# taz.de -- Familienkrach auf Ibero-Amerika-Gipfel: Chávez beschimpft Spaniens Expremier
       
       > Familienkrach auf dem iberoamerikanischen "Völkergipfel": Es sollte um
       > "sozialen Zusammenhalt" gehen. Doch dann provozierte Chávez Spaniens
       > König: Premier Aznar sei ein Faschist.
       
 (IMG) Bild: Juan Carlos und Hugo Chávez streiten über mehrere Delegierte hinweg.
       
       So aufgebracht hat man Juan Carlos de Borbón selten erlebt: "Warum hältst
       du nicht die Klappe?", rief der spanische König am Samstag Hugo Chávez auf
       dem Iberoamerika-Gipfel in Santiago de Chile zu. Wieder einmal hatte sich
       der venezolanische Sozialist geradezu lustvoll in seiner Lieblingsrolle
       inszeniert: als Enfant terrible, das die Mächtigen der Welt provoziert.
       
       Mehrfach bezeichnete Chávez den ehemaligen spanischen Regierungschef José
       María Aznar auf dem Präsidentenplenum als Faschisten. Zusammen mit
       konservativen Unternehmern mache Aznar noch heute gegen Venezuela Stimmung,
       erläuterte Chávez. Über den Putschversuch gegen ihn im April 2002 sei er im
       Bilde gewesen und habe ihn unterstützt. Außer den USA habe nur noch Spanien
       die knapp zwei Tage lang amtierende Regierung in Venezuela anerkannt.
       
       Dann gab er eine Anekdote aus dem Jahr 2000 zum Besten. Bei einem
       Staatsbesuch in Caracas habe Aznar das Erdölland Venezuela in den "Club der
       Ersten Welt" eingeladen. Auf seine Frage, was denn mit Haiti und den armen
       Ländern Zentralamerikas und Afrika sei, habe Aznar erwidert: "Die sind am
       Arsch." Die Schlussfolgerung des Präsidenten über seinen zweiten Intimfeind
       nach George W. Bush: "Eine Schlange ist menschlicher als ein Faschist oder
       ein Rassist, ein Tiger ist menschlicher als ein Faschist oder ein Rassist."
       Als der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero "bei allen
       ideologischen Unterschieden" Respekt für seinen Vorgänger einforderte,
       wurde er mehrmals von Chávez unterbrochen. "Sagen Sie dasselbe zu ihm
       [Aznar]", sagte Chávez dreimal. Daraufhin platzte König Juan Carlos der
       Kragen.
       
       Anschließend griff Nicaraguas Präsident Daniel Ortega den spanischen Multi
       Unión Fenosa an, der in Nicaragua seit sechs Jahren die Stromversorgung
       managt und jüngst in der Hauptstadt Managua wegen seiner hohen Tarife
       Massenproteste auf sich gezogen hatte: "Heute würden wir die nicht mehr
       reinlassen", sagte er, 90 Prozent der NicaraguanerInnen lehnten Unión
       Fenosa ab. Zudem habe der spanische Botschafter bei früheren Wahlen seine
       konservativen Rivalen unterstützt, sagte Ortega. Juan Carlos stand auf und
       verließ das Plenum - eine Premiere in der 16-jährigen Gipfelgeschichte.
       
       Doch der Sandinist ließ nicht locker und erinnerte daran, dass die
       US-Bomber, die 1986 Libyens Hauptstadt Tripolis bombardiert hatten, von
       Spanien aus gestartet waren. Später entschuldigte er sich bei den Spaniern.
       Die hatten tags zuvor umfangreiche Mittel für einen neu zu gründenden
       Wasserfonds versprochen. In den kommenden vier Jahren werde Spanien 1,5
       Milliarden Dollar für Wasserprojekte in Lateinamerika bereitstellen, sagte
       Rodríguez Zapatero. Spanien habe gegenüber Lateinamerika eine "doppelte
       moralische Verpflichtung", meinte er in Anspielung auf die koloniale
       Vergangenheit. Zudem will er mit Geldern aus Schuldenerlass
       Bildungsprojekte fördern sowie einen Stipendienfonds, der nach dem
       chilenischen Nationaldichter Pablo Neruda benannt ist.
       
       Gastgeberin Michelle Bachelet meinte auf der abschließenden
       Pressekonferenz: "Debatten muss niemand fürchten, dramatisieren sollte man
       sie aber auch nicht." Bei allem Streit sei sei es jetzt wichtiger, die
       "konkrete Arbeit für den sozialen Zusammenhalt" aufzunehmen - "bei all
       unseren Unterschieden".
       
       Der erste Teil des Gipfels war vom Zwist zwischen Uruguay und Argentinien
       überschattet. Bei der Eröffnungsrede hatte Tabaré Vázquez aus Uruguay
       gesagt, er wünsche eine "brüderliche, lange Umarmung zwischen unseren
       Völkern". Doch dann wurde bekannt, dass er Stunden vorher grünes Licht für
       den Betrieb der umstrittenen Zellulosefabrik am Uruguay-Grenzfluss gegeben
       hatte. Der dort produzierte Zellstoff ist für Papierfabriken in China,
       Nordamerika und Europa bestimmt. Argentiniens scheidender Präsident Néstor
       Kirchner, der auf die Vermittlung Spaniens gesetzt hatte, war empört: "Du
       hast dem argentinischen Volk einen Dolchstoß versetzt", raunzte er Vázquez
       an.
       
       Michelle Bachelet wies immer wieder darauf hin, dass die über 200 Millionen
       Armen Lateinamerikas von den fantastischen Wachstumsraten der letzten Jahre
       erheblich weniger profitiert haben als die Reichen: "Weder durch die
       Demokratisierung noch durch die ökonomische Modernisierung ist die
       historische soziale Schuld in der Region erfolgreich angegangen worden",
       stellte sie fest. Als Folge sieht sie eine "Schwächung der Solidarität" und
       ein "Gefühl der Enttäuschung über die Demokratie".
       
       Zumindest in Chile kann die radikale Linke davon nur begrenzt profitieren.
       Zur emotionalen Abschlusskundgebung des "Völkergipfels" fanden sich nur
       5.000 AktivistInnen am Nationalstadion von Santiago ein - trotz der
       Anwesenheit von Chávez, Ortega und Evo Morales aus Bolivien. Ortega
       geißelte die "Diktatur des globalen Kapitalismus, an der auch Europa
       beteiligt ist". Ob er mit solchen Sprüchen seine Idee voranbringen kann,
       die von den USA beherrschte Organisation der Amerikanischen Staaten durch
       eine Iberoamerikanische Gemeinschaft zu ersetzen, bleibt fraglich.
       
       Chávez nahm während seiner fast zweistündigen Rede einen Anruf von Fidel
       Castro entgegen, sang Revolutionslieder und versicherte, er strebe einen
       venezolanischen, indianischen Sozialismus an, angefangen bei einer
       "sozialistischen Ethik". Vor seinem Rückflug setzte er noch eins drauf: Bei
       der Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die linke Privatuniversität der
       Künste und der Sozialwissenschaften versicherte Chávez, er habe die Worte
       des spanischen Königs nicht gehört. "Ich verlange Respekt, denn ich bin
       auch ein Staatschef, der zudem dreimal demokratisch gewählt wurde", fügte
       er hinzu. "Der König meint wohl, wir sind noch seine Untertanen wie im 17.
       oder 18. Jahrhundert. Wir sind rebellische Indianer, die sich erhoben
       haben. Niemand wird uns zum Schweigen bringen."
       
       12 Nov 2007
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gerhard Dilger
       
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