# taz.de -- Evangelischer Kirchentag in Stuttgart: „Wer klug isch, versteht des“
       
       > Singen, Beten, „mir spielet jetzt ein Potpourri aus‘m Ländle“: Eindrücke
       > vom „Abend der Begegnung“ auf dem überfüllten Schlossplatz.
       
 (IMG) Bild: „KER10“ hat ein Junge auf ein Schild geschrieben.
       
       Stuttgart taz | Kurz nach 20 Uhr: Auf dem Weg zum Schlossplatz versperrt
       ein mittelalterlicher Hochzeitstanz den Weg. Die Menschen stauen sich. Der
       Platz füllt sich. Auf der Bühne versucht eine christliche Rockband die
       Menge zum Tanzen zu bringen – mehrmals, aber noch vergeblich.
       
       Weiter hinten auf dem Platz lauschen die Leute einem Gospel-Chor der „New
       York Vocals“ und der „SWR Big Band“. Mittendrin trinken zwei Jugendliche
       Bier aus großen Stiefelgläsern. Immer wieder ziehen Menschen mit
       Stuttgart-21-Plakaten vorbei.
       
       Vor dem „Haus der katholischen Kirche“ demonstriert ein Mann gegen das
       Zusammenspiel von Kirche und Militär. Er will gegen den Militärbischof
       mobilisieren. Daneben verteilt ein anderer seine selbstverfassten
       Reformationsthesen. Vorbeilaufende Kirchentagsbesucher winken angewidert
       ab. Die richtige Partyvorbereitung aber läuft hinter dem Schlossplatz. Eine
       Gruppe Jugendlicher macht Laune. Es gibt Gin und Wodka, dazu Schlagermusik
       aus dem Blaster. Andere haben sich einen Vorrat an Dosenbier zugelegt. Ab
       zehn gibt es in Baden-Württemberg keinen Alkohol mehr zu kaufen.
       
       Auf einem Wagen ist die Pappmascheefigur eines gebieterischen strengen
       Gottes aufgebaut, der das 11. Gebot verkündet. „Du sollst deinen Kirchentag
       selbst bezahlen“, kann man auf der stilisierten Steintafel lesen. Der junge
       Mann, der neben der Figur steht, erklärt den Beistehenden, worum es ihm
       geht. Er will auf die Verflechtung von Staat und Kirche aufmerksam machen.
       Als eine Frau sagt: „Aber das ist unsere Geschichte“, entgegnet er: „Das
       Schöne an Geschichte ist ja, dass sie vergangen ist.“ Im Vorbeilaufen
       kommentieren andere seine Aktion mit „Pfui“.
       
       ## Maultaschen und Bratwurst
       
       Vegetarismus? Nachhaltigkeit? Die Menschen bedienen sich an Essensständen -
       mit Maultaschen und Bratwurst. Eine Gruppe in Trachten gekleideter Mädchen
       führt inmitten der Essensschlangen einen Tanz auf. Etwas weiter weint ein
       Mädchen. Sie erklärt ihrem Vater, sie sei bestohlen worden. Sie habe den
       Täter noch verfolgt, danach sind ihm drei Polizisten hinterher.
       
       „Möchten Sie eine Kerze?“ Überall verteilen Jugendliche weiße dünne Kerzen
       für das zum Abendgottesdienst geplante Kerzenmeer. „KER10“ hat ein Junge
       auf ein Schild geschrieben. „Wer klug isch, versteht des“, sagt eine Frau.
       Kirchentagsmotto ist: „Damit wir klug werden“.
       
       Um 22 Uhr ist der „Klang des Südens“ zu hören. „Mir spielet jetzt gleich
       ein Potpourri aus‘m Ländle“ verkündet die Leiterin. Ein riesiger Chor mit
       Orchester singt ein Medley aus traditionellen schwäbischen und christlichen
       Lieder.
       
       ## Beim „Halleluja“ stimmen alle ein
       
       Der Platz ist nun vollständig gefüllt, 250.000 Menschen sollen da sein. Das
       Publikum ist entweder unter siebzehn oder über vierzig Jahre alt. „Ich lobe
       meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt“, singen die Chöre auf den drei
       Bühnen. Spätestens beim „Halleluja“ des Refrains stimmt der ganze
       Schlossplatz mit ein.
       
       Als das Medley zu Ende ist, schauen die Menschen in die Kerzen und tuscheln
       vor Begeisterung. Ein Trommelwirbel leitet den Gottesdienst ein. Chor und
       Menge singen den Psalm des Kirchentages. Jeder soll ihn in seinem eigenen
       Tempo und selbstbestimmt vortragen. „Wir beten den Psalm murmelnd“, sagt
       der Pfarrer.
       
       Die ersten Jugendlichen beginnen mit den Kerzen zu spielen. Das Handy einer
       älteren Dame klingelt. Ein Jugendlicher ruft: „Ah, ein Handy. Das geht ja
       gar nicht.“ Die Leute drehen sich um. Bald verlassen sie leise vor sich hin
       singend den Platz.
       
       4 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Schmaltz
       
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