# taz.de -- Geschlechtsbestimmung von Embryos: "Ethisch höchst fragwürdige Tests"
       
       > Eine Kölner Firma bietet eine Geschlechtsbestimmung an, die schon ab der
       > achten Schwangerschaftswoche durchgeführt werden kann.
       
 (IMG) Bild: Mehr Abtreibungen durch frühe Geschlechtsbestimmung?
       
       BERLIN taz Seit einigen Monaten können jetzt auch werdende Eltern in
       Deutschland schon sehr früh erfahren, ob der Nachwuchs ein Junge oder ein
       Mädchen wird. Das in Köln ansässige Unternehmen PlasmaGen bietet einen
       "Gendertest" an, mit dem "bereits ab der 8. Schwangerschaftswoche" das
       Geschlecht des ungeborenen Kindes ermittelt werden kann. Humangenetiker
       befürchten, dass der Test dazu missbraucht werde, Föten mit einem
       unerwünschten Geschlecht innerhalb der gesetzlichen Frist von zwölf Wochen
       abzutreiben. Die bisher übliche Geschlechtsbestimmung mittels Ultraschall
       erfolgt in der Regel erst ab der 16. Schwangerschaftswoche. Die Deutsche
       Gesellschaft für Humangenetik (GfH) sieht daher einen "dringenden"
       Handlungsbedarf. Der Gesetzgeber müsse "alle vorgeburtlichen genetischen
       Untersuchungen verbieten, für die es keine medizinische Begründung gibt",
       so die Forderung des GfH.
       
       "Lea oder Leon? Erfahren Sie das Geschlecht Ihres Babys! Einfach.
       Frühzeitig. Risikolos." heißt es auf den Webseiten von PlasmaGen. Eine
       winzige Blutprobe reicht für den Test schon aus. Das Kölner Unternehmen
       untersucht dann, ob in der eingeschickten Blutprobe DNA des männlichen
       Y-Geschlechtschromosoms nachweisbar ist. Liegt ein positives Testergebnis
       vor, muss das Kind ein Junge sein. Das Testverfahren beruht darauf, dass
       über die Plazenta DNA des Fötus in den Blutkreislauf der Mutter gelangt. Da
       die Mutter selbst nur Trägerin der beiden X-Chromosomen ist, muss ein
       vorhandenes Y-Chromosom zwangsläufig von einem oder mehreren männlichen
       Kindern kommen.
       
       Schwierig wird es, wenn die Mutter Mehrlinge in sich trägt und diese
       unterschiedlichen Geschlechts sind. Denn mit dem Test kann nur die An- oder
       Abwesenheit eines Y-Chromosoms ermittelt werden. Ein positives Ergebnis
       könnte somit zum Beispiel bei Zwillingen bedeuten, es sind entweder zwei
       Jungen oder ein Junge und ein Mädchen.
       
       Die Treffsicherheit gibt PlasmaGen mit 99 Prozent an. Sollte das
       Unternehmen einmal daneben liegen, gibt es die 149 Euro, die die
       Untersuchung kostet, zurück. Bezahlen müssen den Test die Eltern, denn mit
       Ausnahme einiger weniger Fälle gibt es keinen medizinischen Grund den
       Gendertest durchzuführen. Er dient lediglich der Neugierde der Eltern und
       dafür dürfen die Krankenkassen nicht aufkommen. Medizinisch begründet kann
       der Test nur, wenn das Risiko besteht, dass eine geschlechtsgebundene
       Erbkrankheit an das Kind weitergeben wird.
       
       Bei der Kritik, Eltern könnten den Test dazu nutzen, geschlechtsspezifische
       Familienplanung mittels Abtreibung durchzuführen, wäscht PlasmaGen seine
       Hände in Unschuld. Denn der Auftrag für die Geschlechtsbestimmung kann nur
       über einen Arzt erfolgen. Und dieser soll das Ergebnis laut PlasmaGen "aus
       Respekt vor dem ungeborenen Leben erst nach Ablauf der 12.
       Schwangerschaftswoche" den Eltern mitteilen. Doch gesetzlich sei die
       "Schweigepflicht des Arztes bis zur 12. Schwangerschaftswoche nicht
       vorgegeben", berichten die Mediziner Katharina Refardt und Heribert
       Kentenich von der Frauenklinik Westend in Berlin in einem Beitrag des
       Deutschen Ärzteblatts von Anfang September. Die Entscheidung, ob sie das
       Testergebnis früher mitteilen, liege allein im Ermessen des Arztes. Sie
       warnen alle Gynäkologen davor, diesen "ethisch höchst fragwürdigen Test
       anzuwenden".
       
       Refardt und Kentenich befürchten zwar nicht, dass der Test hierzulande ein
       Renner wird. Denn in den westlichen Kulturkreisen seien Jungen und Mädchen
       "gleichermaßen willkommen". Sie berichten aber auch, es gebe Hinweise
       darauf, dass vor allem in Berlin gezielt Gynäkologen mit ausländischen
       Patientinnen von der PlasmaGen AG beworben werden. Und in anderen Ländern
       wie zum Beispiel China und Indien ist die Geschlechtsselektion immer noch
       weit verbreitet. So sollen allein in Indien laut einer in The Lancet
       veröffentlichten Studie jährlich rund 500.000 Föten abgetrieben werden,
       weil sie weiblichen Geschlechts sind.
       
       Doch ob alle Gynäkologen die Warnungen berücksichtigen werden, ist
       fraglich. Denn für sie ist es ein Zusatzgeschäft. In einschlägigen
       medizinischen Informationsdiensten wird der PlasmaGen-Test als "neue
       Top-IGeL für die gynäkologische Praxis" beworben. Unter IGeL werden die
       Ärzteleistungen zusammengefasst, die oftmals ohne medizinischen Grund
       freiwillig und auf eigene Kosten von Patienten in Anspruch genommen werden.
       Für den Arzt ist es eine zusätzliche Einkommensquelle.
       
       20 Sep 2007
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolfgang Löhr
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Indien
       
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