# taz.de -- Champions-League Leverkusen bei Barca: Gescheiterter Masterplan
       
       > Torhüter ter Stegen scheitert derzeit beim FC Barcelona auch an seinem
       > Geltungsdrang. Gegen Leverkusen steht er unter besonderer Beobachtung.
       
 (IMG) Bild: Sicher ist sicher: Marc-André ter Stegen wird im Training zu einer konservativeren Spielweise angehalten
       
       Barcelona taz | „Oh Mann“ – der Schrei war Marc-André ter Stegen an den
       Lippen abzulesen. Alles hatte er richtig gemacht im Spiel gegen Las Palmas,
       nach anfänglicher Nervosität die wenigen Schüsse auf sein Tor entschärft,
       seine Position nach hinten korrigiert, wenn Assistenztrainer Juan Carlos
       Unzué ihn vom Spielfeldrand dazu aufforderte, den Applaus eines Publikums
       zu hören bekommen, das ihn ganz offenkundig stark klatschen wollte. Und
       dann doch noch ein Gegentor. 87. Minute: wieder nicht zu null.
       
       Zu null zu spielen ist das Lebenselixier eines Torwarts. Ter Stegen, 23,
       hat seit dem 3:0 gegen die Bayern im Mai, dem letzten Besuch einer
       deutschen Elf, nicht mehr zu null gespielt. Obwohl er wegen der Verletzung
       von Kontrahent Claudio Bravo derzeit so viel spielt wie noch nie beim FC
       Barcelona.
       
       Siebenmal schon diese Saison. Sieben Partien, 16 Gegentore. So viele wie in
       der gesamten letzten Spielzeit in 21 Partien. Dreimal vier Gegentore,
       viermal ein Gegentor. 2,29 Gegentore pro Spiel. Gegentore, Gegentore,
       Gegentore: Sie schreien ihn quasi an, aus den Sportzeitungen, Tag für Tag.
       
       Immerhin, vor dem Besuch von Bayer Leverkusen mit dem alten Weggefährten –
       und, wie es heißt, Intimfeind – aus deutschen Juniorentagen, Bernd Leno,
       gab es wieder positivere Schlagzeilen. „Ter Stegen besteht das Examen“,
       fand Sport nach dem Spiel gegen Las Palmas. Das Tor der kanarischen Gäste
       zum 2:1-Endstand war ja nicht seine Schuld. Andererseits: Wenn einmal der
       Zustand erreicht ist, dass jedes Spiel zum Examen wird, dann hat ein Keeper
       natürlich ein Problem.
       
       Ter Stegen hat rund zweieinhalb der 16 Gegentore verschuldet: Beim 0:4 in
       Bilbao im Supercup klärte er so unnötig wie misslungen mit dem Kopf; beim
       4:1 gegen Levante unterlief er eine Flanke; und beim 55-Meter-Bananenschuss
       von Alessandro Florenzi in der Champions League in Rom war seine
       Rückwärtsbewegung nicht optimal – darüber wird noch debattiert, aber die
       technischen Fragen sind wohl gar nicht so entscheidend wie der Eindruck,
       dass ter Stegen verdächtig oft auf dem Foto zu sehen ist, wenn irgendwo
       seltsame oder unerwartet viele Treffer fallen.
       
       ## Harte Prüfungen
       
       Als ob dieselbe Planetenstellung, die ihm so viel Talent schenkte, ihm
       dafür umso härtere Prüfungen auferlegt. Ter Stegen kennt das ja schon von
       seinen Auftritten in der A-Nationalelf: vier Spiele, zwölf Gegentore,
       darunter vier gegen die USA samt Torwartpanne und fünf gegen die Schweiz.
       Oder zuletzt, U21-EM gegen Portugal: fünf Gegentore.
       
       Es braucht schon Selbstbewusstsein, um das wegzustecken. „Wenn Marc
       irgendetwas nicht verloren hat, dann das Selbstbewusstsein“, sagt
       Teamkollege Marc Bartra. Das ist einerseits gut, denn Zweifel machen es ja
       nicht besser, und in der Weite des Camp Nou haben schon erfahrenere
       Weltklassetorhüter ihren Kompass verloren.
       
       Andererseits würde sich ter Stegen mit ein bisschen mehr Demut wohl einen
       Gefallen tun: seine fußballerischen Qualitäten nur noch streng
       zielorientiert einsetzen, den jugendlichen Geltungsdrang zügeln, mehr
       Verlässlichkeit ausstrahlen. Nicht versuchen, einen Topstürmer wie
       Manchester Citys Sergio Agüero auszudribbeln wie vorige Saison in der
       Champions League.
       
       ## Kritik prallt ab
       
       „Warum sollte ich etwas ändern?“, entgegnet der Angeklagte auf Kritik an
       seiner aufgerückten Spielweise, in der ihn Trainer Luis Enrique (“Das
       verlange ich von meinen Torhütern“) öffentlich bestätigt. Die jüngsten
       Korrekturen von Unzué, selber Extorwart, deuten indes darauf hin, dass ter
       Stegens Vorgesetzte angesichts der aktuellen Unsicherheiten im Team eine
       konservativere Interpretation bevorzugen. Für die steht auch Bravo, der am
       Samstag in Sevilla zurückkehren könnte. Schon seinen Wiedereinstieg ins
       Training nahm die Presse mit Erleichterung auf.
       
       Im besten Fall für ter Stegen wird Luis Enrique dann zur Rotation
       zurückkehren und ihn wieder beide Cup-Wettbewerbe spielen lassen. Der
       Masterplan, sich über eine vorzeitige Rückkehr aus dem Urlaub und einen
       starken Saisonbeginn als feste Nummer eins zu etablieren, ist erst mal
       gescheitert.
       
       Er ist beliebt bei Mitspielern wie Zuschauern, er gilt weiter als Barças
       Torwart für das nächste Jahrzehnt. „Unser Vertrauen in ihn ist nicht groß,
       sondern riesig“, sagte gestern sein Kumpel Ivan Rakitic. Ein Spiel ohne
       Gegentor würde trotzdem helfen.
       
       29 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Florian Haupt
       
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