die das ganze Jahr nicht feiern gehen und es heute Abend
       etwas zu sehr wissen wollen, in einem Rutsch Jahresende und -anfang
       versauen zu lassen.
       
       „Amateur Night“ nennen die Amerikaner solche Abende, die in New York so
       aussehen: Die eigentliche Partycrowd bleibt auf dem Sofa sitzen, glotzt
       Serien, bestellt bei Seamless Essen und schimpft über die auf Krawall
       gebürsteten Lockenstabtussis, deren Vorstellung eines tollen Abends es ist,
       mit ihren Gummisohlen tragenden Dates aus der Finanzwelt unter Schwarzlicht
       zu R&B-Gejammer Jello Shots zu kippen. Am liebsten in einer der gerade zu
       Silvester beliebten Roof Top Bars.
       
       „Du musst nur Deinen Namen in dieses Feld eintragen, dann kannst Du
       vielleicht bei einem der Abendessen auf der Wahlkampftour dabei sein“,
       schreibt Hillary. Das heißt, aus heute Abend wird wohl nichts, aber ich
       trage trotzdem meinen Namen ein. Schwups, habe ich eine neue E-Mail von
       Hillary, in der sie sich schon darauf freut, dass es mit unserem Essen nun
       vielleicht wirklich klappt, falls ich denn in der Dinner-Lotterie gewinne.
       Sie gibt mir auch gleich einen Tipp, wie ich meine Chancen steigern kann.
       Wenn ich jetzt auch nur einen Dollar spende, nimmt mein Name doppelt an der
       Auslosung teil.
       
       Ich frage mich unterdessen, wo Hillarys E-Mail-Server denn jetzt wohl steht
       nach all dem Ärger um das private Konto und den eigenen Server, den sie in
       ihrer Amtszeit als Außenministerin für ihre dienstliche Korrespondenz
       genutzt hat, etwas, das übrigens alle ihre Amtsvorgänger getan haben und
       was erst 2014 untersagt wurde, als es sie nicht mehr betraf.
       
       Das hindert Donald Trump nicht daran, eine Gefängnisstrafe dafür zu
       fordern, und genauso, wie er insinuiert, dass Barack Obama nicht in den USA
       geboren wurde, beharrt er darauf, Hillary Clinton habe kein Recht darauf,
       ihn, The Donald, als Sexisten zu beschimpfen. Ihr Mann sei ja viel
       schlimmer.
       
       Ausgerechnet heute wird die vorletzte Ladung Tausender von Clintons
       Amts-E-Mails auf der Basis des Informationsfreiheitsgesetzes
       veröffentlicht, natürlich nur, wenn es sich um nichtklassifizierte
       Dokumente handelt. Wenn man überhaupt etwas Interessantes daraus erfahren
       kann, dann betrifft das weniger die amerikanische Außenpolitik als Clintons
       Umgangston gegenüber ihrem Personal. Es ist erstaunlich, wie förmlich sie
       mit ihrem Team umgeht, im Vergleich dazu, wie sie ihre potenzielle
       Wählerschaft adressiert.
       
       Ich hab schon wieder eine Nachricht von Hillary, Absender diesmal:
       Headquarter. Sie schreibt mir, in meinem Wahlbezirk müssten bis 0.00 Uhr
       heute Nacht nur noch 22 Dollar aufgetrieben werden, um das Spendenziel 2015
       dort zu erreichen. Was denn mit mir sei?
       
       Was mit mir ist? Darf nicht wählen, darf nicht spenden. Und außerdem
       brauche ich die 22 Dollar für den Lieferservice.
       
       Ophelia Abeler ist Kulturkorrespondentin der taz in New York
       
       31 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ophelia Abeler
       
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