# taz.de -- Filmfestspiele Venedig: Wie auf dem Jahrmarkt
       
       > Spaghetti-Western, tätowierte Körper und Rummel-Atmosphäre. Die
       > Filmfestspiele Venedig starten und ihr Leiter erklärt: "Wir machen uns
       > die Hände schmutzig".
       
 (IMG) Bild: Künstliches Loch in der Wand, Markuslöwe -alles da!
       
       Bevor es beginnt, ist jedes der großen Filmfestivals eine Wundertüte. So
       viele Versprechen auf neue, aufregende Filme stecken im Programm. Das gilt
       in besonderem Maße für die Mostra Internazionale dArte Cinematografica, die
       in diesem Jahr ihren 75. Geburtstag feiert. Seit Marco Müller sie leitet,
       beruft sie sich auf die Herkunft des Kinos aus Rummel und Jahrmarkt. Dem
       vergnügungshungrigen Gemüt bietet sie viele Attraktionen: Spaghetti-Western
       in der Retrospektive, Spektakel aus Fernost (etwa Takashi Miikes "Sukiyaki
       Western Django"), dazu eine Mitternachtsschiene, die Horror aus
       katalanischer Produktion ("REC" von Jaume Balagueró und Paco Plaza) oder
       den Final Cut von Ridley Scotts "Blade Runner" zeigt.
       
       Der Animationsfilmkünstler Tim Burton erhält einen Goldenen Löwen für sein
       Lebenswerk, und wer im Vorfeld der Eröffnung über das Gelände rund um den
       Palazzo del Cinema streift, glaubt sich ohnehin auf dem Rummel. Während in
       Cannes das Festivalgebäude als eine abweisende, geschlossene Einheit
       aufragt, werden am Lido Stände, Zelte und Buden errichtet. An der Côte
       dAzur herrscht die Autorität des Autorenfilms, hier die fröhliche
       Konfrontation von High und Low. Denn zum Rummel der Mostra gehört es, dass
       sich minoritäre Positionen selbstverständlich behaupten - Essayfilme wie
       "Staub" von Hartmut Bitomsky, experimentell arbeitende Regisseure wie der
       Katalane Pere Portabella, neue Bild- und Tonassemblagen von Alexander Kluge
       oder das 540-minütige Opus "Death in the Land of Encantos" des
       philippinischen Filmemachers Lav Diaz (siehe Interview Seite 15). 
       
       Ein Schreiner stellt derweil seinen mit elaborierten Tätowierungen
       verzierten Oberkörper aus, ein Kran befördert einen goldenen Markuslöwen
       durch die Luft, bis er ihn auf einem der mächtigen, weiß verschalten
       Sicherheitsportale abstellt. Ein halbes Dutzend weiterer Markuslöwen
       versteckt sich hinter einem Treppenabsatz im Palazzo del Casinò. Wie
       Karussellpferdchen, die entweder noch auf ihren Einsatz warten oder schon
       nicht mehr gebraucht werden. Bisher staffelten sich die Löwen - einer pro
       Festivaljahrgang und -sieger - entlang des roten Teppichs. Nun klafft hier
       ein stattliches Loch in der Wand. Darin hängt eine dunkelgraue Kugel,
       drumherum liegen die Trümmer, die der Anprall dieser Kugel hinterlassen
       hat. Aber all das ist nur Schein, Kulisse und Inszenierung, die Kugel ist
       nicht aus Stahl, die Wand nicht aus Steinen, sondern aus weißer Folie, und
       die Trümmer werden extra herbeigeschafft worden sein. Ob das schon der
       Endzustand des von dem Produktionsdesigner Dante Ferretti entworfenen,
       neuen Festivallooks ist?
       
       Die künstlich versehrte Wand passt in jedem Fall zu dem leicht
       delirierenden Text, den Marco Müller für den Katalog verfasst hat. Die
       Widersprüche der "kinematographischen und audiovisuellen Produktion",
       schreibt der Festivaldirektor, dessen Vertrag in diesem Jahr ausläuft,
       wolle man in ihrer Tiefe erkunden. "So kommt es zu einer Explosion auf
       tausend Ebenen." Und weiter: "In der Offenheit unserer Gesellschaft ist
       keine Strategie möglich, nur Taktiken. Es war deshalb nötig, uns die Hände
       so richtig schmutzig zu machen."
       
       29 Aug 2007
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Cristina Nord
       
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