# taz.de -- Den Abiturienten zeigen, wo der Hammer hängt
       
       > Berufsorientierung Die Wirtschaft klagt über Facharbeitermangel.
       > Gymnasien sollen ihre Schüler deshalb nicht nur auf die Hochschule
       > vorbereiten, sondern auch duale Ausbildungen thematisieren. An einigen
       > Schulen ist das längst Standard
       
 (IMG) Bild: School ’s out. Und was kommt danach?
       
       von Imre Balzer
       
       BERLIN taz | Und nach der Schule? Studieren, was denn sonst! Das denken
       jedes Jahr viele AbiturientInnen. In den vergangenen zehn Jahren ist die
       Zahl der Studienberechtigten um mehr als die Hälfte gestiegen. Und auch die
       Zahl der Studierenden nimmt jährlich zu: Im Wintersemester 2014/2015 waren
       rund 2,7 Millionen StudentInnen in Deutschland immatrikuliert.
       
       Doch ist ein Studium immer die beste Wahl? Die teils hohen Abbrecherquoten
       im Bachelorstudium sprechen jedenfalls dafür, dass sich nicht alle
       SchülerInnen ausreichend Gedanken über ihre Zukunft gemacht haben. Wie
       steht es um die Berufsvorbereitung an den Gymnasien? Und gibt es da auch
       noch was jenseits des Hochschulstudiums?
       
       Es könnte besser laufen. Das ist jedenfalls das Ergebnis einer Studie im
       Auftrag der Vodafone Stiftung vom vergangenen November. Nur gut die Hälfte
       der SchülerInnen fühlte sich demzufolge ausreichend über ihre beruflichen
       Möglichkeiten informiert. Interessant ist aber auch, dass sich
       GymnasiastInnen eher besser informiert fühlen als SchülerInnen an anderen
       Oberschulformen.
       
       Da Bildung Ländersache ist, entscheidet jedes Bundesland selbst, wie es
       seine AbiturientInnen auf die Zeit nach der Schule vorbereitet. Es gibt
       zwar eine Rahmenvereinbarung der Kultusministerkonferenz aus dem Jahre
       2004, welche die Kooperation zwischen den Ländern und der Bundesagentur für
       Arbeit (BA) regelt. Der Schwerpunkt für die Sekundarstufe II liegt hier
       aber immer noch auf Studienmöglichkeiten.
       
       ## Das Gymnasium kooperiert mit dem Entsorgungsunternehmen
       
       Veränderung könnte da die „Allianz für Aus- und Weiterbildung“ bringen, die
       Bundesregierung, Spitzenverbände der Wirtschaft, Gewerkschaften, Länder und
       die Bundesagentur für Arbeit im Dezember 2014 unterzeichneten. Hier findet
       sich unter anderem die Forderung, dass die duale Ausbildung künftig stärker
       als Perspektive auch an Gymnasien vermittelt werden soll.
       
       Solche Vereinbarung stecken aber nur den Rahmen ab. Wie die Länder das
       konkret umsetzen, ist Sache der Landesregierungen und viel stärker noch der
       KooperationspartnerInnen und Schulen vor Ort.
       
       Eine Schule, wo das ziemlich gut klappt, ist das
       Hildegard-Wegscheider-Gymnasium in Berlin. Schüler können sich durch
       Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit beraten lassen, Fachmessen und
       Hochschulen besuchen, und es gibt Berufsabende, auf denen Eltern ihren
       Werdegang berichten.
       
       Neben diesen klassischen Aktionen wird im Unterricht viel Wert auf
       projektbezogenes Arbeiten gelegt. Dann müssen SchülerInnen Themen
       bearbeiten und Zeitplan und Technik individuell ausgestalten.
       „Selbstständig an eigenen Ideen arbeiten zu können, ist enorm wichtig auch
       für den beruflichen Werdegang“, sagt Kirsten Flockert. Die Deutsch- und
       Geschichtslehrerin ist als Beauftragte extra für die Studien- und
       Berufsvorbereitung der SchülerInnen zuständig. Ihr ist vor allem wichtig,
       dass sich die Fachbereiche an der Schule stärker vernetzen und darüber
       austauschen, welche Projekte sie anbieten. Außerdem müsste der Bezug zum
       späteren Berufsleben noch besser kommuniziert werden. „Dann können wir in
       der Oberstufe auch gezielter an bestimmte Dinge anknüpfen.“
       
       Zusätzlich hat die Schule verschiedene Kooperationspartner, wie die
       Recyclingfirma Alba, die an der Schule über Ausbildungs- und
       Studienmöglichkeiten informiert. Dennoch: „Die meisten Schüler wollen schon
       studieren, da sind wir ein klassisches Gymnasium“, meint Flockert. Werben
       für eine Ausbildung sei eher fehl am Platz.
       
       ## Handwerk: Schulen sollten „ergebnisoffen“ informieren
       
       Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) wünscht sich demgegenüber
       mehr Engagement. Die duale Ausbildung sollte an Gymnasien noch stärker als
       Perspektive vermittelt werden. „Gymnasien sind zu oft noch einseitig auf
       ein Studium ausgerichtet und bieten ihren Schülern keine ergebnisoffene
       Berufs- und Studienorientierung an“, teilt der Verband mit. Vielen
       GymnasiallehrerInnen seien die zahlreichen Karrieremöglichkeiten in der
       beruflichen Aus- und Weiterbildung etwa gar nicht bekannt. Entsprechend
       schwer falle dann natürlich auch die umfangreiche Information bei der
       Berufsvorbereitung Zudem wünscht sich der ZDH bundesweite Standards.
       „Während es für die verschiedenen Schulformen vonseiten der
       Kultusministerkonferenz bundesweit geltende Bildungsstandards für einzelne
       Fächer gibt, liegt die Berufsorientierung vollständig in den Händen der
       Länder.“
       
       Auch Heinz-Peter Meidinger ist sich der Bedeutung der Berufsorientierung an
       den Gymnasien bewusst. Meidinger ist Vorsitzender des Deutschen
       Philologenverbandes und seit 13 Jahren Schulleiter eines bayerischen
       Gymnasiums. „Da tut sich eine ganze Menge“, sagt er mit Blick auf die
       Berufsorientierung in den verschiedenen Bundesländern. So gebe es etwa an
       vielen Oberstufen Module zur Berufs- und Studienorientierung. Auch würden
       SchülerInnen dazu angehalten, ein Portfolio zur Dokumentation ihrer
       Studien- und Berufsrecherchen zu führen. Und auch die
       Berufsorientierungsveranstaltung, die zusammen mit der BA durchgeführt
       würden, seien an vielen Schulen längst Standard, sagt er.
       
       Ähnlich wie der Handwerksverband sieht Meidinger jedoch das Problem, dass
       kaum ein/eine LehrerIn mehr das komplette Berufsangebot durchschaue; zu
       vielfältig und komplex sei dies heute. „Da haben sogar die Mitarbeiter der
       Bundesagentur für Arbeit manchmal ihre Schwierigkeiten.“
       
       ## Philologenverband: Keine neuen Pflichtveranstaltungen schaffen
       
       Mehr verbindliche Standards, wie sie der Zentralverband des Handwerks
       fordert, helfen hingegen nur wenig, meint Meidinger. „Ich glaube das
       Problem sind nicht die fehlenden Standards. Die Schule ist der Ort, an dem
       Interessen erkannt und gefördert werden können. Da sollte sich jeder Lehrer
       verantwortlich fühlen, auch außerhalb eines Berufsvorbereitungsmoduls.“
       Standards schafften nur neue Pflichtveranstaltungen, die dann oft nur
       abgehakt würden.
       
       Dass der tatsächliche Einfluss der Schule auf die Berufswahl der
       SchülerInnen gar nicht so groß ist, darüber macht sich Meidinger keine
       Illusionen. Er verweist auf die Studie der Vodafone Stiftung. Nach dieser
       landete die LehrerIn nur auf Platz sieben der Informationsquellen über
       berufliche Möglichkeiten. Viel wichtiger sind Freunde, Bekannte und Eltern.
       „Das ist weniger ein Informationsproblem, als ein Problem in den Köpfe“,
       sagt Meidinger. Schließlich sei in vielen Eltern noch der implizite Wunsch
       vorhanden, ihre Kinder sollten studieren. Die Studie belegt das, denn die
       Pläne der Schüler in Bezug auf Studium oder Ausbildung stimmen
       grundsätzlich mit den Vorstellungen der Eltern überein.
       
       Dagegen helfen etwa die Berufsorientierungsabende, meint Meidinger. Die
       Eltern seien hier oft dabei und könnten sich über die vielfältigen
       Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten einer Ausbildung vertraut
       machen. Über eins ist sich Meidinger aber auch im Klaren: „Wir können nur
       informieren, machen müssen die Schüler dann schon selbst.“
       
       1 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Imre Balzer
       
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