# taz.de -- Kommentar Wahl Türkei: Erdoğan weiter auf Chaoskurs
       
       > Der Angstwahlkampf der AKP hat sich ausgezahlt. Für die neue Regierung
       > gibt es keinen Grund, nun zum Frieden zurückzukehren.
       
 (IMG) Bild: Erdoğan will nun ein Präsidialsystem einführen.
       
       Recep Tayyip Erdoğan ist zurück, die Opposition am Boden zerstört. Am Tag
       nach dem [1][Erdrutschsieg der AKP] triumphieren die Anhänger des
       Präsidenten, und die Gegner Erdogans sind geschockt. Wie hatte das
       passieren können, wo doch alle Umfragen im Vorfeld der Wahl darauf
       hingedeutet hatten, dass die AKP von einer absoluten Mehrheit erneut weit
       entfernt ist?
       
       Die Antwort auf diese Frage wird wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen -
       nicht zuletzt die Demoskopen müssen sich fragen, wie sie so daneben liegen
       konnten. Fakt aber ist: Der Angstwahlkampf der AKP hat sich ausgezahlt.
       
       Das Chaos, das die die AKP geschürt hat, hat paradoxerweise dazu geführt,
       dass die Mehrheit der Wähler die gleiche gewählt hat, damit diese das Chaos
       auch wieder beendet. Die AKP hat das Klima vergiftet, nun soll sie endlich
       Ruhe schaffen. Nach mehr als zwei Jahren Dauerstress mit einem Wahlgang
       nach dem anderen hatten die Leute offenbar die Nase voll vom Machtkampf und
       haben Erdoğan gegeben, was dieser wollte. Seine „Neue Türkei“ wird jetzt
       nicht mehr aufzuhalten sein, insofern ist dieser Sieg historisch. Der
       Wechsel zum Präsidialsystem wird kommen, eher früher als später.
       
       Eine ausschlaggebende Rolle dabei dürfte gespielt haben, dass die
       Opposition keine Machtalternative anzubieten hatte, jedenfalls keine, bei
       der die AKP durch eine neue Regierung ersetzt worden wäre. Dazu hätten so
       unterschiedliche Parteien wie die sozialdemokratische CHP, die
       kurdisch-linke HDP und die ultranationalistische MHP zusammengehen müssen,
       was inhaltlich kaum möglich ist. Die MHP will den Krieg gegen die Kurden
       und die PKK, da kann sie natürlich nicht mit der HDP zusammenarbeiten. Für
       CHP und die HDP allein aber reicht es so wenig wie für Rot-Grün in
       Deutschland. Wie in Berlin ohne die CDU nichts läuft, geht in der Türkei
       nichts gegen die AKP.
       
       Hätte die AKP aber wieder keine absolute Mehrheit bekommen, wäre nur eine
       Koalition mit der CHP in Frage gekommen, die Präsident Erdoğan, der de
       facto Chef der Partei, aber nicht will. Die Folge davon wären weiterer
       Stress, weiteres Chaos, weiterer Terror gewesen – vor dieser Aussicht haben
       viele Leute enorme Angst gehabt.
       
       Für viele Jahre dürfte in der Türkei nun erst einmal Friedhofsruhe
       einkehren, mit einer Ausnahme: der Krieg in den kurdischen Gebieten geht
       weiter. Erdoğan hat schon vor der Wahl angekündigt, den „Krieg gegen den
       Terror“ fortzusetzen, bis es in der Türkei keinen „Terroristen“ mehr gibt.
       Der Wähler hat diese Ankündigung belohnt. Für Erdoğan und die neue
       Regierung gibt es deshalb keinen Grund, jetzt zum Frieden zurückzukehren.
       
       2 Nov 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Parlamentswahl-in-der-Tuerkei/!5247129
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Recep Tayyip Erdoğan
 (DIR) Schwerpunkt Türkei
 (DIR) Schwerpunkt AKP
 (DIR) HDP
 (DIR) Schwerpunkt Türkei
 (DIR) PKK
 (DIR) Schwerpunkt Türkei
 (DIR) Parlamentswahl Türkei 2015
 (DIR) Schwerpunkt Türkei
 (DIR) Parlamentswahl Türkei 2015
 (DIR) Parlamentswahl Türkei 2015
 (DIR) Recep Tayyip Erdoğan
 (DIR) Schwerpunkt Türkei
 (DIR) Schwerpunkt Türkei
 (DIR) Schwerpunkt AKP
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Türkei vor dem G20-Gipfel: Tote bei Anschlägen und Gefechten
       
       Im Südosten des Landes sterben wieder Menschen bei Auseinandersetzungen mit
       der PKK. Die Behörden verlängern die Ausgangssperre über Silvan.
       
 (DIR) Ende der Feuerpause in der Türkei: Fünf Tote bei PKK-Angriffen
       
       Der Konflikt der Regierung mit der PKK eskaliert. Mehrere Menschen sind bei
       Straßenkämpfen und einer Bombenexplosion getötet worden.
       
 (DIR) Türkische Zeitung: Pranger für Twitter-Kritik
       
       Die regierungsnahe „Sabah“ klagt Künstler an. Ihr „Vergehen“: Sie äußerten
       sich kritisch auf Twitter. Einer der Angeprangerten ist der Pianist Fazil
       Say.
       
 (DIR) Journalisten in der Türkei: Wegen „Putschversuchs“ angeklagt
       
       Nach der Wahl sind zwei Chefs eines liberalen Magazins angeklagt worden.
       Angeblich sollen sie versucht haben, die türkische Regierung gewaltsam zu
       stürzen.
       
 (DIR) Razzia in türkischen Provinzen: 35 Gülen-Anhänger festgenommen
       
       Zwei Tage nach dem Wahlsieg von Präsident Erdogan ist die türkische Polizei
       im ganzen Land gegen Anhänger seines Widersachers Fethullah Gülen
       vorgegangen.
       
 (DIR) Türkei-Wahl und Flüchtlingsfrage: Gegenüber EU den Rücken gestärkt
       
       Das Wahlergebnis hilft Erdoğan beim Gespräch mit Brüssel: Die Türkei will
       Schutzgebiete für Flüchtlinge in Syrien.
       
 (DIR) Nach der Parlamentswahl in der Türkei: „Ein rabenschwarzer Tag“
       
       Regierungschef Davutoglu fordert eine neue Verfassung. Damit will Erdogan
       ein Präsidialsystem einführen. Die HDP kritisiert den Wahlkampf als
       „unfair“.
       
 (DIR) Parlamentswahl in der Türkei: Absolute Verhältnisse
       
       Die AKP von Präsident Erdoğan hat sich die alleinige Mehrheit
       zurückerobert. Die pro-kurdische HDP schafft es erneut ins Parlament.
       
 (DIR) Türkei vor der Parlamentswahl: Die Kinder von Adıyaman
       
       Seit den jüngsten Anschlägen ist das Land verunsichert und zerstritten. Ein
       Besuch in der Stadt, aus der viele der Attentäter stammen.
       
 (DIR) Türkei vor der Wahl: Oppositionszeitung abgeriegelt
       
       Vermeintliche Anschlagsgefahr durch Islamisten: Die türkische Polizei
       sperrt den Istanbuler Hauptsitz und das Ankara-Büro der „Cumhüriyet“.
       
 (DIR) Vor der Wahl in Kurdistan: Von der AKP im Stich gelassen
       
       Zwar hat sich die Lage beruhigt, doch die regierende AKP ist bei vielen
       kurdischen Wählern unten durch. Ein Besuch im Südosten der Türkei.