# taz.de -- Giorgio Agambens Antrittsvorlesung in Köln: Gott kann sich nicht um alles kümmern
       
       > Der neue Albertus-Magnus-Professor Giorgio Agamben referierte in Köln aus
       > dem letzten Teil seines "Homo sacer". Darin geht es um die Verherrlichung
       > der Macht.
       
 (IMG) Bild: Die Engel sind im göttlichen Universum die Vertreter der Exekutive.
       
       Ein Professor für ganz Köln soll der italienische Philosoph Giorgio Agamben
       nun sein. Dort wurde er soeben für ein Jahr zum Albertus-Magnus-Professor
       ernannt - und lud zur Diskussion über die großen Fragen ein, frei nach dem
       Vorbild des Mittelalters, wo an besonderen "Disputationstagen" Studenten,
       Dozenten und die Bevölkerung die Menschheitsgeschicke erörterten.
       
       Zu seiner ersten Vorlesung referiert der vieldiskutierte Philosoph Agamben
       aus dem letzten Teil seines Werks "Homo sacer", das "Ökonomie und Ruhm"
       heißen wird und erst im nächsten Jahr in Deutschland erscheint. Die
       Herleitung der Ökonomie aus dem Christentum wirkt zunächst wie ein rein
       theologischer Vortrag. Vier Jahre lang hat Agamben daran gearbeitet, und er
       erläutert in langsam vorgetragenen Sätzen, wie der Begriff der "Ökonomie"
       seit dem 2. Jahrhundert von Theologen auf Gott bezogen wird. Da oikonomos
       auf Griechisch Hausverwalter bedeutet, habe sich daraus die Vorstellung
       ergeben, dass Gott zwar Herr im Haus sei, eine Art Generalmanager der Welt,
       aber nicht alles bestimme, was in den Verzweigungen der Verwaltung
       geschehe. Er regiere also nicht direkt - wisse nicht, "wie viele Mücken es
       auf der Welt gibt", so Agamben -, sondern in universellen Prinzipien. Das
       sei ein fundamentaler Unterschied zu islamischen Traditionen, so Agamben:
       Dort herrsche die Vorstellung, dass Gott in jedes Ereignis direkt eingreife
       und nichts ohne seine Zustimmung passiere.
       
       Die Teilung zwischen göttlicher Herrschaft und weltlicher Verwaltung ist
       nach Agamben die Grundannahme westlicher Demokratien, und sie erkläre die
       Gewaltenteilung von Legislative und Exekutive - aber auch die von Gott und
       seinem irdischen Sohn. Leider gibt es, wie wir alle wissen, ein Problem:
       Wie kommt der "Kollateralschaden" des "Bösen" in der Welt zustande, wenn
       die göttliche Wirtschaft doch so perfekt ist?
       
       Gott habe zweifellos gute Gesetze erlassen, aber, zitiert Agamben
       Augustinus, er könne sich nicht mit allen Details beschäftigen. Der
       Hausherr kann sich nicht mit den Ratten in der Küche abgeben, er habe
       anderes zu tun. Diese sind darüber hinaus sogar ein "kalkulierter
       Nebeneffekt" der göttlichen Herrschaft, geradezu ihre Essenz und ihr
       Beweis. Gott habe die Welt so angelegt, als fühlten wir uns darin uns
       selbst überlassen.
       
       Im göttlichen Universum sind die Vertreter der Exekutive übrigens die
       Engel: Bürokraten und Arbeiter Gottes, aufgeteilt in eine festgelegte
       Hierarchie, so sah auch Franz Kafka sie. Ihre Hauptaufgabe, so Agamben, sei
       jedoch die Lobpreisung Gottes. Aber warum muss Gott glorifiziert werden? Er
       ist doch selbst Glorie. Engel verhalten sich also widersprüchlich. Außerdem
       erwartet sie ein unangenehmes Schicksal: Nach dem Jüngsten Gericht werden
       sie ihrer Funktionen enthoben, also arbeitslos.
       
       Auch die Funktion der kirchlichen Liturgie sei in erster Linie Lobpreisung.
       Die Akklamationen Gottes ähneln dabei stark der Kaiserverherrlichung im
       alten Rom. Macht scheint Glorie zu brauchen, um überleben zu können. Denn
       Verherrlichungsrituale, so Agamben, seien keine Konsequenz göttlicher
       Macht, sondern produzierten sie erst. Deshalb hätten diese Rituale in
       Diktaturen so eine große Bedeutung. Aber es gibt sie auch in westlichen
       Demokratien: Die Engel sehen in die Hölle, um sich vor ihrer Langeweile zu
       retten, und ebenso sehen wir durch die Medien auf die Katastrophen der
       Welt.
       
       10 Nov 2007
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Marcus
       
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