# taz.de -- Fremdverschuldete Stürze im Radsport: Vom Auto gerammt, Rennen vorbei
       
       > Der Italiener Aru gewinnt die Spanien-Rundfahrt. Diskutiert aber wird
       > über Stürze, die von Begleitfahrzeugen verursacht werden.
       
 (IMG) Bild: Immer wieder kommt es zu Stürzen, immer wieder sind Motorräder nicht weit
       
       Immer häufiger sorgten in dieser Saison Begleitwagen und Motorräder für
       schwere Kollisionen mit Fahrern. Jüngste Opfer wurden bei der am Sonntag zu
       Ende gegangenen Spanien-Rundfahrt Peter Sagan und Sergio Paulinho vom
       russischen Team Tinkoff-Saxo.
       
       Den Slowaken Sagan rammte ein Motorrad – er erlitt schwere Blutergüsse und
       Wunden am linken Bein. Die Etappe konnte der Sprinter zwar mit Schmerzen zu
       Ende fahren, die Rundfahrt war für ihn aber beendet. Der verantwortliche
       Motorradfahrer war nach Angaben der Organisatoren ASO zu schnell gefahren.
       
       Nur vier Tage später erwischte es Sagans Teamkollegen Sergio Paulinho. In
       einer engen Linkskurve stieß er mit einem TV-Motorrad zusammen; dieses
       brachte ihn zwar nicht zu Fall, riss ihm aber das komplette linke Bein auf.
       Er kam ins Krankenhaus – musste mit 17 Stichen genäht werden.
       
       Bei Teambesitzer Oleg Tinkoff löste dies verständlicherweise großen Frust
       aus: „Was für ein übles und lächerliches Rennen“, ließ er seinen Gedanken
       [1][bei Twitter] freien Lauf, „ich denke wirklich darüber nach, das Team
       aus der Vuelta zu nehmen. Wir bekommen keinen Cent für die Teilnahme und
       dann verletzen sie auch noch unsere Fahrer.“ In einem offiziellen Statement
       des Teams heißt es außerdem, man würde das Rennen sofort beenden, wenn sich
       ein weiterer vergleichbarer Zwischenfall wiederhole.
       
       ## „Was tut unsere Fahrervertretung?“
       
       Diese Kritik hat gesessen. Die ASO – deren Tochterfirma Unipublic die
       Vuelta organisiert – nahm dazu keine Stellung. Vielmehr äußerte sich einer
       der deutschen Beteiligten. „Was tut unsere Fahrervertretung, um etwas zu
       ändern?“, [2][twitterte Kittel]. Gemeint ist die [3][CPA], die Vereinigung
       deutscher Radprofis, deren Aufgabe es ist, sich für die Interessen der
       Fahrer einzusetzen. „Es gibt noch nicht einmal ein Statement zum Vorfall
       mit Peter Sagan. Wir Fahrer erwarten mehr“, schrieb der deutsche Radprofi.
       
       Und auch Kittels Manager, Jörg Werner, sieht die aktuelle Situation
       problematisch. „Die Häufung der Zwischenfälle ist besorgniserregend“,
       erklärte er, „überall sollte die Gesundheit der Fahrer im Vordergrund
       stehen, der Radsport ist schon risikoreich genug. Ich habe das Gefühl,
       alles gerät etwas aus dem Gleichgewicht.“
       
       Tatsächlich gab es in dieser Saison – bereits vor den Fällen Sagan und
       Paulinho – viele Kollisionen mit Begleitfahrzeugen. Im Frühjahr dieses
       Jahres wurde der Neuseeländer Jesse Sergent bei der Flandern-Rundfahrt von
       einem neutralen Materialwagen umgefahren und brach sich dabei das
       Schlüsselbein. Dazu kam, dass der Franzose Sébastien Chavanel vom eigenen
       Mannschaftswagen (Team FDJ) angefahren wurde. Ebenfalls betroffen war Greg
       van Avermaet. Der Belgier lag bei der San-Sebastián-Rundfahrt solo in
       Führung, bis er von einem Begleitmotorrad gerammt wurde – Sturz, Rad
       kaputt, Rennen vorbei.
       
       „Ich sehe die Probleme auf beiden Seiten“, findet Sprinter André Greipel,
       „wenn man die Aktion von Sagan sieht, dann hat er einen sehr aggressiven
       Fahrbahnwechsel gemacht. Das Motorrad hat die Chance gesehen, das Feld, so
       schnell es geht, zu überholen – nur Sagan kam mit dem plötzlichen
       Seitenwechsel unverhofft dazwischen.“ Greipel hat konkrete
       Lösungsvorschläge: „Ich denke, dass geschultes Personal, wenn nicht sogar
       alte Rennfahrer, die das aktuelle Renngeschehen einschätzen können, am
       Steuer sitzen müssen. Dazu brauchen wir Regeln wie zum Beispiel die, dass
       in den letzten 20 Kilometern kein Motorrad mehr an einem geschlossenen
       Fahrerfeld vorbei fahren darf.“
       
       Ex-Radsportprofi Jan Ullrich, der mit dem sicheren Autofahren auch manchmal
       seine Probleme hat, sagt der taz: „Es werden immer mehr Fahrzeuge in der
       Karawane zugelassen, gerade Presse und unerfahrene Fahrer am Auto oder
       Motorrad. Wenn du selber hinten als sportlicher Leiter sitzt, ist das
       teilweise ein eigenes Rennen der Materialfahrzeuge, da wird um Positionen
       gekämpft.“ Deshalb fordert Ullrich Konsequenzen: „Hier muss es Strafen und
       Anweisungen an den Veranstalter geben. Die UCI ist gefragt.“ Bei der Vuelta
       reagierte man bereits. Der Minimalabstand zwischen Fahrern und Fahrzeugen
       wurde verdoppelt. Langfristige Lösungen sollen nach Renn-Ende folgen.
       
       Vorschläge gibt es. Jim Ochowicz, Manager des Radsportteams BMC, wandte
       sich in einem offenen Brief an die UCI, den Weltradsportverband. Darin
       fordert er eine Reduzierung der teilnehmenden Teams und auch der
       Begleitmotorräder. Dazu schlägt er vor, dass künftig alle Fahrer eine
       spezielle Fahrerlaubnis vorlegen oder nachweisen müssen, die sie
       berechtigt, in derartigen Bedingungen ein Fahrzeug zu führen.
       
       13 Sep 2015
       
       ## LINKS
       
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