# taz.de -- Frist für Griechenland: Schlussstrich am Sonntag?
       
       > Noch bis Sonntag bekommt Griechenland Zeit, die Voraussetzungen für neue
       > Finanzhilfen zu schaffen. Sonst drohe ein „Grexit“, so die EU-Kommission.
       
 (IMG) Bild: Es bleiben noch fünf Tage Zeit für einen Kompromiss
       
       Brüssel/Washington/Paris dpa/afp | Für einen Kompromiss im Streit über die
       griechische Schuldenkrise bekommt Athen von seinen europäischen Partnern
       nur noch fünf Tage Zeit. „Die endgültige Frist endet diese Woche“,
       [1][sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk] nach knapp vierstündigen
       Gipfelberatungen am Dienstag in Brüssel. Bundeskanzlerin Angela Merkel
       (CDU) kündigte einen Sondergipfel aller 28 EU-Mitgliedstaaten für Sonntag
       an.
       
       Für den Fall, dass auch dieser keine Lösung bringt, wird in den Brüsseler
       Institutionen schon ein „Grexit“-Szenario durchgespielt. „Sonntag wird so
       oder so ein Schlussstrich gezogen“, sagte EU-Kommissionspräsident
       Jean-Claude Juncker am frühen Mittwochmorgen. EU-Ratspräsident Donald Tusk
       betonte: „Ohne Zweifel ist das sicherlich der kritischste Moment in unserer
       gemeinsamen Geschichte der EU und der Eurozone.“
       
       Nach den Worten Merkels erwarten die Europartner, dass die griechische
       Regierung bis spätestens Donnerstag Vorschläge macht, wie genau ein
       Hilfsprogramm des Euro-Rettungsschirms ESM aussehen könne. Bisher seien die
       Voraussetzungen für die Aufnahme von Verhandlungen über ein solches
       Rettungsprogramm nicht gegeben. Konkrete Reform- und Sparzusagen gelten als
       Bedingung für Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm.
       
       „Sie sehen mich hier nicht ausgesprochen optimistisch“, sagte Merkel.
       Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande betonte: „Frankreich will,
       dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt und arbeitet daran, das zu
       erreichen.“
       
       ## Ein europäisches Problem
       
       Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras forderte ein sozial gerechtes
       und wirtschaftlich tragbares Abkommen und fügte hinzu: „Wir haben nicht nur
       ein griechisches Problem. Wir haben ein europäisches Problem.“
       
       Die EU-Kommission ist nach Angaben ihres Präsidenten Juncker auf alle
       Szenarien vorbereitet. „Wir haben ein Grexit-Szenario im Detail
       ausgearbeitet“, sagte er. „Wir haben ein Szenario, was die humanitäre Hilfe
       angeht. Und wir haben ein Szenario – und das ist auch mein Lieblingsplan –
       mit dem wir dem Problem Herr werden könnten und Griechenland im
       Euro-Währungsgebiet bleibt.“ Juncker betonte, er sei gegen ein Ausscheiden
       Griechenlands aus dem Euro. Allerdings müsse Athen dafür Reformen zusagen
       und umsetzen.
       
       Tsipras habe sich verpflichtet, einen neuen Antrag auf ESM-Hilfen zu
       stellen, sagte Tusk. Dieses Ersuchen würden die anderen Euro-Staaten dann
       „dringlich prüfen“. Einen von Athen verlangten erneuten Schuldenerlass
       lehnen die Euro-Staaten bisher mehrheitlich ab. Merkel sagte dazu: „Ein
       haircut kommt nicht infrage. Das ist ein Bailout innerhalb der
       Währungsunion, und das ist verboten“, sagte sie. Damit ist die Übernahme
       von Schulden eines Eurolandes durch die anderen Mitglieder gemeint.
       
       ## Drittes Hilfspaket im Gespräch
       
       Damit Griechenland nicht schon im Juli unter seiner Schuldenlast
       zusammenbricht, ist laut EU-Diplomaten ein Überbrückungskredit im Gespräch.
       Dieser könnte die Zeit bis zu einem dritten Hilfspaket überbrücken. Ein
       Betrag hierfür sei bisher nicht bekannt, hieß es. Das zweite und bislang
       letzte Hilfsprogramm ist Ende Juni ausgelaufen, nicht abgerufene
       Milliardenhilfen verfielen.
       
       Tusk zufolge ist auch humanitäre Hilfe für notleidende Menschen in dem
       Krisenland denkbar. „Für uns ist es wichtig, die Meinung der (EU-)Kollegen
       über eine mögliche humanitäre Hilfe für Griechenland zu hören, wenn sie
       denn notwendig werden sollte“, sagte der polnische EU-Ratspräsident. Ein
       sogenanntes „schwarzes Szenario“, also den Austritt Griechenlands aus der
       Eurozone, schloss Tusk in seiner Beschreibung der Lage nicht aus.
       
       Dem Vernehmen nach hatte Tsipras den Staats- und Regierungschefs in Brüssel
       Vorschläge präsentiert, die auf Plänen der Geldgeber von Ende Juni
       aufbauen. Dazu gehören eine Renten- und Mehrwertsteuerreform sowie eine
       Luxussteuer. Bei einem Referendum am Sonntag hatten griechische Wähler
       dieses Angebot der Geldgeber mit deutlicher Mehrheit zurückgewiesen.
       
       [2][Auch die Kürzungen beim Militär sollen nicht so stark wie geplant
       ausfallen], berichtet die Süddeutsche Zeitung. Nach ihren Informationen
       unterscheidet sich der neue Verhandlungsvorschlag nicht wesentlich von dem
       am Sonntag abgelehnten Reformplan.
       
       ## Ökonomen fordern von Merkel Schuldenschnitt
       
       [3][Renommierte Ökonomen haben Bundeskanzlerin Merkel (CDU) in einem
       eindringlichen offenen Brief aufgerufen], einem Schuldenschnitt für
       Griechenland zuzustimmen, um eine Existenzkrise der gesamten Europäischen
       Union zu verhindern.
       
       Die Sparauflagen, die Griechenland in den vergangenen Jahren von seinen
       internationalen Gläubigern gemacht worden seien, hätten das Land nur weiter
       in eine wirtschaftliche Depression getrieben, kritisierten die Ökonomen
       Piketty, Sachs, der frühere Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium,
       Flassbeck, und zwei weitere Wirtschaftswissenschaftler in dem Schreiben,
       das gestern vom Magazin The Nation im Internet veröffentlicht wurde.
       Dennoch werde wird die griechische Regierung derzeit „aufgefordert, eine
       Waffe an ihren Kopf zu halten und abzudrücken“.
       
       ## Griechische Wirtschaft am „Rande einer Katastrophe“
       
       Nach Einschätzung des französischen Notenbankchefs Christian Noyer steht
       die griechische Wirtschaft am Rande einer Katastrophe.
       
       Falls bis Sonntag keine Einigung im Schuldenstreit komme, könnte die
       Ökonomie des Landes kollabieren, sagte das EZB-Ratsmitglied am Mittwoch dem
       französischen Radiosender Europe 1.
       
       8 Jul 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2015/07/07-tusk-remarks-euro-summit/
 (DIR) [2] http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/griechenland-das-sind-die-neuen-vorschlaege-aus-athen-1.2554715
 (DIR) [3] http://www.thenation.com/article/austerity-has-failed-an-open-letter-from-thomas-piketty-to-angela-merkel/
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Angela Merkel
 (DIR) EZB
 (DIR) Alexis Tsipras
 (DIR) Schwerpunkt Krise in Griechenland
 (DIR) Schulden
 (DIR) Grexit
 (DIR) Griechenland-Hilfe
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) Schwerpunkt Krise in Griechenland
 (DIR) Schwerpunkt TTIP
 (DIR) Schwerpunkt Krise in Griechenland
 (DIR) Großbritannien
 (DIR) Schwerpunkt Krise in Griechenland
 (DIR) Griechenland-Hilfe
 (DIR) Schwerpunkt Krise in Griechenland
 (DIR) Schulden
 (DIR) Schwerpunkt Krise in Griechenland
 (DIR) taz-Texte zur Euro-Krise auf Englisch
 (DIR) Schwerpunkt Krise in Griechenland
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) 10 Jahre nach dem Oxi-Referendum: Als Griechenland sehr laut Nein sagte
       
       2015 lehnten die Griechen ein vom Ausland verordnetes Sparpaket ab. Seither
       steht Ex-Premier Tsipras in der Kritik. Neue Informationen entlasten ihn.
       
 (DIR) Frankreichs Griechenland-Politik: In seltener Eintracht
       
       François Hollande versucht zwischen Griechenland und der EU zu vermitteln.
       Plötzlich bekommt er so viel Beifall wie selten zuvor.
       
 (DIR) Selbstversorgung in Griechenland: Gemüsegarten gegen die Krise
       
       In Karitena wird Geld knapp: Es gibt keinen Automaten, der Bus zur Stadt
       wurde eingespart, das Taxi ist zu teuer. Die Bewohner versorgen sich
       selbst.
       
 (DIR) Kommentar zu TTIP und Griechenland: Erosion der europäischen Idee
       
       Die Griechenland-Krise steht für den Zerfall der EU, TTIP für ihre
       Ausdehnung. Beide zusammen stehen für die Abgehobenheit der Institutionen.
       
 (DIR) Ökonom über die EZB und Griechenland: Wie die Zündung einer Atombombe
       
       Wenn die EZB Notkredite zurückhält, erpresst sie die Griechen, sagt der
       Ökonom Martin Hellwig. So entsteht eine Krise wie schon 1931.
       
 (DIR) Sparmaßnahmen in Großbritannien: Bloß nicht wie Griechenland
       
       Mit Blick auf die Griechen kürzt Großbritannien seine Sozialausgaben und
       senkt die Steuern. Die Schulden dürften nicht die Kontrolle übernehmen.
       
 (DIR) Verhandlungen zu Griechenland: Reformen bald, Kredite noch eher
       
       Die griechische Regierung will bis Donnerstag Reformvorschläge präsentieren
       und sie kommende Woche umsetzen – wenn es neue Kredite gibt.
       
 (DIR) Griechenland stellt neuen Hilfsantrag: Weniger Last für Arbeiter und Rentner
       
       Die griechische Regierung hat laut Alexis Tsipras einen neuen Hilfsantrag
       gestellt. So sollen die Belastungen der Reformen „gerechter verteilt“
       werden.
       
 (DIR) Krisengipfel zu Griechenland: Das Diktat aus Brüssel
       
       Deutschlands Bedingungen an Griechenland sind so hart, dass sie an einen
       Krieg erinnern. Aus den Beschlüssen spricht der Wunsch nach Rache.
       
 (DIR) Griechenlands Krise: Das langsame Gleiten in den Grexit
       
       Die EZB will keine Notkredite mehr bewilligen. So könnte sie den Grexit
       provozieren – weil Griechenland eine Parallelwährung einführen müsste.
       
 (DIR) Eurogruppen-Treffen zu Griechenland: Der jüngste Eklat
       
       Das fängt ja gut an: Der neue Finanzminister Athens kommt ohne
       schriftlichen Reformvorschlag nach Brüssel. Die Stimmung ist im Keller.
       
 (DIR) Germany, Greece and the EU: Europe isn’t that German
       
       What kind of a Europe do we want? Surely one that values solidarity. The
       German course of austerity therapy has failed. It is time to correct the
       mistakes.
       
 (DIR) Tagebuch aus Griechenland I: „Wir haben Sozialismus jetzt!“
       
       Eine Aktivistin aus Athen, eine Exilgriechin aus Berlin, eine
       Bankangestellte aus Thessaloniki und der Schriftsteller Nikos Dimou haben
       Tagebuch geführt.