# taz.de -- Lobbyisten: "Fangen Sie nicht an zu rauchen"
       
       > Er ist oberster Tabaklobbyist und raucht nicht. Und ist "damit
       > glücklich". Warum Titus Wouda Kuipers es trotzdem schafft, Zigaretten
       > unter die Leute zu bringen
       
 (IMG) Bild: Glücklicher Raucher
       
       taz: Herr Wouda Kuipers, wie verkauft man eine Zigarette? 
       
       Titus Wouda Kuipers: Mit einem guten Mix. Preis, Qualität, Image,
       Verpackung. Beim Tabak fängt es an. Der leicht süßliche Orient-Tabak rundet
       den aromatischen Virginia ab. Am Ende schmecken wir mit Burley ab, so wie
       Sie beim Kochen am Schluss Pfeffer und Salz nehmen.
       
       Und äußerlich? 
       
       Wichtig ist der Filter. Bei den meisten Marken in Deutschland ist er
       korkfarben. Aber zu unserer Davidoff passt der elegante weiße. Die
       Beschaffenheit des Filters spielt natürlich auch in den Geschmack rein: wie
       dicht er ist und ob er von außen noch zusätzlich Luft reinlässt. Dann die
       Schachtel: Hat sie ein extravagantes Format? Hat sie einen Deckel oder ist
       sie weich und wird aufgerissen wie unsere P & S.
       
       Was war entscheidend bei der ersten Schachtel, die Sie sich gekauft haben? 
       
       Ich habe noch nie eine gekauft.
       
       Weil Sie schon früh für die Tabakindustrie gearbeitet haben und die Fluppen
       gratis waren? 
       
       Ich habe nie geraucht. Bis heute. Ab und an mal eine Zigarre, aber keine
       Zigaretten, nie.
       
       Sie sind in Holland aufgewachsen. Was haben die holländischen
       Zigarettenverkäufer falsch gemacht? 
       
       Nichts. Es ist dort wie in Deutschland. 30 Prozent der Leute rauchen und 70
       Prozent nicht. Ich gehöre eben zu den 70 Prozent und bin damit glücklich.
       
       Mit Mitte zwanzig sind Sie mit einem Musterkoffer durch die Niederlande
       gefahren und haben den Läden Zigaretten verkauft. Haben Ihre Kunden sich
       gewundert, dass Sie gar nicht rauchen? 
       
       Das war kein Problem. Ein Pampers-Verkäufer muss auch nicht unbedingt
       selbst Babys haben. Ob das Produkt zum Verkäufer passt, ist nicht so
       wichtig. Es muss zum Kunden passen. Besonders bei Zigaretten muss sich der
       Konsument mit der Marke identifizieren, er muss mit ihrem Image
       einverstanden sein. Er hat die Zigarettenschachtel ja immer dabei. Im Büro
       liegt sie neben dem Computer und im Café neben dem Espresso.
       
       Heute sind Sie Deutschlandchef von Reemtsman. Wer raucht Ihre Hauptmarke
       West? 
       
       Wer trinkt Coca-Cola? West ist nach Marlboro die zweiterfolgreichste Marke
       in Deutschland, sie deckt sehr viele Altersgruppen und Teile der
       Gesellschaft ab.
       
       Und Davidoff? 
       
       Der Davidoff-Konsument ist urban, gebildet und verdient gut. Er kauft
       Premiummarken und würde nie eine Aldi-Zigarette in die Tasche seines
       Markenanzugs stecken. Unsere P & S zum Beispiel ist ein Szeneprodukt,
       kunstaffin, linksliberal.
       
       Was würden Sie mir empfehlen? 
       
       Da Sie nicht rauchen, empfehle ich Ihnen auch nicht damit anzufangen.
       
       Ganz schön schwierig, ein Produkt zu verkaufen, das tötet, oder? 
       
       Wir verkaufen ein umstrittenes Produkt. Zigaretten tragen gesundheitliche
       Risiken in sich. Genau deshalb gibt es auch gesetzliche Rahmenbedingungen,
       an die wir uns halten. Und wenn ich Menschen auf der Straße sehe oder im
       Restaurant, die mein Produkt genießen, dann bin ich stolz.
       
       Über die Krankheiten, die durchs Rauchen entstehen, wurde in Deutschland
       noch nie so viel gesprochen wie in den vergangenen Monaten. Sagen Ihre
       Freunde nicht: Hej, Titus, was treibt Ihr da eigentlich? 
       
       Das Thema wird angesprochen, klar. Wenn ich noch in der Automobilbranche
       arbeiten würde, müsste ich ja auch über den Klimawandel reden. Ich sage
       dann: Das Produkt ist völlig legal, und ich will da eine sachliche
       Diskussion haben. Nicht nur eine emotionale. Von 82 Millionen Leuten in
       Deutschland rauchen 22 Millionen. Die werden jetzt diskriminiert und vor
       die Tür geschickt.
       
       Jetzt mal ehrlich: Sie nervt die Debatte schon. 
       
       Eigentlich gar nicht. Ich finde das eine gute Diskussion. Meine Meinung
       ist: Wer erwachsen ist, kennt die Risiken und kann selbst entscheiden. Wir
       sagen aber auch ganz klar: Wir wollen nicht, dass Kinder und Jugendliche
       rauchen.
       
       Wenn Sie das ernsthaft wollten, würden Sie sich das eigene Geschäft kaputt
       machen. Studien zeigen, dass nach dem zwanzigsten Lebensjahr die
       Wahrscheinlichkeit sinkt, dass jemand mit dem Rauchen anfängt. Ihnen bliebe
       nur ein sehr kurzer Zeitkorridor nach dem 18. Geburtstag. 
       
       Der 30-Prozent-Anteil von erwachsenen Rauchern in Deutschland ist nahezu
       stabil. Es wird immer so sein, dass Leute rauchen.
       
       Aber die heutigen Konsumenten kommen aus einer Zeit, wo es viel weniger
       Verbote gab. 
       
       Die Raucherquote ist auf die 30 Prozent zurückgegangen, das ist schon
       richtig. Aber das hängt auch damit zusammen, dass immer mehr ältere
       Menschen in Deutschland leben - und die rauchen im Verhältnis weniger.
       
       Sie denken, dass die Menschen später noch einsteigen? 
       
       Ja. Aber wenn jemand einsteigt, dann muss er eine bewusste Entscheidung
       treffen.
       
       Sind Sie auch stolz, wenn Ihre eigenen Kinder die Schachtel neben die Cola
       legen? 
       
       Sie sind unter zehn Jahren, da ist das noch nicht so eine Frage. Aber ich
       werde ihnen genau erklären, was die Risiken von Zigaretten sind, schon
       bevor sie auf den Gedanken kommen, es auszuprobieren. Ich will nicht, dass
       sie vor dem 18. Geburtstag rauchen. Danach können sie selber entscheiden.
       
       Ein Heidelberger Chefarzt zeigt Jugendlichen bei Aufklärungsvorträgen
       Röntgenbilder von Lungenkrebspatienten. Was halten Sie von dieser Methode? 
       
       Es ist fraglich, ob das funktioniert. In Kanada und anderen Ländern, wo mit
       abschreckenden Bildern auf Zigarettenschachteln vor Gesundheitsgefahren
       gewarnt wird, haben Kinder angefangen die Bilder zu sammeln. Ich weiß auch
       nicht, ob das im Verhältnis zu den Risiken unseres Produktes steht.
       
       Die Bilder sind doch eine klare Information: Rauchst Du, kann Deine Lunge
       hinterher so aussehen. 
       
       So eine Maßnahme dämonisiert das Produkt und die Raucher. Glaubwürdige
       Information ist sachlich.
       
       Haben Sie schon einmal jemanden getroffen, der Lungenkrebs hat? 
       
       Nein. Aber ich denke darüber nach. Man kann da nicht total rücksichtlos
       sagen: So ist es halt. Man muss das ausbalancieren. Am Schluss komme ich
       immer zu dem Punkt: Das Produkt ist legal und die Leute wissen über die
       Risiken Bescheid.
       
       Denken Sie nicht manchmal: Wäre ich nur bei den Autos geblieben? Bei
       Porsche oder Nissan, wo Sie auch schon gearbeitet haben. 
       
       Dort kann man die gleiche Frage stellen. Bei einem der Unternehmen war ich
       selber in der Nähe, als bei einer Veranstaltung ein Autounfall geschah und
       Menschen ums Leben kamen. Da habe ich auch lange über das Produkt
       nachgedacht.
       
       Jetzt sind die Rauchverbote im ICE und im Taxi beschlossen und bald auch
       die Verbote im Restaurant. Haben Sie Angst? 
       
       Um Restaurants und Kneipen mache ich mir Sorgen. Ich habe aber keine Angst,
       dass der Tabakverkauf einbricht. Es gibt viele Länder, in denen der Konsum
       nach Verboten erst zurück gegangen ist und sich nach kurzer Zeit wieder
       stabilisiert hat. Die Raucher finden ihren Weg. Sie feiern zu Hause oder
       gehen raus. Das ist eine Sache von Wochen oder Monaten. Dann kommt der
       Tabak zurück.
       
       Warum haben Sie dann gegen die Rauchverbote gekämpft? 
       
       Weil ich es bedaure, dass 22 Millionen Menschen vor die Tür geschickt
       werden. Das finde ich nicht fair.
       
       Der letzte Kampf ums Rauchen hat den Verband der Cigarettenindustrie VDC
       ziemlich geschwächt, den Sie seit kurzem leiten. Würden Sie da zustimmen? 
       
       Nein, ich sehe das nicht. Wir sind in die Öffentlichkeit gegangen, wir
       haben Journalisten und Politiker angesprochen und dazu sind wir
       verpflichtet. Wir vertreten nicht nur die Industrie, sondern auch unsere
       Konsumenten: 22 Millionen Menschen. Man kann das Ergebnis der Debatte nur
       bedauern. Aber geschwächt sind wir nicht.
       
       Nein? Im März ist Niedersachsens Ministerpräsident Wulff in der "Bild am
       Sonntag" geprügelt worden wegen ein paar tausend Euro, mit denen der VDC
       ein Regierungsfest gesponsert hat. Wer nimmt jetzt noch Ihr Geld? 
       
       Ganze 2.500 Euro waren das. Das ist das Absurde an der Diskussion um unsere
       Arbeit. Wenn man nicht die Meinungen des Deutschen Krebsforschungszentrums
       vertritt, wird man gleich diskreditiert. Dabei betreibt das
       Krebsforschungszentrum doch auch Lobbyismus.
       
       Jetzt fühlen Sie sich bitte nicht ungerecht behandelt. 
       
       Ich werde niemals akzeptieren, dass wir unsere Position nicht vertreten
       dürfen. In einer Demokratie muss die Politik unabhängig sein. Und wir
       nehmen uns das Recht zu informieren. Wir zahlen kein Geld an Politiker.
       Warum sollen wir denn nicht in Parteizeitungen über Anzeigen unsere
       Position klar machen? Warum sollen wir nicht bei Veranstaltungen anwesend
       sein und wie jede Firma und jeder Verband mal ein Fest sponsern?
       
       Vielleicht, weil dem VDC das Geld ausgeht. Gerade hat sich der Marktführer
       Philip Morris aus dem Verband verabschiedet. Wie sehr schwächt Sie das? 
       
       Von Schwächung kann man nicht reden. Wir vertreten immer noch die Mehrheit
       der Zigarettenindustrie und bleiben damit der Ansprechpartner für Politik,
       Behörden und Öffentlichkeit.
       
       Wie erklären Sie sich, dass die Marlboro-Hersteller ausgestiegen sind? 
       
       Ich kann als VDC-Vorsitzender nur sagen, dass ich das bedaure. Wir haben
       eine Menge zusammen erreicht.
       
       Und als Reemtsma-Chef? 
       
       Für mein Unternehmen kann ich sagen, dass dahinter reine
       Geschäftsinteressen stecken und keine guten gesundheitspolitischen
       Vorsätze. Philip Morris hätte gerne, dass Zigaretten und Feinschnitttabak
       gleich besteuert werden, weil sie bei Feinschnitt nicht so erfolgreich
       sind. Doch wenn der Tabak zum Selberdrehen teurer würde, würden viele
       Kunden zu Schmuggelware wechseln. Das nimmt Philip Morris einfach in Kauf.
       Sie hätten auch gerne, dass es noch mehr Werbeverbote gibt, damit ihre
       Marktführerschaft zementiert wird. Wir wollen aber weiter wachsen und dazu
       brauchen wir die Werbung.
       
       Noch einmal: Im Etat des VDC fehlen künftig die Beiträge von Philip Morris.
       Wie überlebt der Verband? 
       
       Diese Situation müssen wir uns in Zukunft anschauen. Die wichtigste
       Herausforderung ist: Die Politiker und Journalisten, die nicht der Meinung
       sind, dass Raucher vor die Tür gehören, müssen ernst genommen werden, und
       dürfen nicht als gekauft oder unseriös abgestempelt werden.
       
       Angenommen, das klappt nicht. Wird das Rauchen in Deutschland einmal ganz
       verboten werden? 
       
       Nein. Die Menschen werden den Tabak genießen. Immer.
       
       12 Jun 2007
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Georg Löwisch
       
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