# taz.de -- Polizeikessel rechtens: Lieber erst mal einsperren
       
       > Bei einer Demo nahm die Polizei massenhaft Leute präventiv in Gewahrsam.
       > Für das Oberverwaltungsgericht ist das okay so.
       
 (IMG) Bild: Spontandemo am Abend des 13. Dezember 2008 in Bremen.
       
       BREMEN taz | Massenhafte Ingewahrsamnahmen von DemonstrantInnen können auch
       dann rechtmäßig sein, wenn Menschen über Stunden eingesperrt werden, ohne
       dass ein Richter darüber entscheidet. Das hat das Oberverwaltungsgericht
       (OVG) Bremen gestern entschieden und damit ein ähnliches Urteil des
       Verwaltungsgerichts bestätigt.
       
       Im konkreten Fall ging es um eine [1][Anti-Repressions-Demonstration in der
       Bremer Innenstadt] vor sieben Jahren, genauer gesagt, am 13. Dezember 2008.
       Die Demo war damals verboten worden, weil laut Polizei „mit an Sicherheit
       grenzender Wahrscheinlichkeit“ mit einem „unfriedlichen Verlauf“ zu rechnen
       sei. Das Verbot hatte seinerzeit auch vor dem Oberverwaltungsgericht noch
       Bestand. Um dagegen zu protestieren, fanden sich etwa 300 DemonstrantInnen
       in der Innenstadt ein, rund 170 von ihnen wurden von der Polizei
       stundenlang eingekesselt und schließlich in Gewahrsam genommen. Bis 23 Uhr
       mussten sie in mitunter überfüllten Sammelzellen ausharren, ehe sie
       schließlich freigelassen wurden. Die Polizei hatte nämlich die Befürchtung,
       dass sie am Nachmittag im Viertel nochmals würden demonstrieren gehen - und
       wollte das verhindern. Juristen nennen das „Unterbindungsgewahrsam“. Der
       ist nur zulässig, wenn er „unerlässlich“ ist, um einen Rechtsbruch „von
       erheblichem Gewicht“ zu verhindern.
       
       Die später Eingesperrten wollten sich [2][solidarisch zu drei angeklagten
       Antifas] zeigen, denen die Mitgliedschaft in der „militanten gruppe“
       vorgeworfen wurde. In anderen Städten wurden Demos zugelassen - in Bremen
       nicht. Bereits kurz zuvor war es zu einer ähnlichen Massen-Ingewahrsamnahme
       gekommen: Dabei wurden über 230 Fußballfans präventiv eingesperrt.
       
       Rechtsanwalt Jan Sürig, der zwei der Betroffenen vor dem OVG vertrat, hat
       nach eigenen Angaben „massenhaft“ Anträge auf sofortige Freilassung der
       Eingesperrten gestellt. Die seien aber alle „ignoriert“ worden. Zudem habe
       die Polizei „nicht einen der Betroffenen“ dem Gericht vorgeführt. Dabei
       hätte sie genau das tun müssen - und zwar „unverzüglich“, sagt Sürig: So
       regele es der [3][Richtervorbehalt im Grundgesetz]: „Über die Zulässigkeit
       und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu
       entscheiden.“ Das Amtsgericht hat aber erst spätabends überhaupt einen
       Beschluss gefasst, ohne dabei auf einzelne, seit dem Nachmittag
       eingesperrte Demonstranten namentlich Bezug zu nehmen. Ob der auch schon
       was über die Rechtmäßigkeit sagt, ist umstritten. Aus Sürigs Sicht handelte
       die Polizei „rechtswidrig“. Das OVG sieht das anders - und liefert die
       Erklärung in der schriftlichen Urteilsbegründung nach.
       
       Sürig wirft der Bremer Justiz unterdessen „Betriebsblindheit“ vor und
       spricht im konkreten Fall von einem „juristischen Desaster“. Die mündliche
       Gerichtsverhandlung über das Demonstrationsverbot sei damals
       „ausschließlich polizeiöffentlich“ gewesen, sagt Sürig, in
       „paramilitärischer Art“ und mit „einer dreisten Lüge“ durchgezogen worden -
       um das Versammlungsverbot „durchzupeitschen“, wie Sürig das nennt. Einen
       solchen „Abgrund“ habe er in der Bremer Justiz „noch nie erlebt“.
       
       9 Jun 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://de.indymedia.org/2010/02/273010.shtml
 (DIR) [2] http://antirep1312.blogsport.de/
 (DIR) [3] http://dejure.org/gesetze/GG/104.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Zier
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Versammlungsrecht
 (DIR) Bremen
 (DIR) Polizei
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA