# taz.de -- Chefankläger nach Deutschland geflohen: Erdoğans gefallener Liebling
       
       > Der türkische Präsident lässt Staatsanwalt Zekeriya Öz per Haftbefehl
       > suchen. Das könnte zu diplomatischen Verwicklungen mit Deutschland
       > führen.
       
 (IMG) Bild: Früher Mitglied des „Hofstaats“, heute von ihm gesucht: Zekeriya Öz.
       
       Istanbul taz | Auf die deutsch-türkischen Beziehungen kommen womöglich
       schwere Zeiten zu. Berichten türkischer Medien zufolge hat sich einer der
       umstrittensten Staatsanwälte des Landes, der 47-jährige Zekeriya Öz, nach
       Deutschland abgesetzt. In der Türkei wird er per Haftbefehl gesucht.
       
       Bereits am Freitag hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan
       erklärt, er erwarte, dass Deutschland Öz ausliefern werde, sobald die
       türkischen Behörden über Interpol einen internationalen Haftbefehl erwirkt
       haben.
       
       Ansonsten werde er dafür sorgen, dass aus der Türkei nie wieder jemand nach
       Deutschland ausgeliefert wird. Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte am
       Sonntag, es wisse nicht, ob Öz in Deutschland sei. Ohnehin aber ist in
       diesem Fall das Innenministerium zuständig.
       
       Abtauchen wird Öz auf die Dauer nicht helfen. Der Mann ist für Erdogan
       einer der größten innenpolitischen Feinde. Der wird alles daransetzen,
       seiner habhaft zu werden. Denn Staatsanwalt Öz war der leitende Ermittler
       im Korruptionsverfahren gegen verschiedene Regierungsmitglieder und Freunde
       des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen türkischen Präsidenten
       Erdogan. Sogar Bilal Erdogan, der älteste Sohn des Präsidenten, geriet ins
       Fadenkreuz der Ermittler.
       
       Als Öz und sein Team im Dezember 2013 mehr als 70 Verdächtige festnehmen
       ließen, war Erdogans Regierung am Rand des Zusammenbruchs. Doch letztlich
       setzte sich der damalige Ministerpräsident durch. Er bezeichnete die
       Ermittlungen als Putschversuch, ließ die Ermittlungsgruppe auflösen und
       Hunderte Staatsanwälte und Polizisten versetzen oder gleich feuern.
       
       Chefermittler Öz wurde in die Provinz verbannt, später aus dem Justizdienst
       entfernt und dann mit einer Anklage wegen Bildung einer kriminellen
       Vereinigung zum Zwecke des Sturzes der Regierung konfrontiert.
       
       Bevor der Haftbefehl gegen ihn erging, gaben ihm offenbar alte Kameraden
       noch rechtzeitig einen Tipp, sodass er sich Anfang vergangener Woche
       zunächst nach Georgien, von dort weiter nach Armenien und dann nach
       Deutschland absetzen konnte. Doch der nunmehr so bedrängte Öz ist durchaus
       nicht nur ein bedauerliches Opfer von Erdogans Verfolgungswut. Es ist erst
       sieben Jahre her, da war Öz noch der Starankläger der Regierung und
       Erdogans Liebling. Damals war Öz leitender Sonderermittler im
       Ergenekon-Verfahren.
       
       ## Putschabsichten nicht nachgewiesen
       
       Unter dem Begriff wurde ein Massenprozess gegen führende Militärs,
       Bürokraten, Geschäftsleute und Publizisten geführt, deren gemeinsames
       Merkmal es war, dass sie zu den Stützen des säkularen-kemalistischen
       Staates gehörten, die damaligen innenpolitischen Erzfeinde Erdogans und der
       islamischen AKP. Mit einem Rundumschlag entledigte sich Erdogan damals
       nicht nur einflussreicher Generäle, denen er Putschabsichten unterstellte,
       sondern ebenso vieler Kritiker, die mit einem möglichen Putsch nichts zu
       tun hatten. Die Putschabsichten konnten niemals nachgewiesen werden.
       
       Alle Angeklagten wurden zwar verurteilt, ihre Urteile aber später vom
       höchsten Gericht wieder aufgehoben. Doch nicht deshalb fiel Öz bei Erdogan
       in Ungnade. Der Jurist ist Mitglied oder doch Sympathisant der islamischen
       Gülen-Sekte, die zehn Jahre lang mit Erdogan aufs Engste zusammenarbeitete,
       sich dann aber mit der Regierung heillos zerstritt.
       
       Obwohl die Indizien in den Korruptionsverfahren, die Öz damals gegen
       Erdogans „Hofstaat“ einleiten ließ, erdrückend waren, argwöhnte Erdogan
       doch nicht zu Unrecht, dass nicht nur Öz, sondern viele andere Ermittler
       aus seinem Team ebenfalls zur Gülen-Bewegung gehörten.
       
       Ein mögliches Auslieferungsverfahren von Öz an die Türkei wäre jedenfalls
       hochgradig vermintes Gelände. Das Beste, was der Bundesregierung passieren
       könnte, wäre deshalb, wenn Öz sich doch noch ein anderes europäisches
       Exilland aussucht.
       
       16 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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