# taz.de -- The Space Lady im Portrait: Völlig losgelöst, aber auf dem Teppich
       
       > Jahrelang tingelte The Space Lady als Straßenmusikerin durch die USA.
       > Erst spät lernte man ihre psychedelische Outsider-Kunst zu schätzen.
       
 (IMG) Bild: Asterine? Ach, was, die „Space Lady“.
       
       Es macht schon einen Unterschied, ob sich jemand nur einen Song anhört oder
       ein ganzes Konzert. Niemals träumen lassen hätte sich die ehemalige
       amerikanische Straßenmusikerin Susan Dietrich Schneider, dass sie einmal
       ihre Europatournee anbrechen würde und das Publikum auch einen ganzen Abend
       vor ihrer Bühne verweilt.
       
       Denn jahrzehntelang spielte Susan Dietrich Schneider in San Francisco und
       Boston auf der Straße. Ihren Namen bekam sie von den Passanten verliehen,
       die sie spielen hörten: The Space Lady, zementiert von Berkely Barb, einer
       Underground-Zeitung der alternativen Szene in San Francisco.
       
       Doch nahe liegt er, der Bühnenname der Frau, die sich zuerst Suzy Soundz
       nennen wollte: Ihre Musik ist das, was man gemeinhin spacig nennt, klingt
       psychedelisch und entrückt. Sie entsteht auf einem Casio-Keyboard mit
       puckernden Drums aus der Konserve und einem klaren und hellen, mit viel
       Echo belegten Gesang, durch einfache Effektgeräte erzeugt.
       
       Mit einfachsten Mitteln schafft The Space Lady somit ihren psychedelischen
       signature sound, den sie in erster Linie auf bereits existierende Songs
       legt. Sie covert Weltraummusik wie Peter Schillings „Major Tom“, einen
       Song, der 1983 in seiner englischen Version auch in den US-Charts landete
       und David Bowies Figur des im Weltraum gestrandeten Astronauten aufnimmt.
       Elvis’ „All Shook Up“ wird zum hallend-repetitiven Weltraum-Rock-’n’-Roll,
       Steppenwolfs „Born To Be Wild“ entrückter Elfengesang.
       
       „Primitive Futurism“ nennt das die heute 67-jährige Susan Dietrich
       Schneider. Primitiv sei ihr Equipment, futuristisch der Effekt. Auch wenn
       das simpel zusammenaddiert ist, ist sie nicht berechnend, ihr Spiel wirkt
       intuitiv. Genau das ist der Grund, warum diese Künstlerin so fesselnd für
       ihr Publikum ist und warum nach 15 Jahren Stille immer noch Leute aus der
       ganzen Welt fragen, wo denn Space Lady abgeblieben sei.
       
       Ihre Lebensgeschichte taugt durchaus für ein Roadmovie: Ende der 60er Jahre
       flieht sie mit ihrem ersten Mann Joel aus Furcht vor dessen Einberufung in
       den Vietnamkrieg in den Norden Kaliforniens. Eigentlich ist er es, der
       unbedingt unter dem Namen „The Cosmic Man“ die Bühnen der Welt entern will,
       jedoch Angst vor der Öffentlichkeit hat. Die beiden suchen vergeblich nach
       Amnestie in Kanada und nach musikalischer Akzeptanz in Alaska: „Da oben
       waren sie noch nicht bereit für einen Cosmic Man und seine spacige
       elektrische Gitarrenmusik!”
       
       ## Im VW-Bus über den Kontinent
       
       Die kleine Familie zieht weiter, in einem VW-Bus quer über den ganzen
       Kontinent. Susan tritt an Joels Stelle, verdient als The Space Lady auf den
       Straßen von Boston das Nötigste für den Lebensunterhalt. Ende der Neunziger
       trennen sich die beiden, und Susan entschließt, zurück in ihre Heimatstadt
       in Colorado zu gehen und „einen richtigen Job“ zu erlernen. Und sie
       verkauft ihr musikalisches Equipment.
       
       Das große Interesse des Publikums ist es, das The Space Lady wieder auf die
       Bühne bringt – und ihr zweiter Ehemann Eric, der ihr Manager wird. Als er
       sie zum ersten Mal spielen hört, ist der Country-Klassiker „Riders In The
       Sky“ das einzige Stück, das er kennt. Seine Frau hingegen erkennt er kaum
       wieder, so frei erscheint sie ihm in der Musik. Völlig losgelöst, möchte
       man sagen.
       
       ## Dieser geflügelte, kuppelförmige Helm
       
       2013 veröffentlicht ein Londoner Indie-Label die einzige Kassetten-Aufnahme
       von Space Lady aus dem Jahr 1990 und bringt sie als Album neu heraus.
       Daraufhin schafft es Susan zum ersten Mal von der Straße in kleine Clubs in
       den USA und Europa. Sie merkt, wie viel Sicherheit ihr das neue Setting
       gibt.
       
       Der US-Musikarchäologe Irwin Chusid prägte unter anderem für The Space Lady
       den Begriff „Outsider Music“. Bei Susan Dietrich Schneider ist
       „Außenseitermusik“ auch biografisch zu verstehen. Manchmal habe sie sich
       nicht nur als Außenseiterin, sondern als Aussätzige gefühlt, sagt sie. Doch
       der Begriff fasst noch mehr, er bezieht sich auf die Musik, die unter
       Kategorien des Mainstreams nicht zu greifen ist. „Incorrect Music“ heißt es
       auch bei Chusid. Die anderen „Outsider Musicians“ seien teilweise
       verschroben, meint die Space Lady „Und ich sehe auch total bizarr aus mit
       diesem blinkenden Helm auf dem Kopf!“
       
       Überhaupt – dieser geflügelte, kuppelförmige Helm. Man könnte mutmaßen, er
       solle sie vor kosmischer Strahlung schützen, vielleicht behauptete die
       Künstlerin das sogar mal selbst. Doch heute ist ihr seltsames Bühnenoutfit
       vor allem das: ein Kostüm. Sie kann damit von ihrem Alltags-Ich Abstand
       nehmen und als „futuristisches, erleuchtetes Wesen“ mit ihren
       minimalistischen Sounds ihre Zuhörer einnehmen, wie es ohne nicht möglich
       wäre, resümiert Susan Dietrich Schneider, die heute klingt, als sei sie
       viel mehr auf dem Teppich, als man es von solch einer mythenumwobenen
       Straßenberühmtheit erwartet.
       
       12 Nov 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Diviam Hoffmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Straßenmusik
       
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