# taz.de -- Endlich etwas Sinnvolles tun
       
       > Serie Arbeit (1) Rund 15 Praktikumsplätze hat die Initiative „Fair
       > Welcome“ seit Juli an geflüchtete Menschen vermittelt. Schwierigkeiten
       > bereiten auch die langen Wartezeiten bei der Bearbeitung von Asylanträgen
       
 (IMG) Bild: Wartet auf seine Arbeitserlaubnis, damit er loslegen kann: der Ägypter John Saleh
       
       von Mareike-Vic Schreiber
       
       Einen bunteren Arbeitsplatz als den von John Saleh gibt es hier wohl kaum.
       Zwischen Gurken, Paprikaschoten und Tomaten schiebt Saleh – rote Krawatte
       auf weißem Hemd, dunkelblaue Schürze mit Namensschild – die neue Ware in
       einem großen Wagen durch die Reihen der Gemüseabteilung. „Na endlich
       gefunden“, ruft er einem Einkäufer zu, der ein Bund Zwiebeln in die Luft
       hält, und nickt.
       
       Im Einzelhandel kennt John Saleh sich aus. Schon in seiner Heimat in
       Ägypten hatte er nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre als
       Verkaufsleiter gearbeitet. Seit einem Monat nun ist er Praktikant in einer
       Edeka-Filiale in der Clayallee in Zehlendorf. 40 Stunden pro Woche arbeitet
       er dort, Geld bekommt er dafür nicht. „Es ist harte Arbeit“, sagt Saleh,
       „aber es macht mir Spaß.“
       
       ## Praktika für Geflüchtete
       
       Den Praktikumsplatz im Supermarkt hat er über die Berliner Initiative „Fair
       Welcome“ erhalten – ein im Juli dieses Jahres gestartetes Pilotprojekt, das
       geflüchtete Menschen bei der Eingliederung in die Berliner und
       Brandenburger Arbeitswelt unterstützt. In Zusammenarbeit mit dem
       Handelsverband Berlin-Brandenburg vermittelt Fair Welcome drei- bis
       sechswöchige Praktika an Geflüchtete, etwa in den Bereichen Altenpflege,
       Ergotherapie, Logistik, IT, Haustechnik, Laden- und Schaufensterdekoration
       oder Gastronomie. Dazu fertigen die ehrenamtlichen HelferInnen in
       eintägigen Workshops gemeinsam mit den TeilnehmerInnen eine Art Gutachten
       an, in dem die Motivationen, Berufswünsche, Fähigkeiten und Potenziale der
       Geflüchteten festgehalten werden sollen. „Viele Flüchtlinge haben keine
       Zeugnisse“, erklärt Fair-Welcome-Initiator Parham D. Afshar, „die Gutachten
       sind eine gute Grundlage für den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt.“
       
       In einem dieser Workshops hat John Saleh auch Hassan Esmaeilzadeh
       kennengelernt, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte. Der 24-jährige
       Iraner macht gerade eine Ausbildung in einer Edeka-Filiale in der
       Siemensstraße. Seit September arbeitet er hier in der Obst- und
       Gemüseabteilung. Das Unternehmen habe ihm angeboten, vor seiner Lehre ein
       Praktikum in der Filiale zu machen, sagt Hassan Esmaeilzadeh. Doch
       entschied er sich gleich für die Ausbildung: „Ich wollte keine Zeit
       verschwenden“. Weil das Ausbildungsgehalt jedoch nicht ausreicht, macht er
       sonntags noch einen Minijob als Lagerist in einem Verlagshaus.
       
       Eigentlich wollte er eine IT-Ausbildung machen, als er im Mai 2013 nach
       Deutschland kam. Schon in seiner Heimat, hatte er in dem Bereich studiert
       und als Computer- und Reparaturdienst gearbeitet. „Ich habe hier in
       Deutschland viele Bewerbungen geschrieben“, erzählt Hassan Esmaeilzadeh,
       „aber nur Absagen bekommen.“ Über das Arbeitsamt sei er dann auf Fair
       Welcome und Projektleiter Afshar aufmerksam geworden.
       
       Rund 15 PraktikantInnen konnten bislang über die Initiative Fair Welcome
       mit Unternehmen in Berlin und Brandenburg vernetzt werden. Einige von ihnen
       haben nach ihrem Praktikum einen Ausbildungsplatz oder eine Festanstellung
       erhalten. So fingen unter anderem zwei Geflüchtete nach ihrem Praktikum
       eine Ausbildung im Hotelgewerbe an, ein anderer konnte wegen seiner hohen
       Qualifikation direkt in eine Festanstellung als Rezeptionist in einem Hotel
       vermittelt werden. Ein weiterer Geflüchteter beginnt demnächst eine
       Ausbildung zum Fachinformatiker mit dem Schwerpunkt Anwendungsentwicklung.
       
       Auch im Bereich Einzelhandel arbeiten laut Busch-Petersen, Geschäftsführer
       des Handelsverband Berlin-Brandenburg, Unternehmen und Geflüchtete bereits
       erfolgreich zusammen, wie die Beispiele von John Saleh und Hassan
       Esmaeilzadeh zeigen. Bei Flüchtlingen aus dem arabischen Raum sei das
       Interesse am Einzelhandel besonders groß. „Der Handel hat in den arabischen
       Ländern einen viel höheren Stellenwert als in Deutschland“, sagt
       Busch-Petersen. Die Flüchtlinge hätten klare Zielvorstellungen, viele
       wollen sich später einmal selbstständig machen. Das unterscheide sie von
       deutschen BewerberInnen. Neben Edeka hätten auch andere Handelsketten wie
       Lidl und Galeria Kaufhof Flüchtlinge eingestellt. Ferner hätten unter
       anderem Rewe und Real eingewilligt, Praktikumsplätze im Einzelhandel zur
       Verfügung zu stellen.
       
       Auch John Saleh hat bereits ein Angebot für eine Festanstellung bei Edeka
       bekommen. Seit knapp sechs Wochen wartet er nun aber schon auf seine
       Arbeitserlaubnis, die er Mitte November bei der Ausländerbehörde beantragt
       hat. Vier bis sechs Wochen würde die Antragsbearbeitung dauern, habe man
       ihm gesagt. Sollte er die Genehmigung bekommen, darf er nach dem Praktikum
       in der Zehlendorfer Filiale weiterarbeiten. „Ich möchte aber nur drei Tage
       pro Woche arbeiten“, erzählt Saleh. An den anderen Tagen wolle er seine
       Sprachkenntnisse verbessern und einen Deutschkurs besuchen. Ob sein Chef
       das erlauben wird, weiß er nicht. Auch weiß John Saleh nicht, wie es
       weitergehen soll, falls er die Arbeitserlaubnis nicht bekommt. „Dann habe
       ich wirklich ein Problem“, sagt er.
       
       Die oft langwierige Bearbeitung von Asylanträgen kritisiert
       Fair-Welcome-Initiator Afshar. So habe es mehrere ProjektteilnehmerInnen
       gegeben, die Jobangebote nach einem erfolgreich absolvierten Praktikum
       nicht wahrnehmen konnten, weil sie wochenlang auf ihre Arbeitserlaubnis
       warteten. „Warum ein Staat weiterhin Transferleistungen zahlt, aber die
       Leute nicht arbeiten lässt, ist mir unklar“, sagt Afshar, „wir hätten sonst
       schon viel mehr Flüchtlinge vermitteln können.“
       
       In solchen Fällen versuche er, die Unternehmen davon zu überzeugen,
       Anstellungsangebote so lange aufrechtzuerhalten, bis die Behörden die
       erforderliche Genehmigung ausgestellt hätten. Bis dahin müssten die
       Geflüchteten die Zeit oft mit verlängerten Praktika überbrücken. Afshar
       erzählt noch von einem weiteren Problem: „Einige PraktikantInnen haben mir
       erzählt, dass sie von ihren KollegInnen gemobbt wurden.“ Er nimmt an, dass
       die MitarbeiterInnen der Geflüchteten den Verlust ihres Arbeitsplatzes
       fürchteten. Zum Glück seien dies jedoch nur Einzelfälle gewesen.
       
       ## Kunden sind freundlich
       
       John Saleh und Hassan Esmaeilzadeh verstehen sich aber gut mit ihren
       KollegInnen. Weil Hassan Esmaeilzadeh nur ein paar Straßen von der
       Edeka-Filiale in der Siemensstraße entfernt wohnt, kannte er einige von
       ihnen schon vor seiner Ausbildung aus der Nachbarschaft. „Auch die
       KundInnen im Supermarkt haben die beiden Männer freundlich aufgenommen.
       „Manchmal unterhalte ich mich mit den Kunden über Politik“, erzählt Hassan
       Esmaeilzadeh. Einmal habe er über eine Stunde lang mit seinem Chef und
       einem Einkäufer in der Gemüseabteilung über die deutsch-iranischen
       Beziehungen diskutiert.
       
       Nach seiner Ausbildung will Hassan Esmaeilzadeh weiter im Handel arbeiten.
       So möchte er später vielleicht einmal eine eigene Filiale leiten und
       irgendwann auch wieder in seine Heimat, den Iran, zurückkehren. Sein
       Arbeitsleben lang Tomaten und Zwiebeln auspacken – das jedoch möchte er
       nicht.
       
       28 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mareike-Vic Schreiber
       
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