# taz.de -- Ein Nachruf auf Evelyn Hamann: Das Antifräuleinwunder
       
       > Evelyn Hamann ist tot. Berühmt wurde die Schauspielerin an der Seite des
       > Komikers Loriot - doch sie war mehr als die Frau mit dem Jodeldiplom.
       
 (IMG) Bild: "Sie war tatsächlich fabelhaft", sagt Loriot über Evelyn Hamann.
       
       Menschen, die nicht im gleichen Viertel lebten wie sie, konnten es ja nicht
       wissen: dass sie nicht gern angesprochen wird als Berühmtheit. Auf ihrem
       Markt ging sie einkaufen, und nur dies wollte sie dort. Bat sie ein Passant
       um ein Autogramm, konnte es geschehen, dass sie barsch befand, er möge sich
       an ihre Agentur wenden, kaufe sie ein, sei sie strikt privat. Ähnliches
       steht über sie in jeder Geschichte, die man über diese Schauspielerin
       fertigte.
       
       Privates? Mann, Frau, Kind, Kegel, Befindlichkeiten, Gefühle? Nichts wollte
       sie preisgeben, gar nichts. In Porträts schilderte man sie als schwierig
       und, wäre diese Vokabel zur Charakteristik einer Frau nicht verpönt, im
       Grunde als uncharmant. Die Hamann - mit der war eben nicht gleich gut
       Kirschen essen.
       
       In Wahrheit, sagen Filmer wie Christian Stöffler, war sie einfach gut, sehr
       gut. Evelyn Hamann konnte es sich leisten, nicht die einschmeichlerische
       Tussi zu geben, eine Krawallschachtel in späteren Jahren, gar die
       altersvergrübelte Weltanklägerin wie Inge Meysel. Die Hamann: eine
       brillante Schauspielerin, die durch einen glücklichen Zufall auf einen Mann
       traf, mit dessen Hilfe sie berühmt wurde - und er durch sie. Loriot suchte
       Mitte der Siebzigerjahre für seine für Radio Bremen zu drehenden Sketche
       eine leicht füllige, blondliche Frau um die Mitte 30 - und bekam eine eher
       brünette Dürre vorgestellt.
       
       Hamann und Loriot müssen sich auf Anhieb verstanden haben: Perfektionisten
       beide. Mit der ersten Folge dieser Sketche in der ARD war ein deutsches
       Antifräuleinwunder geboren: eine Schauspielerin, die nicht gefällig
       spielte, sondern beängstigend präzise. Warum, gab sie einmal Auskunft,
       sollte sie an eine Rolle nicht mit ähnlicher Präzision herangehen wie ein
       Musiker, der sich auf ein Celloquartett vorzubereiten habe. Dessen Fehler
       hört das Publikum doch auch heraus.
       
       So sah sie auch ihre Schauspielkunst: in Charaktere zu schlüpfen, die sie
       zu ihren macht, auf dass sie nicht mehr sie selbst sein muss. Alles über
       ihre Sternstunden ist bekannt, wird erzählt. Die Hamann war die
       Fernsehansagerin, die mit äußerster Contenance einem Nervenzusammenbruch zu
       entgehen sucht - und doch in Tränen ausbricht, weil ihr partout der
       anglophone "th"-Laut nicht trennscharf über die Lippen will beziehungsweise
       zu oft. Die Frau, die "Winselstute" einer anderen gegenüber ausruft, die
       herrisch sein konnte und auch, in der Rolle der angewelkten Sekretärin,
       voll brüchiger Verwunderung: "Herr Melzer, ich bin doch nur ein Abenteuer
       für Sie!" Das Publikum grölte auf das Heiterste.
       
       Die Frau mit dem Jodeldiplom war sie, die Angebetete von Loriot in
       "Ödipussi", später in "Pappa ante portas" dessen Frau. Juwelen der
       Darstellungskunst - auch weil die Hamann das Gesetz guter Komik
       beherrschte: nichts dem Zufall zu überlassen, und das, was der Gag ist, auf
       den Punkt, die Pointe zu setzen.
       
       Evelyn Hamann, Kind aus bildungsbürgerlichem Elternhaus, das im Hamburger
       Nordwesten stand, die Wagner liebte, ein Faible für Katzen hatte und
       Champagner mochte, lernte das Schauspielern in Hamburg der frühen
       Sechziger, finanzierte sich über Auftritte mit einer Jazzband in Kneipen.
       Ob sie Loriot alles verdanke? Zum Glück gehöre auch Können, und das wolle
       sie sich doch, "würde ich sagen", wie sie viele ihrer raren Statements in
       eigener Sache einleitete, nicht absprechen.
       
       In den frühen Achtzigern musste sie eine leichte Karrierebeule hinnehmen:
       Könnte eine wie sie überhaupt besetzt werden? Auf dem "Traumschiff" bekam
       sie eine Chance; später folgten Rollen in der "Schwarzwaldklinik" als
       Haushälterin Carsta Michaelis. Bis zuletzt drehte sie an Folgen für die
       ARD-Serie "Adelheid und ihre Mörder". Eine "Tippse" bei der Polizei, die
       sehr patent ist, eine Frau zum Pferdestehlen, also eine Figur, die alles
       Erotische lächerlich wirken lässt. Eine Frau, die besser ist als alle
       Männer, fast alle Trottel.
       
       Ihr einziges biografisches Manko mag sein, dass sie nie ihr Talent zur
       mühselig verkapselten Aggression zur Geltung brachte. In verstörenden
       Rollen eventuell. Was hätte das sein können, eine Frau, die sich mit Hartz
       IV abplagt oder als Kindermörderin! Es hätte niemals seifig und rührselig
       ausgesehen.
       
       Länger schon war sie krank. In der Nacht zum Montag ist sie im Alter von 65
       Jahren in Hamburg gestorben. ARD wie ZDF werden Erinnerungssendungen
       ausstrahlen.
       
       29 Oct 2007
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
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