# taz.de -- Für einen Job in der Wirtschaft zu spezialisiert
       
       > Hochschule Wissenschaftliche Mitarbeiter an Universitäten dürfen per
       > Gesetz nur für 12 Jahre beschäftigt werden. Danach hangeln sich viele von
       > Vertrag zu Vertrag
       
 (IMG) Bild: Ende des Jahres läuft der fünfjährige Postdoc-Vertrag von Franz-Josef Schmitt aus
       
       von Anna Bordel
       
       Jeder sieht, dass da etwas ganz gehörig schiefläuft. Aber keiner tut etwas
       dagegen. Nicht Johanna Wanka, die Bundesministerin für Bildung und
       Forschung, nicht der Berliner Senat, nicht die Piraten-Partei. So sieht
       Franz-Josef Schmitt das. Seit zehn Jahren arbeitet der 37-jährige als
       wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Berlin (TU).
       Sein Themenbereich: Spektroskopie an Proteinen und Zellen – ein
       hochspezialisierter Aspekt der physikalischen Chemie.
       
       Ende des Jahres läuft der fünfjährige Postdoc-Vertrag von Franz-Josef
       Schmitt aus, eine kleine Verlängerung hat er noch in Aussicht, aber dann
       darf ihn die TU nicht weiter beschäftigen. „Das Bundesgesetz beendet meine
       Karriere an der Uni“, sagt Schmitt.
       
       Daran ändert auch die geplante Reform des
       Wissenschaftszeitvertragsgesetzes nichts. Dieses Gesetz ist seit 2007 in
       Kraft. Es sieht eine Beschäftigung von wissenschaftlichen Mitarbeitern für
       zwölf Jahre vor. Danach müssen die Mitarbeiter selbst entweder Drittmittel
       für ihre weitere Beschäftigung einwerben oder die Uni verlassen und nach
       einem Job in der freien Wirtschaft suchen. Dafür sind viele jedoch zu
       spezialisiert in ihrem jeweiligen Fachbereich.
       
       Schmitts Diplomarbeit wurde mit dem Erhard-Höpfner-Studienpreis
       ausgezeichnet, seine Promotion hat er mit „summa cum laude“ abgeschlossen,
       von seinen Studenten bekommt er für seine Vorlesung hervorragendes Feedback
       und die Joachim-Herz-Stiftung zeichnete seine Methode, Mathematik durch
       Lehrvideos zu lehren, mit einem Nachwuchspreis für herausragende Lehre aus.
       
       ## Dann eben Dänemark
       
       Weil ihn deutsche Universitäten aber bald nicht mehr beschäftigen dürfen,
       beginnt Schmitt nun langsam damit, sich auf attraktive Stellen an
       ausländischen Hochschulen zu bewerben. In Dänemark will er es versuchen und
       in Polen. Denn an der Uni will er schon bleiben.
       
       Die TU verhalte sich im Vergleich zu anderen Berliner Universitäten fair,
       meint Schmitt. Denn sie versuche zumindest Fünfjahresverträge zu verteilen.
       „An anderen Unis bekommen die Angestellten nur mehrmonatige Verträge, immer
       gebunden an die Dauer eines Projekts.“
       
       Laut GEW Berlin sind in der Hauptstadt rund 87 Prozent der
       Hochschulmitarbeiter befristet angestellt. Ursula Stegelmann ist eine von
       den Betroffenen. „Der siebte oder achte Vertrag müsste es sein“, sagt sie.
       Die 53-Jährige ist Organisationssoziologin mit einem Schwerpunkt auf
       Nachhaltigkeit an der Freien Universität Berlin (FU). Nach dem Abschluss
       ihres sechsjährigen Postdoc-Vertrags wurde ihr Vertrag immer wieder
       verlängert, mal um ein Jahr, mal um ein halbes. Den wievielten Vertrag sie
       gerade hat, kann sie nicht mehr genau sagen. Ende Januar läuft er aus. Dann
       beginnt der nächste, bis Juli 2016.
       
       ## Öfter an Aufhören gedacht
       
       An Aufhören hat Stegelmann immer wieder gedacht, gerade wenn das Ende des
       derzeitigen Vertrages wieder näher rückte und eine Verlängerung noch nicht
       in Aussicht stand. Immer wieder hat sie sich außerhalb der Uni beworben,
       aber Organisationssoziologen arbeiten eigentlich nicht in der freien
       Wirtschaft. Auch Ursula Stegelmann ist zu spezialisiert.
       
       Eigentlich arbeitet sie gern an der Uni. Stegelmann gibt Seminare, ist
       Frauenbeauftragte, und außerdem kennt sie die Strukturen an der Universität
       mittlerweile ganz genau. „Wenn ich einen längeren Vertrag hätte, wäre ich
       sehr zufrieden mit meinem Beruf“, sagt sie. Dafür hat sie sich immer wieder
       eingesetzt, ist Verdi beigetreten und der GEW. Aber getan hat sich nichts.
       Die geplante Gesetzesänderung vom Bundesbildungsministerium sieht vor, dass
       befristete Verträge nur noch dann gestattet sind, wenn sie mit der
       Projektdauer oder der angestrebten Qualifikation des Mitarbeiters begründet
       werden. Eine „unsachgemäße Kurzbefristung“ solle unterbunden werden, heißt
       es in der Erklärung vom Bundesministerin für Bildung und Forschung.
       
       „Das bringt letztlich nichts“, sagt Schmitt von der TU. „Das heißt nur,
       dass die Unis versuchen sollen, den Mitarbeitern zumindest etwas längere
       Verträge zu geben. Bindend ist das nicht.“ Im Herbst wird der Entwurf dem
       Bundestag vorgelegt.
       
       ## Gesetz wieder abschaffen
       
       Franz-Josef Schmitt ist vor einigen Jahren den Piraten beigetreten, weil er
       dachte, die Partei könne an dem Missstand etwas ändern. „Getan habe sich
       aber nicht viel“, gibt er zu. Ideen hat er schon, was sich ändern sollte:
       Man müsse das Wissenschaftszeitvertragsgesetz abschaffen, meint er. Wenn er
       immer Fünfjahresverträge hätte, wäre er zufrieden. Oder aber deutsche
       Universitäten müssten Dauerstellen für die Lehre einrichten.
       
       „Es gibt zu viele Studierende und zu wenig Lehrende an den Unis“, sagt
       Schmitt. Professoren können nicht unendlich Zeit dafür aufbringen, weil sie
       auch forschen müssen. „Es fehlen Leute, die gut im Lehren sind.“
       
       Schmitt hat ausgerechnet, dass jede Berliner Universität im Jahr 10
       Millionen Euro mehr bräuchte und damit eine Menge verändern könnte. Mit
       seinen Vorschlägen rennt er offene Türen ein, wie er sagt, „alle sehen,
       dass etwas getan werden muss“.
       
       „Die massive Befristung an den Hochschulen ist ein Problem. Der
       Gesetzentwurf ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber aus unserer
       Sicht nicht genug“, sagt Steffen Krach (SPD), Staatssekretär für
       Wissenschaft bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft.
       In den letzten Jahren hätte man eben viel Geld in die Spitzenforschung
       investiert und in den Ausbau von Studienplätzen. „Da wurden die
       Beschäftigungsverhältnisse leider vernachlässigt“, sagt Krach.
       
       ## Senat will Mindestlaufzeit
       
       Gegen Ende des Jahres wolle der Senat mit den Hochschulen zusätzlich zur
       Gesetzesänderung des Bundes über Änderungen sprechen. Der Senat plädiere
       für eine vertragliche Mindestlaufzeit von 24, die ist in der
       verabschiedeten Reform bislang nicht vorgesehen. Jetzt den größten Teil der
       Verträge zu entfristen, berge allerdings das Risiko, dass die Unis dann
       über einige Jahre hinweg keinen Nachwuchs mehr einstellen könnten. „Das
       wollen die Hochschulen nicht und wir auch nicht“, sagt Krach.
       
       Mitarbeiter wie Frank-Josef Schmitt und Ursula Stegelmann werden sich auf
       lange Sicht hin also weiterhin nach einer Stelle im Ausland umschauen
       müssen. Oder sich von einem an Drittmittel gebundenen Vertrag zum anderen
       hangeln.
       
       12 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Bordel
       
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