# taz.de -- Lokalwahlen in der Ostukraine: Eine Lösung ohne Gesichtsverlust
       
       > Der Westen drängt den ukrainischen Präsidenten zu Zugeständnissen bei den
       > Wahlen im Donbass. Grundlage ist ein französisches Papier.
       
 (IMG) Bild: Ein junger Soldat ist aus dem Krieg im Osten nach Kiew zurückgekehrt, wo er sehnsüchtig erwartet wird
       
       Kiew taz | Seitdem der Waffenstillstand in der Ostukraine seit Beginn des
       Monats weitgehend eingehalten wird, kündigt sich nun auch bei der Frage von
       bevorstehenden Regionalwahlen in den von Kiew nicht kontrollierten Gebieten
       eine Annäherung der Konfliktparteien an. Bei den am Dienstag in Minsk
       fortgeführten Gesprächen der trilateralen Kontaktgruppe zur Beilegung des
       Konflikts in der Ukraine stehen, so Präsident Petro Poroschenko, diese
       Regionalwahlen auf der Tagesordnung.
       
       Zur Diskussion steht in Minsk ein Papier des französischen Diplomaten
       Pierre Morel, das sich von allen bisherigen durch eines unterscheidet: Es
       stellt fast keine Vorbedingungen. Lediglich die weitere Einhaltung des
       Waffenstillstands macht das Papier zur Voraussetzung. Ansonsten gibt es
       keine „Wenn-Danns“.
       
       Das dürfte insbesondere der ukrainischen Seite missfallen, die wiederholt
       den ungehinderten Zugang des ukrainischen Grenzschutzes zu allen
       Abschnitten der ukrainisch-russischen Grenze, die Entwaffnung der
       Aufständischen und eine Klärung des Status der Gebiete Donezk und Lugansk
       verlangt hatte. In einer ersten Reaktion hat Präsident Poroschenko das
       Morel-Papier als „persönliche Meinung“ bezeichnet.
       
       Doch die Ukraine dürfte es schwer haben, das Papier des Leiters der
       Arbeitsgruppe Politik der trilateralen Kontaktgruppe in Minsk weiterhin als
       Privatmeinung darzustellen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier
       hatte sich bei seiner Pressekonferenz nach dem Außenministertreffen von
       Frankreich, Deutschland, der Ukraine und Russland in Berlin am 12.
       September ausdrücklich auf Morel bezogen. Und auch der russische
       Außenminister Sergei Lawrow hatte bereits Unterstützung für das
       Morel-Papier signalisiert.
       
       ## Morel-Papier als Lösungsvorschlag
       
       Mit Morel hat Frankreich seinen in postsowjetischen Konflikten erfahrensten
       Diplomaten an den Verhandlungstisch in Minsk mitgebracht. Der fließend
       Russisch sprechende 71-jährige Diplomat war Sonderbotschafter im
       Berg-Karabach-Konflikt, vier Jahre französischer Botschafter in Moskau,
       Sonderbeauftragter der EU für Georgien nach dem Krieg um Südossetien und
       EU-Sonderbeauftragter für Zentralasien.
       
       Das Morel-Papier gibt beiden Seiten die Möglichkeit, den Wahlen in Donezk
       und Lugansk ohne Gesichtsverlust zuzustimmen. Und es ist so strukturiert,
       dass keiner Seite Wahlfälschungen im großen Stil möglich sein werden. Alle
       prestigeträchtigen Aufgaben werden Kiew übertragen. So wird Kiew den Chef
       der Wahlkommission stellen. Gleichzeitig werden die vor Ort arbeitenden
       Wahlkommissionen vor allem von den derzeitigen Machthabern besetzt werden.
       
       Die Wahlen sollen unter internationaler Beobachtung und der Teilnahme
       ukrainischer Medien verlaufen, allerdings werden die lokalen Machthaber von
       Donezk und Lugansk ukrainischen Journalisten die Akkreditierung verweigern
       dürfen. Poroschenkos Forderung, die Wahlen müssen nach ukrainischem Gesetz
       durchgeführt werden, wird sich erfüllen lassen. Hierzu muss das ukrainische
       Parlament ein eigens für Donezk und Lugansk erarbeitetes Wahlgesetz
       verabschieden. Bereits jetzt dürfte an diesem Gesetz geschrieben werden –
       in Minsk.
       
       22 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Clasen
       
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