# taz.de -- Experte zur Kunstrasen-Debatte: „Ich habe dafür kein Verständnis“
       
       > Rainer Ernst war einst Chef des Rasenkompetenzteams der WM 2006. Nun
       > lässt er keinen guten Halm an der Entscheidung des Weltverbandes Fifa.
       
 (IMG) Bild: In Kanada wird auf Kunstrasen gekickt
       
       taz: Herr Ernst, mehr als 50 Nationalspielerinnen haben im Vorfeld der WM
       öffentlich gegen den Kunstrasen protestiert. Konnten Sie den Unmut der
       Spielerinnen verstehen? 
       
       Rainer Ernst: Absolut. In Kanada wächst bestimmter Rasen hervorragend. Ich
       habe überhaupt kein Verständnis gehabt, als ich von der Entscheidung der
       Fifa gelesen habe, Kunststoffrasen einzusetzen.
       
       DFB-Torhüterin Nadine Angerer hat sich beschwert, der Belag bei der WM sei
       hart und staubtrocken. Die Fifa spricht von einem Kunstrasen höchster
       Qualität. Welchen Eindruck haben Sie? 
       
       Soweit ich weiß, ist der Kunststoffrasenbelag gut. Die Krux ist der
       Untergrund. Kunststoffrasen braucht eine elastische Tragschicht. Da werden
       30 bis 35 Millimeter Gummigranulat verwendet. Das sorgt dafür, dass die
       Spielerinnen bei Sprüngen weich fallen. Wenn dort Fehler gemacht werden,
       sind die Flächen hart. Vielleicht wird er auch zu wenig gewässert und ist
       deswegen sehr trocken. Wenn es warm ist, verdunstet das Wasser auch sehr
       schnell. Im Gegensatz zu Naturrasen speichert der Kunstrasen das Wasser
       nicht.
       
       Könnten bei der Entscheidung für Kunstrasen auch die Kosten eine Rolle
       gespielt haben? 
       
       Die Fifa verdient mit der Zertifizierung von Kunststoffrasen Geld. Aber ich
       glaube nicht, dass das für die Entscheidung der Fifa ausschlaggebend war.
       Ich könnte mir eher vorstellen, die Fifa wollte durch diese Entscheidung
       den Kunststoffrasen weiter etablieren. Aber ich glaube, damit hat man sich
       keinen Gefallen getan.
       
       Wie wirkt sich der Kunstrasen auf das Spiel aus? 
       
       Das kommt auf den jeweiligen Kunstrasen an. Da hat die Fifa strenge
       Prüfkriterien. Auf einem gut hergestellten Kunstrasenplatz rollt der Ball
       ruhiger und schneller, weil nicht so schnell Unebenheiten entstehen wie
       beim Naturrasen. Die Bereitschaft zum Grätschen ist anders als auf
       Naturrasen. Der Kunststoffrasen hat eine zwei- bis zweieinhalb Zentimeter
       breite Quarzsandschicht, damit der Kunststoffrasen eben auf dem Untergrund
       liegen bleibt. Wenn man darüberrutscht, reißt man sich die Haut auf.
       
       Spielerinnen haben Bilder aufgeschürfter Beine im Internet gepostet.
       Verletzt man sich auf Kunstrasen schneller? 
       
       Untersuchungen zeigen keine großen Auffälligkeiten. Es kommt immer auf die
       Qualität des jeweiligen Platzes und die Verletzungsanfälligkeit des
       Spielers an. Diese Art von Hautabschürfungen habe ich schon lange nicht
       mehr gesehen, auch auf Kunststoffrasen nicht. Das hat mich etwas gewundert.
       Möglicherweise gehen die Mädels doch mehr zur Sache als eine normale
       Oberligamannschaft und es kommt dadurch doch zu Verletzungen.
       
       Eine andere Meinung zum Kunstrasen lautet, dass Abwehrspieler darauf nicht
       so schnell die Richtung ändern können wie auf Naturrasen. Sehen wir durch
       den Kunstrasen mehr Tore? 
       
       Das bezweifel ich. Es kommt auf das richtige Schuhwerk an. Mit langen
       Stollen verhakt man sich im Kunststoffrasen. Ideal sind deshalb
       Noppenschuhe, aber Abwehrspieler halten sich nicht immer daran, weil sie
       einen festen Stand haben wollen.
       
       DFB-Trainerin Silvia Neid hat sich beschwert, dass sich über dem Kunstrasen
       die Hitze staut. Ist es anstrengender, auf Kunstrasen zu spielen? 
       
       Mit Sicherheit. Kunstrasenplätze erwärmen sich schneller, und es entstehen
       Temperaturen bis zu 55 Grad.
       
       Erwarten Sie, dass die Fifa den Kunstrasen in Zukunft auch bei anderen
       Turnieren einsetzt? 
       
       Ich glaube, es wird für die Fifa schwierig, den Kunstrasen durchzusetzen.
       Ich hoffe, dass sie in sich geht und aus den Fehlern lernt, dass man solche
       Turniere einfach nicht auf Kunststoffrasen austrägt.
       
       12 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ronny Müller
       
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