# taz.de -- Der Papst in Bosnien und Herzegowina: Franziskus will eine Kultur des Dialogs
       
       > Bei seinem eintägigen Besuch in dem dreigeteilten Land tritt Papst
       > Franziskus für Frieden und ein religiöses Miteinander ein.
       
 (IMG) Bild: Franzikus begrüßt die Besucher in einem Jugendzentrum in Sarajevo
       
       SARAJEVO taz | Das Leben in Sarajevo hat sich am Sonntag wieder
       normalisiert. Die Tausenden von Polizisten, die jedes Haus entlang der
       Strecke, die Papst Franziskus bei seinem eintägigen Besuch fuhr, unter die
       Lupe genommen hatten, sind verschwunden. Auch die Zigtausenden von
       Menschen, die nicht nur der Messe im Kosovo-Stadion beiwohnten, sondern
       entlang dieser Route dem Besucher zujubelten, sind abgereist.
       
       Geblieben ist die Erleichterung, dass die von den Sicherheitskräften
       befürchteten Zwischenfälle ausgeblieben sind. Stattdessen macht sich die
       Erkenntnis breit, dass ein Kirchenführer die Stimmung einer Stadt zum
       Positiven hin wenden kann.
       
       So empfindet es Adnan Mehmedhodzic. Der bullige Metzgermeister ist ein
       Bosniak, also ein Muslim. Jetzt schwärmt er vom Papst und dessen Rede im
       Stadion. Franziskus hatte dort erklärt, er freue sich, „in dieser Stadt zu
       sein, die wegen der blutigen Konflikte im letzten Jahrhundert viel gelitten
       hat und die wieder ein Ort des Dialoges und des friedvollen Miteinanders
       ist. Sarajevo hat sich wieder zu einer Kultur der Begegnung entwickelt.“
       
       Auch der Menschenrechtler und bekannte Intellektuelle Srdjan Dizdarevic ist
       vom Besuch begeistert.“Der Papst trat für die multireligiöse Gesellschaft
       Bosniens ein und kritisierte alle, die weiterhin Haß säen, nicht nur in
       Bosnien, sondern in der ganzen Welt.“ Er schätzt dessen Charisma, die
       Kritik an den heimischen Politikern, die guten Gefühle und das Verständnis,
       das Franziskus den Menschen der Stadt und des Landes entgegenbringt.
       
       ## Kritik an nationalistischen Führern
       
       Nach der Ankunft auf dem Flughafen setzte der Papst ein erstes Zeichen, er
       stieg nicht in eine für bosnische Politiker übliche Luxuslimousine, sondern
       in einen bescheidenen Ford Escord. Seinen Begriff von Sarajevo als dem
       „Jerusalem Europas“, den er in seiner ersten Rede vor den drei Mitgliedern
       des bosnischen Staatspräsidiums gebrauchte, war auch eine Antwort auf den
       Präsidenten der serbischen Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina, Milorad
       Dodik, der Sarajevo gerne als „bosnisches Teheran“ abqualifiziert.
       
       Auch andere Politiker dürften dem Papst nicht gefallen haben. Das
       kroatische (katholische) Mitglied im Staatspräsidium, der in Mostar lebende
       Dragan Covic, gebärdete sich, als sei der Papst wegen ihm persönlich
       gekommen. Dabei hatte Franziskus von vornherein ausgeschlossen, in die
       Kroatenhochburg Westmostar und die Westherzegowina zu fahren.
       
       Während die zentralbosnische Kirche und vor allem der Franziskanerorden
       Sarajevos seit jeher für Toleranz und Zusammenleben eintreten, halten die
       katholische Kirche und die kroatischen Politiker in Mostar an
       kroatisch-nationalistischen Positionen fest und wollen die Gräben zwischen
       den Volksgruppen vertiefen.
       
       Undiplomatisch direkt wurde Franziskus gegenüber Covic nicht, doch viele
       Katholiken verstanden die Botschaft seiner Reiseplanung. Die Politiker
       müssten die „ersten Diener ihrer Gemeinschaften sein und die Grundrechte
       des Menschen wahren“, forderte Franziskus an alle Politiker gewandt. Mehr
       noch: Der gemeinsame Staat Bosnien und Herzegowina sei ein integraler
       Bestandteil Europas.
       
       ## Ablehnung der Homoehe
       
       Herzstück der Versöhnung ist in den Augen des Papstes der ökomenische
       Dialog. Er kritisierte den religiösen Fanatismus in allen Teilen der Welt:
       Es gebe eine „Art Dritter Weltkrieg“, der sich da anbahne. Einige Menschen
       suchten den Zusammenstoß verschiedener Kulturen. Und manche schürten
       Kriege, weil sie am Waffenhandel verdienten.
       
       Krieg bedeute zerstörte Häuser, zerbrochene Leben. „Ihr hier in Sarajevo
       kennt das zu gut, weil Ihr es hier erlebt habt.“ Gerade von Sarajevo aus
       sollte eine Botschaft der Verständigung der Religionen ausgehen und der
       Dialog zwischen den Religionen intensiv geführt werden.
       
       Theorie ist das eine, die Praxis das andere. Seit 1997 treffen sich der
       katholische Kardinal, der orthodoxe Erzbischof, der Reis-l-Ulema der
       Muslime und der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde regelmässig zu
       Konsultationen. Die Resultate dieses Dialogs fallen bisher jedoch recht
       kärglich aus. Die vier Herren hätten lediglich bei der Wiedereinführung des
       Religionsunterrichts und bei der Ablehnung der Homoehe gemeinsame
       Standpunkte erarbeitet, frotzelt eine bosnischer Journalist. Der Papst
       forderte deshalb die Kirchenfürsten auf, den Dialog zu verbreitern und vor
       allem die Jugend und die Zivilgesellschaft zu beteiligen.
       
       7 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erich Rathfelder
       
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