# taz.de -- Nach dem niederländischen EM-Aus: „Alles ist kaputt“
       
       > Nach der verpatzten EM-Quali kursiert die Angst vor den „belgischen
       > schwarzen Jahren“. An ein schnelles Comeback glauben nur wenige.
       
 (IMG) Bild: Ob das schon ganz unten ist?
       
       Amsterdam taz | Natürlich Vincent Kompany. Wer sonst als der belgische
       Kapitän hätte sich am späten Mittwoch Abend auf diese Art vor den Fans im
       König-Balduin-Stadion zu Brüssel aufbauen können? Zeremonienmeister, diese
       Rolle liegt dem Verteidiger von Manchester City, sowohl auf dem Platz als
       auch daneben. Eine Fahne um den Hals, die Arme ausgestreckt, ein Mikrofon
       in der linken Hand, wurde er nach dem 3:1 gegen Israel zum Dirigenten eines
       feiernden Chors von Zehntausenden, der soeben die Qualifikation Belgiens
       zur Europameisterschaft 2016 beging – der ersten seit 2000.
       
       Ach ja, 2000. Damals munkelten nicht wenige, Belgien hätte sich ohne
       Gastgeber-Status nicht einmal qualifiziert – ganz im Unterschied zum
       Co-Gastgeber Niederlande, damals einer der Titelfavoriten, der wie so oft
       erst kurz vor dem Ziel scheiterte.
       
       Vier Europameisterschaften später haben sich die Verhältnisse ins Gegenteil
       verkehrt: etwa zur gleichen Zeit, als Kompany in Brüssel den Vortänzer der
       Roten Teufel gab, vergrub Wesley Sneijder das Gesicht in den Händen. Zum
       letzten von so vielen Malen in dieser Qualifikation, die verflucht schien,
       in der die „Elftal“ eine Schmach an die nächste reihte, und an deren Ende
       das Algemeen Dagblad ein vernichtendes Fazit zog: „Alles ist kaputt bei
       Oranje.“
       
       Zwischen Euphorie und Depression lagen nur etwas mehr als 200 Kilometer und
       eine Grenze. Nördlich davon verortet Voetbal International, das
       Zentralorgan des niederländischen Fußball-Journalismus, einen „historischen
       Tiefpunkt“. Im Süden feiert man mehr als die Qualifikation noch den
       „historischen ersten Platz“, so die Tageszeitung De Morgen über die
       Platzierung der Roten Teufel in der neuen Weltrangliste der Fifa. Am Tag
       danach gab es dafür sogar im Parlament Applaus – mit Ausnahme der
       flämischen Separatisten, die dem Team traditionell nicht zugeneigt sind.
       
       ## „Schwarze Jahre“ voraus?
       
       Bei der geografischen und zumindest teilweise sprachlichen Nachbarschaft
       verwundert es wenig, dass man sich auch in dieser Situation beiderseits der
       Grenze aufeinander bezieht. Als er von der finalen Oranje-Pleite gegen
       Tschechien vernahm, sagte Vincent Kompany einen bemerkenswerten Satz:
       „Heute dürfen wir chauvinistisch sein. Die Niederlande sind draußen und wir
       sind die Nummer 1!“ Niederländische Zeitungen blickten indes besorgt auf
       die gar nicht so lange zurückliegenden „schwarzen Jahre der Roten Teufel“,
       die von 2004 bis 2012 fünf Turniere hintereinander verpassten. Ein solches
       Szenario könnte auch der eigenen Elftal drohen, so der Tenor.
       
       Grundzüge der jetzigen bipolaren Konstellation zeigten sich erstmals im
       August 2012. Zu Beginn der Wilmots-Ära schlug Belgien den Nachbarn in einem
       Freundschaftsspiel mit 4:2. In den Niederlanden sorgte danach nur noch der
       WM-Stunt unter Trainer Louis van Gaal für ein kurzes, heftiges Aufflackern.
       In Belgien gilt jener Abend seither als Geburtsstunde der neuen Roten
       Teufel, die schon bei der Weltmeisterschaft in Brasilien als größter
       Geheimtipp galten – große Erwartungen, denen sie dann aber nicht gerecht
       werden konnten.
       
       Auch in der jüngsten EM- Qualifikation zeigten sie diesbezüglich ein
       durchwachsenes Bild. Die gefeierte „Golden Generation“ um Eden Hazard,
       Thibaut Courtois und Kevin De Bruyne allerdings bringt genug Können auf die
       Waage, um sich im entscheidenden Moment durchzusetzen. Daneben erntet man
       auch die Früchte einer langfristigen Talentförderung und der Einrichtung
       von Nachwuchs-Akademien in den Top-Klubs.
       
       Neben Belgien bietet die jüngste Fußballgeschichte genug Beispiele dafür,
       dass längere Turnier-Pausen genutzt wurden, um mit klugen Konzepten einen
       langfristigen Wiederaufbau einzuleiten. Darauf verweist auch Frank de Boer,
       Trainer von Ajax Amsterdam, der nach dem Ausscheiden der Niederlande hofft,
       „dass wir schnell wieder an die Weltspitze kommen können.“ An guten
       Spielern mangelt es dem niederländischen Fußball nicht unbedingt. Bei der
       Partie gegen Tschechien wurden Scouts aus Barcelona in der Amsterdamer
       Arena gesichtet. Sie hatten die Ajax-Spieler Anwar El Ghazi, Riechedly
       Bazoer und Jairo Riedewald im Visier. Doch an eine rosige Zukunft kann
       derzeit beim KNVB kaum einer denken. Die verpatzte EM-Qualifikation trübt
       die Stimmung nachhaltig.
       
       14 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Müller
       
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