# taz.de -- Qualitätswege: Moscht und Wurschtsalat
       
       > Und immer wieder der See: Der SeeGang von Konstanz nach Überlingen ist
       > der erste Strecken-Premiumsweg dieser süddeutschen Wanderregion
       
 (IMG) Bild: Blick auf den See in Bodman.
       
       Das Bodenseeufer gehört allen! Zumindest heute bei Konstanz. Weil die
       Konstanzer am 1. Mai 1975 für die Wegerechte am See kämpften, können wir
       heute unseren Seegang über das belebte Seebad Hörnle hinaus fortsetzen.
       Immer am schattigen Ufer entlang.
       
       Was uns als Selbstverständlichkeit erscheint, haben Gewerkschafter vor mehr
       als 35 Jahren erkämpft: den freien Zugang zum See. Von den zwölf Kilometern
       Ufer zwischen dem Staader Fährehafen und Klein Venedig waren damals nur
       fünf Kilometer frei zugänglich.
       
       Um einen Uferweg bauen zu können, schütteten die Konstanzer vor den
       Villengrundstücken einfach Gelände auf. Die privilegierten Besitzer sollen
       nicht erbaut gewesen sein. Vorbei an den Nackten im Seebad Hörnle, an
       stillen Badebuchten für Liebespaare und an repräsentativen Jugenstilvillen
       können wir heute die ersten Kilometer des SeeGangs immer entlang des Ufers
       Richtung Insel Mainau wandern.
       
       Der 53 Kilometer lange Premiumwanderweg verbindet die Städte Konstanz und
       Überlingen. Schluchten, Tobel, Streuobstwiesen, mittelalterliche Ruinen und
       schattenreiche Waldpfade wechseln sich bei dieser mehrtägigen Wandertour
       mit Ausblicken auf den Bodensee ab. Urige Gaststätten zwischendurch, die
       fast immer Most und Wurstsalat auf der Speisekarte führen, sind für den
       Wanderer die Karotte des Esels.
       
       ## Eine sehr passable regionale Küche
       
       Dass Speis und Trank in dieser Gegend schon immer sehr passabel waren,
       zeigt schon der Reisebericht von Michel de Montaigne. Der französischen
       Adlige ritt 1580/81 von Bordeaux über Deutschland nach Italien. Er war voll
       des Lobes für die alemannischen Gasthäuser. „Was die Aufwartung bei Tisch
       betrifft, machen sie solchen Aufwand an Lebensmitteln und bringen in die
       Gerichte eine solche Abwechslung an Suppen, Soßen und Salaten, und das
       alles ist in den guten Gasthäusern mit solchem Wohlgeschmack zubereitet,
       dass kaum die Küche des französischen Adels damit verglichen werden kann.“
       
       Der Bodensee ist ein Binnengewässer, dem die Schwaben gerne als Meer
       schmeicheln. Er ist ein labyrinthisches Eiszeitrelikt, für todesmutige
       Taucher und ein Mittelgebirgsrevier für lustbetonte Wanderer. Etwa 10
       Milliarden Euro geben die Deutschen jährlich nach Angaben des deutschen
       Wanderinstituts für den Freizeitsport aus. Kein Wunder, dass Regionen und
       Gemeinden versuchen, mit Qualitätssiegeln die Attraktivität ihrer Wege zu
       steigern.
       
       Die Forschungsgruppe Wandern der Uni Marburg hat einen Kriterienkatolog für
       die Beurteilung von Wegen geschaffen. Für die Zertifizierung als
       Premiumwanderweg müssen 34 Kriterien berücksichtigt werden, unter anderem:
       genügend Rastmöglichkeiten, wenig asphaltierte Wege, schöne Ausblicke, gute
       Markierung, kulturelle Sehenswürdigkeiten. Über deren Erfüllung zerbrechen
       sich dann Gemeinden, Touristiker und engagierte Wanderer vor Ort den Kopf.
       Der SeeGang ist ein solcher zertifizierter Wanderweg.
       
       Bei Konstanz begleitet uns Detlef Zilz, Wegewart beim Schwarzwald Verein
       und SeeGang-Scout der ersten Stunde. Zilz hat zu jedem Wegweiser fast eine
       persönliche Beziehung. Ehrenamtlich und mit großem Engagement pflegt er die
       Ausschilderung und überwacht die Wege.
       
       Wo der SeeGang beginnt und wie lange er dauert, können wir selbst
       bestimmen. Durch die zahlreichen öffentlichen Verbindungen entlang der
       Route kann man von jedem beliebigen Ort aus starten und bequem mit dem
       Schiff, der Bahn oder dem Bus wieder zurückkehren oder vorwärts fahren. Der
       Weg ist in beide Richtungen ausgezeichnet.
       
       Unsere nächste Station ist Bodman-Ludwigshafen. Hier lohnt sich ein
       Abstecher zum Atelier des Künstlers Peter Lenk, um zumindest über den
       Gartenzaun einen Blick auf seine Skulpturen zu erhaschen. Zu seinen
       überregional bekannten Werken gehören die „Imperia“ (1993) in der
       Konstanzer Hafeneinfahrt, das Triptychon „Ludwigs Erbe“ (2008) am
       ehemaligen badischen Zollhaus in Ludwigshafen am Bodensee sowie das
       Diekmann-Springer-Werk am taz-Haus (2009), auch der „Pimmel über Berlin“
       genannt.
       
       ## Kein Weg ohne das Engagement der Ehrenamtlichen
       
       Auf unserem vorgegebenen Wanderweg liegt die Ruine der Burg Altbodman.
       Wilderich Graf von und zu Bodman gibt uns dort eine Lektion in
       Ahnenforschung und Legendenbildung. Der heimatkundlich bewanderte Graf
       deutet auf das Seeufer: „Von hier oben konnten große Teile des Überlinger
       Sees eingesehen werden und es konnte beispielsweise mit der
       gegenüberliegenden Burg Alt-Hohenfels kommuniziert werden“, erklärt er beim
       Blick in die Landschaft.
       
       Zum Hohenfels hinauf wandern wir am nächsten Tag durch die Sipplinger
       Weinberge. Nicht die hochmittelalterliche Ruine ist unser Ziel, sondern die
       dort oben stehende „Burkhartslinde“ beim Höhengasthof Haldenhof. Thomas
       Vogler vom Verschönerungsverein Überlingen begleitet uns. Auch er ist einer
       dieser Ehrenamtlichen, der jede Bank, jeden Stein in der Landschaft kennt.
       „Um diese jahrhundertealte Kulturlandschaft am See zu pflegen, bedarf es
       großer Anstrengungen“, erzählt er.
       
       Nachdem die beschwerliche Landwirtschaft an den Hängen über Sipplingen
       weitgehend aufgegeben wurde, zerfiel die Vielfalt der Kulturlandschaft. Der
       Liebreiz wich der Verwilderung. Mit aufwändigen Aufräumarbeiten und dem
       Mähen der Wiesen wurde die von Menschenhand geschaffene Landschaft
       wiederhergestellt. Sitzt man heute unter der alten Linde beim Gasthaus
       Haldenhof, hat man eine der schönsten Aussichten auf Felder, Blumenwiesen,
       Kirschbäume, Alpengipfel und – als Krönung – auf den See.
       
       15 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Edith Kresta
       
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