# taz.de -- Debatte: Ende des Kuscheldialogs
       
       > Die Privilegien der Kirchen müssten weg, war kürzlich hier zu lesen. Das
       > ist nicht die Lösung: Der Islam muss sich ändern, um gleiche Rechte zu
       > bekommen. Eine Gegenrede
       
       Eine herrliche Zeit ist das für Religionskritiker. Von religiös motivierten
       Terroristen abgesehen, laden schon weniger radikale Fälle zu Kritik ein:
       Protestanten streiten sich mit Muslimen, der Papst wagt sich mit seinem
       Buch über Jesus ins Kreuzfeuer des Feuilletons, Atheisten der
       angelsächsischen Welt propagieren die Vorteile eines gottlosen Himmels -
       und schon sind sie wieder da, die einfachen Urteile über den gefährlichen
       Islam, die machtsüchtigen Kirchen und den Unsinn von Religion an sich.
       
       Jüngstes Beispiel: Ein geplanter Moscheebau in Köln, der seltsamerweise
       deutschlandweit für Aufregung sorgt. Nun muss man die hiesigen Volkskirchen
       nicht in ihrer derzeitigen Strategie gegenüber dem Islam verteidigen, denn
       ihr Vorgehen ist nicht immer stringent. Doch zu unterstellen - wie Daniel
       Bax dies an dieser Stelle tat (taz vom 22. Juni) -, der Grund für den
       raueren Ton der christlichen Kirchen in ihrem Dialog mit den muslimischen
       Verbänden sei eigentlich die Angst der Volkskirchen vor ihrem eigenen
       Machtverlust im Staat und im öffentlichen Diskurs - diese Deutung greift
       viel zu kurz.
       
       Es ist richtig, die Zeit des Kuscheldialogs mit dem Islam ist spätestens
       mit dem Beginn der Ära Wolfgang Huber an der Spitze des deutschen
       Protestantismus vorbei. Huber benennt mit Schärfe die Knackpunkte der
       interreligiösen Diskussion und Kooperation mit den Muslimen in Deutschland.
       Diese Ehrlichkeit und Klarheit ist die Grundlage dafür, dass es überhaupt
       einen Fortschritt in den Beziehungen zueinander geben kann.
       
       Diesem Ziel dient auch die umstrittene Handreichung der Evangelischen
       Kirche Deutschlands zum Dialog mit dem Islam in der Bundesrepublik. Um es
       überspitzt zu sagen: Der Aufschrei der Muslime wäre nicht so groß, wenn
       dieses Papier nicht sehr viel Wahres über die Politik ihrer Verbände sagen
       würde. Kürzlich war der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in
       Deutschland, Axel Ayyub Köhler, auf dem Kirchentag in Köln zu erleben. Wer
       seine ausweichenden Antworten zur Verfassungstreue der hiesigen Muslime
       hörte, der sehnte sich nach der Klarheit, mit der die Volkskirchen dem
       organisierten Islam in Deutschland derzeit begegnen.
       
       Dass ausgerechnet die Kirchen so vehement wie kaum eine andere Gruppe in
       der Gesellschaft das Grundgesetz, etwa die Gleichberechtigung von Frauen,
       Freiheit auch von Religion oder einfach nur Sportunterricht für Mädchen,
       verteidigen, spricht nicht gegen sie. Es spricht gegen die, die meinen,
       dass man diese Probleme einfach mit viel Toleranz, genauer:
       Gleichgültigkeit, lösen könnte. Wenn die Kirchen die Verteidigung dieser
       Werte vornehmen, sollte ihr Engagement nicht billig mit der Unterstellung
       diskreditiert werden, sie täten es nur aus Eigeninteresse. Es ist ihr Feld
       und ihre Aufgabe, sich in gesellschaftliche Fragen einzumischen. Die
       Kirchen besinnen sich dabei auf ihre Identität. Was ist daran schlecht?
       
       So ist es auch keineswegs ein Kurswechsel, wie Daniel Bax meint, dass Papst
       Benedikt XVI. seine Katholiken zur Mission auffordert. Solche Appelle gab
       und gibt es schon immer, sie wiederholen sich so regelmäßig wie Weihnachten
       und Ostern. Ein härterer Kampf zwischen den Religionen ist daraus nicht zu
       lesen, im Gegenteil. Die Kirchen fungieren derzeit eher als Bündnisgenossen
       der gemäßigten Muslime, etwa wenn sie einen staatlichen Islamunterricht
       fordern, wenn sie sich vehement gegen Ehrenmorde oder Zwangsehen
       aussprechen.
       
       Die Kirchen verschließen sich einer Gleichberechtigung der Muslime nicht.
       Das wäre nicht nur unchristlich, sondern auch dumm. Sie fordern nur, dass
       die muslimischen Verbände dann auch die Standards - etwa in Bezug auf Treue
       zu Grundgesetz und Demokratie - einhalten, denen die Kirchen selbst seit
       Jahrzehnten genügen (müssen). Das ist sicherlich keine leicht zu erfüllende
       Anforderung. Auch die Kirchen, vor allem die katholische, mussten da erst
       durch einen Lernprozess gehen, der Jahrzehnte dauerte.
       
       Die Kirchen, gerade was ihre Binnenstruktur angeht, sind sicher keine
       leuchtenden Vorbilder für Demokratie und Freiheit. Sie halten sich jedoch
       mittlerweile an die wichtigsten Spielregeln dieser Gesellschaft - und
       stützen sie zugleich aus Überzeugung. Traurig sähe dieses Land aus, gäbe es
       nicht das vielfältige Engagement der Volkskirchen und einfacher Christen.
       Dass die Kirchen als große zivilgesellschaftliche Gemeinschaften mit immer
       noch mehr als 55 Millionen Mitgliedern auch Einfluss in der Gesellschaft
       erhalten, ist da nur recht und billig.
       
       Auch die etwa 3,3 Millionen Muslime sollten gemäß ihrer Anzahl in
       Institutionen wie dem Rundfunkrat Geltung erlangen. Doch dazu müssten sie
       sich erst einmal so institutionalisieren und reformieren, dass dies auch
       praktisch möglich ist. Bei aller Schwierigkeit, die dies bei dieser nicht
       hierarchisch aufgebauten und in verschiedene Glaubensrichtungen
       zerklüfteten Religion bedeutet - diese Arbeit der internen Übereinkunft und
       ideologisch-theologischen Klärung kann den Muslimen niemand abnehmen. Die
       Deutsche Islam-Konferenz ist dazu ein erster Schritt, auch wenn es noch
       lange dauern wird, bis sie für fast alle Muslime sprechen kann. An diesen
       Problemen der Muslime tragen die Kirchen keine Schuld, insofern sollte
       ihnen auch nicht vorgeworfen werden, es gehe ihnen "vor allem um ihre
       Privilegien und ihre Vormachtstellung", wie Daniel Bax es tut.
       
       Jede Christin, jeder Christ kann problemlos beschließen, keine
       Kirchensteuern mehr zu zahlen. Ein Austritt aus der Kirche und eine Abkehr
       vom Glauben ist ganz leicht, anders als bei Muslimen übrigens. Die werden
       von manchen irren Glaubensbrüdern bedroht, die den Koran allzu wörtlich
       auslegen, wenn sie sich von ihrer Religion abwenden. Deshalb verkennt der
       Satz von Daniel Bax "Schließlich sollten auch Ex-Christen das Recht auf
       Freiheit von Religion haben" die Lage. Es gibt diese Freiheit längst,
       zumindest auf christlicher Seite. Und das, auch wenn Staat und Religion
       nicht so strikt getrennt sind wie etwa in Frankreich oder den USA.
       
       Schließlich das Problem Religionsunterricht: Man kann lange darüber
       streiten, ob er grundgesetzlich vorgesehen sein muss. Aber auch hier gilt:
       Ein Austritt aus dem Religionsunterricht steht allen Kindern und
       Jugendlichen frei, sie können jederzeit auch den Ethikunterricht besuchen.
       Von einem Zwang kann also keine Rede sein.
       
       Hier übrigens können die Muslime in Deutschland von den Kirchen lernen: Der
       christliche und jüdische Religionsunterricht ist deshalb seit Jahrzehnten
       so anerkannt und wird freiwillig immer noch gewählt, weil er auf Deutsch,
       transparent für alle und staatlich überwacht angeboten wird. Hoffentlich
       gibt es bald auch einen solchen islamischen Religionsunterricht. Die
       Kirchen werden sich ihm mit Sicherheit nicht entgegenstellen. Denn dann
       können und müssen Muslime wie Christen und Juden darin Grundwerte
       vermitteln, ohne die dieser Staat nicht überleben kann.
       
       PHILIPP GESSLER
       
       2 Jul 2007
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Philipp Gessler
       
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 (DIR) Debatte: Türkische Karrieren
       
       Aus dem Streit über den Kölner Moscheebau ist eine Grundsatzdebatte über
       den Islam geworden. Die Religion definiert den Menschen, jeder Muslim gilt
       als Verfassungsfeind.