# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Polen: Kopf-an-Kopf-Rennen
       
       > Der zweite Durchgang wird noch einmal spannend. Amtsinhaber Bronislaw
       > Komorowski und sein Widersacher Andrzej Duda liegen gleichauf.
       
 (IMG) Bild: Buhlen um Stimmen beim TV-Duell am vergangenen Donnerstag: Bronislaw Komorowski (l.) und Andrzej Duda.
       
       WARSCHAU taz | Ungewohnt barsch knallt Pani Basia, die Kioskverkäuferin in
       Warschau-Mokotow, die Zeitungen auf die Lade: „Wahlen! Ich kann es nicht
       mehr sehen. Jeden Tag die immer gleichen Gesichter auf der Titelseite!
       Komorowski, Duda, Komorowski.“
       
       Eine junge Frau legt 3,30 Zloty (ca. 80 Cent) in die Geldschale, nimmt sich
       eine Gazeta Wyborcza und sagt: „In fünf Jahren gewinnt sicher Kukiz die
       Präsidentenwahl! Ein neues Gesicht!“
       
       Ein alter Professor und Stammkunde des Kiosks, legt ihr die Hand auf den
       Arm und sagt beschwörend: „Mädchen! Sag das nicht! Das wäre unser
       Untergang. Ein Rocker als Präsident Polens!“ Sie lacht sarkastisch: „Was
       soll's. Hier gibt es eh keine Arbeit für uns Jungen. Ein Rentnerstaat –
       dieses Polen. In fünf Jahren bin ich längst in Irland.“
       
       Am Sonntag entscheiden die Polen in einer Stichwahl, ob der bisherige
       Präsident Bronislaw Komorowski von der liberalen Bürgerplattform (PO)
       weitere fünf Jahre im Amt bleiben soll oder der bislang unbekannte Jurist
       Andrzej Duda von der rechtsnationalen Oppositionspartei Recht und
       Gerechtigkeit (PiS) Komorowskis Nachfolger wird.
       
       ## Wahlbeteiligung unter 50 Prozent
       
       Nach einem eher schleppenden Wahlkampfauftakt ist inzwischen das ganze Land
       politisiert. Denn die erste Runde verlor Komorowski völlig überraschend
       gegen Duda – zwar nur mit 33,77 zu 34,76 Prozent der Stimmen, aber auch der
       politisch unerfahrene Rocksänger Pawel Kukiz hatte aus dem Stand 20 Prozent
       der Stimmen eingeheimst. Zusammen stimmten also über 50 Prozent aller
       Wähler gegen Komorowski. Die Masse der wahlberechtigten Polen war am 10.
       Mai zu Hause geblieben. Abgestimmt hatten gerade mal 48,9 Prozent aller
       Wahlberechtigten.
       
       „Ich wähle Duda“, bekennt ein Taxifahrer freimütig, klimpert mit dem
       Kleingeld in der Hosentasche und deutet auf Zigaretten und ein
       Boulevardblatt. „Komorowski soll sich einen neuen Job suchen. Da sieht er
       dann, wie es ist, mit 50plus auf der Straße zu stehen. Da will einen keiner
       mehr. Taxifahrer kann er dann noch werden“, lacht er bitter. „Das sind doch
       alles Betrüger, diese Politiker. Die sollen dahin gehen, wo der Pfeffer
       wächst. Am besten nach Israel. Da gehören die alle hin.“
       
       Pani Basia blafft ihn an: „Sie entschuldigen sich. Sofort! Was kann Israel
       dafür, dass wir hier so ein Politikergesocks haben? Ich habe eine Tante
       dort. Die haben da ganz andere Probleme als wir hier in Polen.“ Der
       Taxifahrer schnaubt nur: „Ich weiß, was ich weiß“, wirft das Geld auf die
       Lade und stapft zum Auto. Als er sich umdreht, schreit sie ihm nach: „Duda
       ist keinen Deut besser! Kaczynski, Macierewicz, Ziobro – alles die gleiche
       Sippschaft! Das hatten wir schon mal!“
       
       ## Duda mit 48 Prozent in Führung
       
       Nur mit Mühe beruhigt sich die knapp Sechzigjährige mit den schlohweißen
       Haaren: „Die meisten meiner Kunden gehen gar nicht zur Wahl. Wozu denn
       auch? Unser Präsident hat doch nichts zu sagen. Und diese verlogenen
       Wahlversprechen! Nee!“ Sie hievt einen Packen Illustrierte auf die Lade.
       Bei der ersten Runde Anfang Mai sei sie auch zu Hause geblieben. Von fünf
       Uhr morgens bis acht Uhr abends sitze sie im Kiosk. „Und immer wenn gerade
       kein Kunde da ist oder ich die Ware sortieren muss, lese ich. Tagein,
       tagaus, alle Zeitungen!“ Sie reißt die Verpackung auf und verteilt die
       Hefte auf Ständer. „Und da kommt jetzt so ein hergelaufener Typ an, der
       keine Ahnung von nichts hat und will für Duda stimmen!“
       
       Sie stützt beide Hände auf die Lade und reckt den Kopf aus dem kleinen
       Kioskfenster. Dann sagt sie leise und betont dabei jedes Wort: „Wissen Sie
       was? Ich gehe am Sonntag auch zur Wahl. Das wollen wir doch mal sehen!“
       
       Nach einer Umfrage liegt Duda mit 48 Prozent in Führung vor Komorowski, den
       44 Prozent wählen wollen. In einer am Freitag veröffentlichten Umfrage
       eines anderen Meinungsforschers führt Komorowski hingegen mit 45 Prozent
       vor Duda, der auf 43 Prozent hoffen könne. Doch den Umfragen glaubt niemand
       mehr. Auch Pani Basia zieht ihren Kopf ein und schüttelt die Haare: „Na ja,
       sagen wir so: Wenn es nicht regnet, gehe ich. Sonst eher doch nicht!“
       
       23 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriele Lesser
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Polen
 (DIR) Präsidentschaftswahl
 (DIR) Bronislaw Komorowski
 (DIR) Andrzej Duda
 (DIR) Polen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Wahlkampf in Polen: So viele Frauen waren es noch nie
       
       Fast alle Parteien treten bei der Parlamentswahl im Oktober mit einer
       Spitzenkandidatin an. Premier könnte wohl wieder eine Frau werden.