# taz.de -- Zeitung der Zukunft: Global News
       
       > Angst vor Katjuschas? Schon mal Koks in Nudeln gefunden? Oder der "Grey
       > Lady" begegnet? Eine Reise durch die Blätterwelt.
       
 (IMG) Bild: Nur die südafrikanische Boulevardpresse übertrifft die Geschmacklosigkeit der Sun.
       
       Südafrika
       
       Kokain in Nudeln: Wer die britische Boulevardpresse schon für geschmacklos
       hält, sollte lieber nicht nach Südafrika ziehen. Sex & Crime, vor allem
       Crime lautet das Erfolgsrezept der Daily Sun, die ihr britisches
       Murdoch-Vorbild mit Geschichten aus dem realen Leben problemlos übertrifft.
       Schlagzeilen wie "Mädchen, die Löffel pissen" oder Geschichten über einen
       Hai, der nur Weiße frisst - in einem Land, das an Hexerei glaubt, ist alles
       möglich -, passen nur auf den ersten Blick nicht zum deklarierten
       Marktsegment der neuen schwarzen Mittelklasse Südafrikas. Es gibt
       inzwischen Schwesterzeitungen auf Afrikaans und Zulu. Sogar in Nigeria, dem
       bevölkerungsreichsten Land Afrikas, hat die Daily Sun inzwischen einen
       Ableger gleichen Namens gefunden. "Dealer versteckte Kokain in Nudeln"
       lautete da kürzlich eine typische Schlagzeile. Aber meist ist das
       nigerianische Gegenstück seriöser, denn in Nigeria lesen nur Intellektuelle
       Zeitung, anders als in Südafrika.
       
       Kenia
       
       Das Panafrika-Konzept: In manchen Dingen ist die afrikanische Integration
       der europäischen voraus, so auch auf dem Pressemarkt. Der kenianische
       Zeitungskonzern Nation Media Group, der auch mit südafrikanischem Kapital
       operiert, hat sich aus Kenia heraus nach ganz Ostafrika ausgeweitet; ihm
       gehört Ugandas einzige unabhängige Tageszeitung, Monitor, sowie die
       panafrikanische Wochenzeitung East African, die in Kenia, Uganda, Tansania
       und in geringerem Maße auch in Ruanda und Burundi vertrieben wird und
       Nachrichten aus allen Ländern gleichermaßen bringt. "Afrikanische Medien
       für Afrika" lautet das Konzernmotto, und das Rezept funktioniert: Im 1.
       Halbjahr 2007 stieg der Umsatz gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um
       16 Prozent.
       
       Ruanda
       
       Nach dem Völkermord: In einem Land, wo Hetzmedien einen Völkermord
       vorbereiten halfen, ist Pressefreiheit ein heikles Thema. Die einzige
       Tageszeitung Ruandas, die New Times, gehört faktisch der Regierungspartei
       und bringt nur offiziell gebilligte Nachrichten. Dabei ist Kritik an
       einzelnen Regierungshandlungen im Falle Ruandas eher häufiger als in vielen
       anderen Ländern, aber immer wieder gehen Journalisten ins Exil, weil sie
       die undefinierten und oft wechselnden Grenzen zwischen erlaubter und
       unzulässiger Kritik überschreiten. Unabhängige Wochenzeitungen überleben
       selten lange. Aber gerade weil in Ruanda Hetzmedien vor 1994 einen
       Völkermord vorbereiten halfen, hegen die meisten Ruander heute sowieso eine
       gesunde Skepsis gegenüber allem, was sie aus ihren Medien erfahren.
       
       Kongo
       
       1-Mann-Gerüchteküchen: Die Demokratische Republik Kongo zählt Dutzende
       Minizeitungen, von denen viele eher Printversionen von Blogs ähneln -
       Gerüchteküchen im Einmannbetrieb. Eine unabhängige Medienbehörde, die die
       Einhaltung professioneller Mindeststandards überwachen soll, wurde kurz vor
       Kongos ersten freien Wahlen 2006 von oppositionellen Demonstranten
       niedergebrannt und führt seitdem nur noch ein Schattendasein. Ein Gehalt
       bekommen Journalisten nur bei wenigen Presseorganen. Bezahlt werden sie
       meist von den Objekten ihrer Berichterstattung, weshalb trotz des desolaten
       Zustands des Landes viel mehr positive als negative Berichte in den
       Zeitungen stehen. Professionelle Medienarbeit, wie beispielsweise in der
       führenden Tageszeitung Le Potentiel, ist selten und gefährlich, wie
       regelmäßig vorkommende Morde an prominenten Journalisten zeigen.
       
       USA
       
       Saddams Steinschleudern: Keine Zeitung bot mehr Exklusivgeschichten. Ende
       August wurde sie zum letzten Mal gedruckt. Weekly World News ist tot. Jenes
       Blatt aus Boca Raton, Florida, das zuerst wusste, dass Saddam Hussein keine
       Massenvernichtungswaffen besaß, sondern nur "gigantische Steinschleudern"
       und "Kampfsaurier". WWN vermeldete die Entdeckung eines Menschenstamms in
       Ameisengröße oder die Lage der Hölle 14 Meilen unterhalb Sibiriens. Die
       Berichterstattung über Elvis Leben nach dem getürkten Tod war lückenlos.
       Nie fehlten Hintergrundinformationen. Wer war gleich noch mal dieser Percy
       Lowe, der jetzt meldete, dass der Mars aus Milchschokolade besteht? Ach
       genau, jener Astronom, der die Irischen Schäferhunde auf Pluto entdeckte.
       Trotz all der Enthüllungen sank die Auflage. Es bleibt
       [1][www.weeklyworldnews.com].
       
       Schlanke graue Dame: Sie wird manchmal immer noch "Grey Lady" genannt,
       obwohl sie 1997 das erste Farbfoto druckte. Nun hat sie auch noch ihre
       Figur geändert: Seit August wird die New York Times in einem schlankeren,
       gängigeren Format gedruckt. So müssen Anzeigen nicht extra auf Times-Format
       gebracht werden und Papierkosten spart es auch. Was jetzt nicht in die
       Zeitung passt, rutscht ins Internet. Dort wurde kürzlich beschlossen, das
       kostenpflichtige Angebot Times Select abzuschaffen. Kolumnen sind dort
       bisher nur gegen Geld zu lesen. Die Los Angeles Times hatte schon vorher
       eingesehen, dass diese Strategie ihre Leser der Gratiskonkurrenz in die
       Arme treibt.
       
       Dicke Platzhirsche: Sonntags ist der Des Moines Register fast so dick wie
       ein städtisches Telefonbuch und wird unter 3 Millionen Einwohnern
       233.000-mal verteilt. "Die Zeitung, auf die Iowa angewiesen ist", tönt sie
       im Untertitel. Sie berichtet wenig über Irak und noch weniger vom Rest der
       Welt, dafür viel Lokales und sehr viel Regionales, sie ist voll von
       Werbung, ohne örtliche Konkurrenz und typisch für eine Fülle baugleicher
       und in der Regel hochprofitabler Regionalzeitungen.
       
       Argentinien
       
       Krawattenfarben: Was ein Politiker anzieht, ist in Argentinien wichtiger
       als die Politik, die zu machen er vorgibt. Politikern glaubt dortzulande
       ohnehin niemand. "Que se vayan todos!" - Alle sollen verschwinden -, der
       Schlachtruf in der Krise von 2001 klingt nach. Privates, das die Leser
       vielleicht noch interessieren würde, hält jedoch beispielsweise die
       Präsidentenfamilie erfolgreich aus den Zeitungen heraus: Interviews geben
       die Kirchners nicht, Pressekonferenzen finden bei ihnen nicht statt. Im
       September 2005 brachte das renommierte Nachrichtenmagazin Noticias in
       seiner Jubiläumsausgabe mit großem Foto den "geheimnisvollen Sohn des
       Präsidenten" auf die Titelseite. Der Presse-Knieschuss des Jahres: Der
       Abgebildete sah Präsident Néstor Kirchner nur ähnlich, war aber nicht Sohn
       Máximo.
       
       Brasilien
       
       Bonzenblätter: Vier große Konzerne beherrschen über 80 Prozent der
       brasilianischen Printmedien. Deren Leserschaft gehört fast ausschließlich
       der schmalen, aber kaufkräftigen weißen Mittelschicht an. Kein Wunder, dass
       in sämtlichen Tageszeitungen Interessen einer Minderheit die
       Berichterstattung prägen. Korruptionsskandale werden äußerst selektiv
       präsentiert. Lifestyle- und Konsumthemen interessieren die lesende
       Minderheit mehr als die Nöte ihrer ärmeren, dunkelhäutigen Landsleute. Ein
       Muss hingegen ist die tägliche Seite mit Klatsch, Tratsch und vor allem
       Fotos aus dem Mikrokosmos der örtlichen Schickeria. Die Wirtschaftspolitik
       von Präsident Lula mag noch so konservativ sein - für die Folha de São
       Paulo bleibt er ein ungehobelter Emporkömmling. Seine Verachtung für den
       Exgewerkschafter versprüht das Leib-und-Magen-Blatt des urbanen
       Bildungsbürgertums vorzugsweise indirekt, in Fotos und Überschriften.
       
       Australien
       
       80-Prozent-König: Rupert Murdoch, der amerikanische Medienunternehmer
       australischer Abstammung, dominiert den Zeitungsmarkt seiner Heimat. Rund
       80 Prozent der Zeitungen sind in seiner Hand - und das merkt man. Sogar The
       Australian, die einzige landesweit vertriebene sogenannte Qualitätszeitung,
       geht immer mehr in Richtung Gossenberichterstattung.
       
       Nix links: Eine rechte Regierung - elf Jahre unter Premier John Howard -
       und Murdochs Dominanz in den Medien haben andere Stimmen verstummen lassen.
       Die einzige Zeitung, die noch halbwegs als progressiv oder gar links
       bezeichnet werden könnte, ist The Age in Melbourne. Doch auch dort soll
       jetzt ein neuer Chef nach dem Rechten sehen.
       
       Dumm und dümmer: Die mit Abstand meistgelesenen Zeitungen Australiens sind
       The Daily Telegraph in Sydney und Sun Herald in Melbourne. Themen wie Paris
       Hiltons neue Frisur, menschenfressende Krokodile und Berichte über die
       "globale Klimalüge" dominieren, untermalt von den Kommentaren einer Gruppe
       neokonservativer Neurotiker. Beide Postillen werden - man ahnts - von
       Rupert Murdoch herausgegeben.
       
       China
       
       Wandzeitung: Vor den Tafeln unter den Hochbrücken der sechsspurigen
       Magistralen lässt sich einiges miteinander verbinden. Lektüre und die
       anschließende morgendliche Übung mit dem privaten Tai-Chi-Kreis, ein
       Spaziergang mit dem zwitschernden Vogel im Käfig oder ein schneller Termin
       beim Friseur, der seine Dienste auf einem Klappstuhl anbietet. Die
       Wandzeitung ist immer noch begehrtes Informationsmittel, vor allem für Alte
       und Arme, wie man etwa in Peking überall beobachten kann.
       
       Vom Papier ins Netz: Im Land, in dem das Papier erfunden wurde, machen sich
       die kommunistischen Verleger langsam Sorgen um ihre Kunden. Zwar lesen zwei
       Drittel der 1,3 Milliarden Chinesen regelmäßig eine Tageszeitung, aber
       darunter sind immer weniger Männer, junge Menschen, Gebildete und
       Einkommensschwache. Schuld ist vor allem das Internet: Jeder Zehnte surft
       bereits im Netz. Und 34 Millionen Internettagebücher zählt die staatliche
       Zensur. Das ist weltweit spitze. Blogs sind in China ein geschätztes
       Informationsmedium. Ihren Wildwuchs zu durchforsten fällt den Kontrolleuren
       noch immer schwer, obwohl laut amnesty international täglich mehr als
       30.000 Polizisten das Internet überwachen.
       
       Keine Zeit für Zeitungen: Vor drei Jahren kaufte sich jeder Chinese
       durchschnittlich 1,2 Zeitungen pro Tag, heute sind es nur noch 0,96. Auch
       weil die Zeit zum Lesen knapper wird. Nahmen sich städtische Bewohner 2004
       noch 43 Minuten pro Tag zum Studieren der Zeitung, waren es 2006 nach
       Angaben des chinesischen Fachblatts Chinas Zeitungswesen nur noch 38,2
       Minuten. Das sind immerhin noch 10 Minuten mehr als bei den Deutschen. Die
       legen die Zeitung nach durchschnittlich 28 Minuten weg.
       
       Usbekistan
       
       Die Wahrheit des Ostens: Den Machern von Prawda Wostok ist die ganze
       moderne Mediendiskussion egal. Die usbekische Regierungspostille, auf
       Deutsch "Wahrheit des Ostens", ist seit ihrer Gründung in Sowjetzeiten auf
       ellenlange Verlautbarungen spezialisiert. Wurden früher die Beschlüsse des
       ZK gefeiert und die Baumwollernten gelobt, so wird heute der usbekische
       Präsident Islam Karimows gepriesen und die Baumwollernte gelobt. Jedoch hat
       die Prawda Wostok nur wenige Leser, die Auflage beträgt kaum 2.000
       Exemplare. Auch in der schlimmsten Diktatur kann man die Menschen nicht zum
       Kauf einer Zeitung zwingen. Konkurrenz gibt es kaum, Karimow lässt erst gar
       keine unabhängigen Zeitungen zu. Und so wird es ewig weitergehen, denn so
       lange gedenkt der usbekische Herrscher zu regieren.
       
       Israel
       
       Mehrzeitungsleser: Viele Israelis abonnieren mehr als eine Zeitung und
       kaufen vor allem an den Wochenenden noch eine dritte am Kiosk. Die mit
       Abstand größte ist Yediot Achronot, ein mit großen, farbig unterlegten
       Überschriften aufgemachtes Blatt. Mit seinen politischen Analysen und
       Boulevardnachrichten erreicht es 44 Prozent des Lesermarkts. Nach einem
       Zeitungssterben in den 80er- und 90er-Jahren teilen sich vor allem vier
       nationale, weltliche und auf Hebräisch erscheinende Blätter den Markt.
       
       Älteste Chefredakteurin der Welt: Am 14. August starb Alice Schwarz-Gardos
       mit 91 Jahren. Seit 1975 hatte sie die deutschsprachigen Israel Nachrichten
       geleitet. Sie war die älteste Chefredakteurin der Welt. Die Zeitung wird
       weiter gedruckt. Neben den Israel Nachrichten werden noch ein großes
       englisches Blatt, vier russischsprachige Blätter sowie je eine in Jiddisch,
       Ungarisch und Polnisch erscheinende Tageszeitung herausgegeben.
       
       Iran
       
       Schlangestehen: Nicht selten bilden sich im Iran abends Schlangen vor den
       Zeitungskiosken, weil die Leute die frisch erschienen Zeitungen kaufen
       wollen. Auf belebten Straßen rufen Zeitungsverkäufer sensationelle
       Schlagzeilen aus. Im Iran gibt es Millionen, die sich für Sport,
       insbesondere für Fußball, interessieren. Noch größer ist jedoch das
       Interesse an politischen Blättern. Im islamischen Gottesstaat steht nahezu
       alles, was das Leben der Menschen ausmacht, öffentlich oder privat, im
       direkten Zusammenhang mit politischen Entscheidungen.
       
       150 Zeitungsverbote: Seit April 2001 sind im Iran rund 150 kritische
       Zeitungen und Zeitschriften verboten worden. Allerdings sind einige davon
       immer wieder unter neuem Namen erschienen - um nach einiger Zeit erneut
       verboten zu werden. Wird eine Zeitung verboten, werden sämtliche
       Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeitslos. Jene Journalisten, die nicht
       bei anderen Zeitungen unterkommen, müssen ihren Beruf aufgeben. Das zwingt
       viele Redakteure zur Selbstzensur. Trotzdem nützen progressive Journalisten
       jede Lücke in der Zensur.
       
       Irak
       
       Katjuscha-Raketen: In der Redaktion der Zeitung al-Mada in Bagdad sind
       schon mehrere der Geschosse eingeschlagen, nachdem sie kritisch über al
       Qaida berichtet hatte. Chefredakteur Fahri Karim entkam zwei Mordversuchen.
       Al-Mada und al-Zaman sind die beiden einzigen Zeitungen im Irak, die sich
       unabhängig nennen. Der Rest der insgesamt etwa 50 Zeitungen sind Partei-
       und Milizblätter. Aber auch al-Mada schreibt nichts offen Kritisches gegen
       die schiitischen Mahdi-Milizen - aus Angst, von deren Kämpfern Besuch zu
       bekommen. Allein im letzten Jahr kamen im Land 39 Journalisten ums Leben,
       knapp 90 Prozent davon Iraker.
       
       Seltsame Fronten: Die Fronten des Bürgerkrieges ziehen sich quer durch
       Iraks Zeitungslandschaft. Sunniten bevorzugen die Tageszeitung al-Zaman als
       Informationsquelle, ironischerweise ein einst in London erscheinendes
       Oppositionsblatt gegen den Sunniten Saddam Hussein. Heute ist al-Zaman
       Sammelbecken ehemaliger Bathisten und arabischer Nationalisten. Schiiten
       halten es dagegen mehr mit der regierungsnahen al-Sabah, in der auch die
       Anzeigen für die begehrten Beamtenjobs zu finden sind.
       
       Türkei
       
       Autohändler: Den Zeitungsmarkt dominiert Aydin Dogan, kein reiner
       Zeitungszar, sondern ein Großunternehmer. Er besitzt auch Tankstellen und
       Raffinerien und war ursprünglich mal Autohändler. Die Zeitungen, allen
       voran Hürriyet (Auflage: 400.000), spannt er immer wieder für sein
       wirtschaftlichen Interessen ein. In Dogans Firma haben sich sowohl Springer
       als auch die Deutsche Bank eingekauft.
       
       Russland
       
       Zeitung einer Ermordeten: Michail Gorbatschow ist einer ihrer Eigentümer,
       und in ihr veröffentlichte die 2006 erschossene Journalistin Anna
       Politkowskaja ihre Artikel über den Tschetschenienkrieg. Das russische
       Blatt Novaja Gazeta versucht, sich neue Leserschichten zu erschließen. Seit
       kurzem erscheinen im Internet ausgewählte Artikel auf Englisch. Die Novaja
       Gazeta, die mit einer Auflage von rund 180.000 Exemplaren dreimal in der
       Woche erscheint, ist eine der letzten noch verbliebenen kritischen Stimmen
       in Russland.
       
       Frankreich
       
       Die Waffenfabrikanten: Die Konzentration im französischen Mediensektor
       schreitet rasant voran. Die drei größten Printmedienverlage Frankreichs
       sind zugleich in artfremden Branchen aktiv: Lagardère (Rüstung und
       Raumfahrt) gibt unter anderem Elle, Paris Match und mehrere
       Regionalzeitungen heraus und ist an Le Parisien und Equipe beteiligt;
       Dassault (Rüstung) ist unter anderem Eigentümer des Figaro und zahlreicher
       Provinzzeitungen. Bouygues (Bauindustrie) gehört unter anderem die größte
       Gratiszeitung, Métro. Gemeinsam kontrollieren diese drei Konzerne die
       Mehrheit der Printmedien sowie des Zeitungsvertriebs inklusive der Kioske.
       Die Chefs der drei Konzerne stehen politisch auf der Seite von
       Staatspräsident Sarkozy.
       
       [2][www.rue89.com]: Der "partizipative Journalismus" zog in diesem Frühling
       ins französischsprachige Web ein. Vier Ehemalige der linksliberalen Zeitung
       Libération gründeten am 7. Mai die Seite "Rue89". Ihre Texte, Fotos und
       Filme stammen zum Teil aus journalistischer Arbeit, zum Teil als
       Lieferungen von ExpertInnen, zum Teil von InternautInnen. Die Seite bietet
       Informationen und Analysen - ohne Anspruch auf Nachrichtenvollständigkeit.
       Schon wenige Tage nach ihrer Gründung schaffte es "Rue 89" in die
       Schlagzeilen: Sie enthüllte, dass die Gattin des neuen Staatspräsidenten im
       zweiten Durchgang nicht gewählt und dass der Chefredakteur der
       Wochenzeitung Journal du Dimanche aus der sarkozyfreundlichen
       Lagardère-Gruppe im letzten Moment einen Artikel darüber gekippt hatte.
       Drei Monate später meldet "Rue89", dass sie 400.000-mal pro Monat angesurft
       wird.
       
       Spanien
       
       Fußball, Fußball, Fußball. Die führende Tageszeitung in Spanien heißt
       Marca. Die Sportgazette berichtet fast ausschließlich über Fußball. Montags
       bis samstags führt sie damit die Verkaufsstatistik an. Die
       durchschnittliche Auflage beträgt dann 440.000. Die größte allgemeine
       Tageszeitung, El País, hat zwar eine durchschnittliche Auflage von 566.000,
       doch die kommt nur dank der Wochenendausgabe zustande. Diese liegt Sonntag
       für Sonntag bei über einer Million. Eine beiligende Zeitschrift sowie
       Sammelbeilagen, von Kaffeetassen über Buch- und DVD-Reihen, ziehen Kunde
       an, die sonst nie eine Zeitung anfassen würden.
       
       Norwegen
       
       Streberleser: 624 Exemplare pro tausend Einwohner - die Norweger gehören zu
       den eifrigsten Zeitungslesern der Welt. Mit Geld aus einem staatlichen
       Pressefonds überleben auch kleine Zeitungen.
       
       "Klassekampen" gewinnt: Die selbstgemachte Konkurrenz durch kostenlose
       Onlineprodukte haben vor allem Norwegens Boulevardzeitungen mit einem
       Auflagenrückgang von fast 10 Prozent zu spüren bekommen. Dagegen legen
       Wirtschaftspresse und politisch-kulturelle Wochenmagazine zu, ebenso wie
       anspruchsvolle linke und christliche Tageszeitungen. Beispielsweise
       vermeldete Klassekampen im vergangenen Jahr mit einem Auflagenplus von 15
       Prozent die höchste Auflage seiner Geschichte.
       
       Kalte Fusion: Pläne für eine Verschmelzung der vier auflagenstärksten
       Regionalzeitungen scheiterten vor einigen Monaten am Einspruch der
       Wettbewerbsbehörde. Nun dürfte es eine Art kalte Fusion geben:
       Zusammenarbeit der Redaktionen und Anzeigenabteilungen.
       
       Dänemark
       
       48 zu 1: Der Verlag Berlinske zog sich aus dem ruinösen Kampf der
       Gratiszeitungen zurück, nachdem seine Dato für jede verdiente Million 48
       Millionen Euro Verlust eingefahren hatte. Berlinske gehört zu David
       Montgomerys Mecom, die in Deutschland die Berliner Zeitung gekauft hat. In
       Dänemark versuchen es zwei Verlage immer noch mit der Gratispresse: direkt
       verteilt an möglichst alle Haushalte. Der Gratiskampf hat den dänischen
       Markt in den letzten 12 Monaten ordentlich durcheinandergeschüttelt.
       Boulevard- und Abozeitungen haben im Schnitt 8 Prozent Auflage verloren.
       
       Großbritannien
       
       Formatschrumpfung: Früher ließ sich der Unterschied zwischen
       Boulevardzeitungen (tabloids) und Qualitätsblättern (broadsheets) am
       Zeitungsformat festmachen. Inzwischen sind jedoch The Times und The
       Independent auf das halb so große Tabloid-Format umgestiegen, der Guardian
       wechselte auf das Berliner Format, die taz-Größe. 2007 lässt sich
       bilanzieren: Alle fahren gut mit der Verkleinerung. Die seriösen
       Sonntagszeitungen sind beim Broadsheet-Format geblieben, bis auf den
       Observer, der aus drucktechnischen Gründen seit Januar 2006 auch Berliner
       Format hat, weil er dem Guardian gehört. Broadsheet-Tageszeitungen sind nur
       noch der Daily Telegraph und die Financial Times. 
       
       Irland
       
       Polnisch in Irland: Eine Besonderheit des irischen Zeitungsmarkts ist die
       wöchentliche Beilage des Evening Herald in polnischer Sprache. In Irland
       leben rund 200.000 Polen. Am Freitag, wenn die acht polnischen Seiten
       beiliegen, verkauft der Herald 3.000 Exemplare mehr als an anderen Tagen.
       Die polnischen Artikel enthalten Hinweise auf die Rechte von EU-Bürgern
       sowie Stellenanzeigen. Man überlegt nun, auch Beilagen in Chinesisch und
       Russisch zu produzieren. Not macht erfinderisch: Denn ansonsten sank die
       Auflage der verkauften Zeitungen in Irland 2006 wie in keinem anderen Land
       der EU: um 7,5 Prozent.
       
       Über die weltweite Mediensituation berichten unsere
       taz-Auslandskorrespondenten und Autoren: Marcus Bensmann, Karin Deckenbach,
       Gerhard Dilger, Dorothea Hahn, Jörn Kabisch, Susanne Knaul, Karim
       El-Gawhary, Georg Löwisch, Jürgen Gottschlich, Bahman Nirumand, Barbara
       Oertel, Ralf Sotscheck, Jürgen Vogt, Reiner Wandler, Urs Wälterlin,
       Reinhard Wolff.
       
       15 Sep 2007
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.weeklyworldnews.com/
 (DIR) [2] http://www.rue89.com/
       
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