# taz.de -- Danca-Pop Politik und Party: die schwedische Sängerin Robyn und ihr neues Projekt La Bagatelle Magique: In diesem Club ist alle Liebe frei
       
 (IMG) Bild: Lass die Liebe einfach sein, was sie ist: Energischen Schrittes schreitet Robyn zur Party
       
       von Thomas Vorreyer
       
       Politik? „Ich glaube, es ist keine schlechte Idee, Musik und Politik zu
       vermischen – aber es muss auch nicht sein. Dance-Music etwa ist ganz
       offensichtlich nicht per se politisch, aber sie kommt aus einer Kultur, die
       von schwarzen, homosexuellen Menschen erfunden wurde. Gerade in Amerika war
       man jedoch nie gut darin, das Erbe dieser Musik, die ja dort erfunden
       wurde, anzuerkennen. Und einzig allein, weil sie queer ist – und Amerika
       ist es nicht.”
       
       Die schwedische Sängerin Robyn sitzt, während sie das sagt, nicht in
       Detroit, New York oder Chicago, sondern in einem Hinterhofzimmer in
       Berlin-Kreuzberg. Neben ihr: Bandkollege, Keyboarder und Produzent Markus
       Jägersted. Am Folgeabend spielen die beiden auf dem District Pride, einer
       an den Berliner CSD anschließenden Party. Dort werden sie auch ihr neues
       Album, „Love Is Free”, unter dem Namen La Bagatelle Magique vorstellen, das
       dieser Tage nun erscheint. Für Robyn ist das ein über Jahrzehnte hinweg
       erprobtes Prozedere.
       
       Gerade einmal 16 Jahre alt war Robin Miriam Carlsson, als ihr Debütalbum
       „Robyn Is Here” 1995 in Schweden erschien. Mit der Single „Do You Know
       (What It Takes)”, einem seinerzeit zeitgemäßen R’n’B-Pop-Track, in der sie
       einen unbekannten Liebhaber nach seinen Qualitäten fragte, gelang ihr 1997
       ein Welthit. Zwei weitere sich hauptsächlich um Liebesdinge drehende
       Major-Alben folgten, bevor 2005 der große Bruch vollzogen wurde: Robyn went
       to party – and Robyn went independent. Sie gründete ihr eigenes Label
       Konichiwa Records, entdeckte HipHop- und Club-Sounds für sich.
       Angeber-Songtitel wie „Don‘t F***ing Tell Me What To Do” oder „Konichiwa
       Bitches” vermittelten ihr neues Selbstverständnis.
       
       Das zweite Werk in dieser Konstellation, „Body Talk”, veröffentlichte Robyn
       dann zunächst als Abfolge dreier EPs und erst danach als zusammenfassendes
       Album. Diesem Konzept ist sie treu geblieben: Im vergangenen Jahr kam „Do
       It Again”, ein Minialbum bzw. eine EP in Zusammenarbeit mit dem
       norwegischen Duo Röyksopp, heraus. Nun eines mit eben La Bagatelle Magique.
       
       Aber zurück zur Politik – und auf den Dancefloor: „Love Is Free”, das
       arschwackelnde Titelstück, war nicht als politischer Song gedacht, aber,
       sagt die Interpretin: „Natürlich ist er einer.” Nur habe man sich eben
       nicht hingesetzt mit dem Ansinnen, eine Hymne zu schreiben. „Die Musik hat
       entschieden, wohin sie will. Irgendwann waren wir uns einig, dass die Zeile
       ‚Love is free’ nach einer gewissen Offenheit, nach Raum verlangt.” Und eben
       nur nach einem spärlichen textlichen Rahmen, erklärt die Sängerin.
       
       Eigentlich müsste man heute zu dritt diesen besonderen Studio-Vibe
       beschreiben. Neben Robyn und Jägersted war schließlich auch noch der
       Produzent Christian Falk Teil von La Bagatelle Magique, bevor er während
       der Aufnahmen einem schweren Krebsleiden erlag. Jägerstedt erinnert an den
       verstorbenen Kollegen: „Als Christian das erste Mal in mein Studio kam, ist
       er richtig abgegangen. Dann nahm er die Aufnahmen mit nach Hause und kam
       mit etwas komplett Anderem zurück. Wir haben uns fortwährend gegenseitig
       geremixt.” Mit Robyn hatte Falk seit ihrem Debüt immer mal gearbeitet, auch
       als sie schon Independent-Künstlerin war.
       
       „Die Songs sind gewissermaßen schizophren”, befindet die heute 36-Jährige
       über ihr jüngstes Projekt. „Alles sollte eine große, chaotische Collage
       werden. Beinahe wöchentlich änderte sich ihr Sound – und ich glaube, das
       hört man den Songs heute noch immer an.” Die Musik von La Bagatelle Magique
       lötet Eurodance mit funky House zusammen und badet anschließend im
       euphorischen Ideen- und Soundrreichtum der Nordic Disco, wie sie der
       norwegische Produzent Todd Terje zuletzt perfektioniert hat.
       
       Mit „Got To Work It Out” gibt es einen prima Animationssong (O-Ton: „Shake
       it like a baby bottom!”), mit „Tell U Today” zudem ein Cover von Loose
       Joints, einem Disco-Projekt des großen Avantgardisten Arthur Russell. Auch
       dieser hatte kurz vor seinem Aids-Tod 1992 die Freiheit der Liebe von den
       Umständen eingefordert: „Being sad is not a crime / Once you know that /
       Love is back.” (“Love Comes Back”)
       
       Robyns Album ist eine so gut gemachte, lustvolle wie zeitlose Reise durch
       die verschiedenen Floors und Tageszeiten eines Clubs, die sich von dem
       schwedischen Langweilerbild abhebt, welches der Eurovision-Sieger Måns
       Zelmerlöw und das Ideal von der vermeintlich perfekten Sozialdemokratie
       perpetuieren. Darauf angesprochen erwidert Robyn: „Ich denke, wir Schweden
       sind nicht langweilig, aber sehr konformistisch. Wir sind dabei immer sehr
       auf Egalität bedacht, ohne dass wir oftmals wissen, warum. Es ist wichtig,
       nicht zu verlangen, dass alle gleich sind. Jeder soll so sein, wie er
       will.” Sie selbst sehe ihre Musik nicht als Werkzeug, um die Welt zu
       verändern, sei stattdessen „Aktivistin im Privatleben geblieben. Menschen
       veränderen immer gemeinsam die Gesellschaft und ihre Strukturen.”
       
       Als das Gespräch zu Ende ist, blicken wir alle drei auf unsere Smartphones,
       und eine regenbogenfarbene Welle brandet auf den Displays. Kurz zuvor hatte
       der Supreme Court in den USA die Ehe für alle legalisiert. Wie meinte Robyn
       eben noch? „Love is free – das ist der Kern des Liedes. Versucht nicht, sie
       zu definieren. Lasst sie einfach sein, was sie ist.”
       
       Robyn & La Bagatelle Magique: „Love Is Free” (Embassy of Music/Warner)
       
       25 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Vorreyer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA