# taz.de -- Bahn-Tarifstreit: Wenn die Waggons wegbleiben
       
       > Ein Streik im Güterverkehr würde vielerorts sofort die Produktion
       > lahmlegen. Der mühsam sanierten Frachtsparte der Bahn droht ein
       > Imageverlust
       
 (IMG) Bild: "Jeder, der eine Lok fahren kann, wird herangezogen", damit diese Waggons beim Streik nicht auf dem Abstellgleis bleiben
       
       Wenn der Zug aus Bratislava nicht kommt, stehen nach einem Tag bei Porsche
       in Leipzig die Bänder still. Seit fünf Jahren wird dort der Geländewagen
       Cayenne gebaut - genauer gesagt: zusammengeschraubt. Denn die gesamte
       Karosserie kommt aus dem VW-Werk in Bratislava. Dort sorgt die Deutsche
       Bahn nicht nur für die Belieferung mit Teilen, den Abtransport von Polos
       und Touaregs und die Organisation des kompletten Lagers. Täglich verlässt
       auch ein Zug mit aufgehängten Cayenne-Oberteilen die Fabrik, um in Leipzig
       mit dem Fahrwerk vereint zu werden. "Hochzeit" nennen das die Autobauer,
       180-mal am Tag wird sie in Leipzig gefeiert.
       
       Bislang funktioniere diese Lieferkette gut, sagt der Porsche-Sprecher
       Albrecht Bamler. So gut, dass Porsche kaum eigene Lagerflächen in Leipzig
       unterhält. Deshalb träfe es das Unternehmen hart, wenn der Zug aus
       Bratislava bestreikt würde. Jeder Cayenne zum Durchschnittspreis von 70.000
       Euro ist vorbestellt. Und anders als die 160 Exemplare des Porsche 911, die
       vom Werk Zuffenhausen notfalls auch mit dem Lkw abtransportiert werden
       könnten, könnten die Cayennes in Leipzig erst gar nicht produziert werden.
       
       Mit 50 Millionen Euro pro Tag beziffert das Deutsche Institut für
       Wirtschaftsforschung (DIW) den volkswirtschaftlichen Schaden eines
       bundesweiten Streiks im Güterverkehr. Allerdings gilt diese Schätzung nur
       für der ersten Streiktag. Im Laufe einer Woche, vermutet man beim DIW,
       würde der Schaden aufs Zehnfache anwachsen.
       
       Zu dem finanziellen Schaden für sie selbst und ihre Kunden käme für die
       Bahn ein beträchtlicher Imageverlust hinzu. Dabei hatte die Deutsche Bahn
       ihre Frachtsparte in den vergangenen Jahren mühsam in die schwarzen Zahlen
       gebracht. Lange Zeit galt der Schienengüterverkehr innerhalb des
       Bahnkonzerns als Schwachstelle. Das Ansehen war schlecht, ein Güterzug galt
       als unflexibel und deutlich langsamer als ein Lkw.
       
       Vor allem der klassische Einzelwagenverkehr, bei dem Unternehmen separate
       Waggons beladen, die zu langen Güterzügen zusammengestellt wurden, machte
       Verluste. Bahnchef Hartmut Mehdorn ging das Problem mit einer doppelten
       Strategie an: Zum einen kaufte er für 2,5 Milliarden Euro den
       hochprofitablen Logistiker Stinnes und konnte dadurch den
       Schienengüterverkehr in ein Netz von Schiffen, Lkw und Flugzeugen
       einbetten.
       
       Zum anderen stellte er vor sechs Jahren das Konzept "Mora C" vor, das die
       Schließung von allen unprofitablen Gleisanschlüssen bei meist kleinen
       Unternehmen vorsah. 500 Millionen Euro sollten so eingespart werden. Bis
       2004 wurden knapp die Hälfte dieser sogenannten Tarifpunkte geschlossen.
       
       Ökologisch ausgerichtete Verkehrsexperten kritisierten diese Strategie als
       kontraproduktiv für das Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Doch
       wirtschaftlich war die Konzentration auf die Großkunden erfolgreich.
       Inzwischen ist der Schienengüterverkehr, der unter dem Namen "Railion"
       läuft, profitabel. Im vorigen Jahr lag der Betriebsgewinn der Sparte bei
       226 Millionen Euro nach 12 Millionen im Vorjahr.
       
       5.000 Railion-Güterzüge fahren derzeit täglich durch Europa, sagte ein
       Bahnsprecher der taz. Das entspreche rund 100.000 Lkw-Einheiten. Insgesamt
       beschäftigt Railion 5.400 Lokführer. Davon dürften nur ein Drittel einem
       möglichen Streikaufruf der GDL folgen. Die anderen sind verbeamtet oder
       gehören anderen Bahngewerkschaften an.
       
       Dennoch hat Railion einen Notfallplan vorbereitet. So sollen kurzfristig
       Lokführer von anderen Unternehmen beschäftigt werden, sagte der
       Bahnsprecher. Rekrutiert wird auch in den eigenen Reihen. "Jeder, der eine
       Lok fahren kann, wird herangezogen", sagte der Sprecher.
       
       Doch allein darauf verlassen können sich die Kunden nicht, zumal sie
       mögliche Produktionsausfälle durch einen Streik nicht der Bahn in Rechnung
       stellen können. Denn Arbeitskämpfe gelten als höhere Gewalt. So hat der
       Chemiekonzern BASF seiner Pressesprecherin Jennifer Moore-Braun zufolge
       bereits seine Lager aufgefüllt, einige Produkte vorzeitig ausgeliefert und
       sich bei anderen Transportunternehmen auf der Schiene und der Straße um
       Alternativen gekümmert.
       
       Etwa ein Drittel seiner Transporte lässt BASF über die Schiene rollen, den
       größten Teil allerdings von Wettbewerbern der Deutschen Bahn, wie der
       Rail4Chem. Wie lange die Produktion bei der BASF während eines Streiks
       unbeschadet weiterlaufen kann, will Moore-Braun nicht sagen. Auch die
       Produkte, die konkret betroffen wären, fielen unter das Betriebsgeheimnis.
       Nur so viel sagt sie: "Wir sind vorbereitet."
       
       5 Nov 2007
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Kosch
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Deutsche Bahn
       
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