# taz.de -- Nix mit Humankapital
       
       > Hochschule Die erste selbstorganisierte und selbstverwaltete Filmschule
       > Europas sitzt in Neukölln: Der Zugang zur „Filmarche“ ist
       > niedrigschwellig, ihr Netzwerk weitreichend
       
 (IMG) Bild: Kooperation: Die Bamenda Film School zu Besuch bei der filmArche in Berlin. Foto:
       
       von Nicolai Kühling
       
       Etwa achtzig StudienanfängerInnen in Neukölln wissen jetzt schon, dass sie
       nie einen „richtigen“ Abschluss machen werden. An der selbstorganisierten
       Filmschule Filmarche e. V. studieren sie trotzdem in den nächsten drei
       Jahren Drehbuch, Regie, Dokumentarfilmregie, Kamera, Montage/Schnitt oder
       Produktion. Zum Abschluss bekommen die Studierenden der Filmarche zwar
       kein staatlich anerkanntes Bachelorzertifikat. Dafür bestimmen sie vom
       ersten Semester an selbst, was sie lernen und wie.
       
       Die FilmstudentInnen werden bei der Selbstorganisation des Studiums von
       höheren Semestern unterstützt. Das helfe bei der Organisation des
       Curriculums, erläutert Aline Reinsbach, die selbst Kamera an der Filmarche
       studierte und jetzt Geschäftsführerin des Vereins ist.
       
       Wie sie sind alle Studierenden vom ersten Semester an stark in der
       Organisation des Vereins eingebunden. Die vielfältigen administrativen
       Aufgaben, die dort anfallen, werden in Komitees von den Studierenden selbst
       gestemmt. Ein großes Engagement ist daher Grundvoraussetzung. Dafür ist die
       Ausbildung an der Filmarche mit 70 Euro monatlichem Mitgliedsbeitrag sehr
       günstig, verglichen mit privaten Filmschulen. Auch sonst sind die Hürden
       für den Zugang zum Studium niedrig: Es sind weder Vorerfahrung noch Scheine
       oder Abitur nötig.
       
       Einzig ein Mindestalter von 21 Jahren wird bei Studienbeginn vorausgesetzt.
       Da aber kein formaler Abschluss und keine offiziellen Sprachbescheinigungen
       verlangt werden, erklärt Aline Bonvin, ehemalige Kamerastudentin und
       ebenfalls Vorstandsmitglied, sei ein großer Migrationsanteil unter den
       Vereinsmitgliedern möglich.
       
       Auf ungefähr 400 Mitglieder ist die Filmschule seit ihrer Gründung 2003
       angewachsen. Jan Buttler war damals einer der InitiatorInnen und studierte
       dann gleich selbst Regie und Drehbuch. Die GründerInnen hätten sich aus der
       Filmbranche gekannt und Erfahrung als Kameraleute oder Ähnliches gehabt,
       berichtet er. Sie hätten den akademischen Bildungsweg zwar für sich
       ausgeschlossen, aber dennoch ihr Wissen erweitern wollen. Sie beschlossen,
       sich mit ihrem Wissen gegenseitig zu unterrichten. „Relativ schnell kam die
       Erkenntnis, dass wir externe Fachleute brauchen“, so Buttler. Es sei dabei
       vor allem darum gegangen, die Wissensgebiete überhaupt erst einmal
       abzustecken.
       
       Der Verein wuchs schnell, wurde „immer komplexer, es gab immer mehr
       Gremien, administrativ und inhaltlich.“ Die letzte „große Reform“ sei die
       endgültige Selbstdefinition der Filmarche als Filmschule gewesen. Dadurch
       wurde eine lange andauernde Grundsatzdebatte beigelegt, zwischen den
       Mitgliedern, die die Filmarche als Schule sahen, und jenen, die sie als
       Plattform für Filmschaffende verstanden. Trotzdem fungiert die Filmarche
       auch als Netzwerk für die Studierenden und AbsolventInnen. Reinsbach etwa
       schätzt, dass sie „40 bis 50 Prozent“ ihrer Jobs als Kamerafrau über
       Filmarche-Kontakte findet: „Die Solidarität hier ist für mich ein ganz
       wichtiger Punkt.“
       
       Zum anderen betreibt die Filmarche internationale Kooperationen, wie die
       mit der Bameda Filmschool in Kamerun. Susanne Dzeik, Kamerabsolventin und
       langjähriges Vorstandsmitglied, ist aktuell Pressesprecherin des Vereins
       und koordiniert gemeinsam mit Aline Bonvin die Kooperation mit Bameda. „Es
       ist ein Omnibusprojekt“, beschreibt sie die Kooperation. Mitglieder beider
       Filmschulen besuchten sich immer wieder gegenseitig, lernten voneinander.
       
       Die nächste Reise ist für Ende Oktober geplant. Bonvin und Dzeik werden
       Workshops an der Bameda Filmschool geben und anschließend in Kameruns
       Hauptstadt Jaunde am Frauenfilmfestival für Dokumentarfilm „237 Travellin‘“
       mitwirken. Dokus seien in Kamerun noch vergleichsweise neu und gewännen
       jetzt an Bedeutung, auch aufgrund der Nachfrage aus der EU. Kritische Filme
       könnten aber immer noch zu Verfolgung durch die Regierung führen.
       
       Erst kürzlich hat die Filmarche für ihr interkulturelles Engagement den
       Deutsch-Afrikanischen Bürger-Award „Goldener Pfeil“ gewonnen. Darauf ruht
       sich niemand aus: Eine Crowdfunding-Aktion für neues Equipment für Bameda
       ging jüngst als voller Erfolg zu Ende: Tage vor dem Ende war das Ziel von
       5000 Euro bereits übertroffen.
       
       8 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nicolai Kühling
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA