# taz.de -- Migranten und Fernsehen der 70er: Anders als die anderen
       
       > Orientalische Mädchen in Serien gab es in den 70er Jahren nicht. Das
       > Fernsehen bot Migrantenkindern keinen Anreiz zur Identifikation. Ein
       > Erfahrungsbericht
       
 (IMG) Bild: "Pippi war anders. So wie ich."
       
       Die absolute Heldin meiner Kindheit hieß Pippi Langstrumpf - sie war mutig
       und unerschrocken, ein Mädchen und - sie war anders. So wie ich. In dem
       nordhessischen Dorf Obervellmar, indem ich aufwuchs, war ich immer anders:
       das einzige dunkelhaarige Kind im Kindergarten, das einzige in der Schule.
       Später auf dem Gymnasium im nahe gelegenen Kassel gab es noch einen Jungen
       mit indischen Wurzeln. Der hatte noch dunklere Haut als ich. Meine
       Freundinnen waren meist blond und bewunderten meine freche Schnauze. Wenn
       schon anders, dann richtig, dachte ich mir.
       
       Wie Pippi eben. Ansonsten bot mir das Fernsehen keine Vorbilder, die
       Hauptfiguren waren eh meistens Jungs. Bei den Serien gab es eigentlich gar
       nichts für mich: Trotzdem schaute ich "Unsere kleine Farm" und "Peter Pan"
       - was man Anfang der Siebzigerjahre eben so als Kind schaute. Auch
       "Daktari" gefiel mir, die Tiere waren ja auch alle sehr verschieden, aber
       eben ohnehin anders als wir Kinder. Mein Liebling war die schlaue
       Schimpansin Judy. Sofort wünschte ich sie mir als großes Stofftier. Ich
       habe Judy heute noch, ziemlich verstaubt. Auch Sesamstraßen-Fan war ich
       lange, besonders gefielen mir die Afroamerikaner, die waren ja noch viel
       mehr anders als ich. Später wurde leider nicht mehr das amerikanische
       Original gezeigt, sondern eine adaptierte deutsche Version.
       
       Natürlich war mir damals nicht so recht bewusst, was mir beim Fernsehen
       fehlte. Ich wusste auch nicht, was genau man besser machen könnte, mir war
       nur eins klar: Ich wollte es anders machen. Und so nahm ich mir im Alter
       von zwölf Jahren vor, selbst Fernsehjournalistin zu werden. Direkte
       Vorbilder dafür hatte ich nicht. Kein Wunder, gab es damals doch auch nur
       eine einzige interkulturelle Fernsehjournalistin in Deutschland: Die
       indischstämmige Navina Sundaram aus der "Weltspiegel"-Redaktion der ARD saß
       oft bei Werner Höfer im "Frühschoppen" und brachte dort die Sicht von außen
       ein, die der anderen, der armen Länder und der fremden Menschen. Vielleicht
       hing es damit zusammen, dass ich auf die Idee kam, als rasende Reporterin
       die Welt zu verbessern. Zum Entsetzen meines persischen Vaters: Er, der als
       Architekturstudent nach Deutschland gekommen war, konnte sich für seine
       beiden Töchter nur Medizin oder notfalls noch Jura vorstellen. Fernsehen
       hatte für ihn ein ganz schlechtes Image. Fernsehjournalist konnte ja jeder
       werden, auch ohne Studium.
       
       Heute weiß ich von den Erfahrungen meiner bikulturellen Kollegen aus dem
       Interkulturellen Netzwerk beim Journalistenverband, dass es vielen ähnlich
       erging: Das Fernsehen bot auch für sie nicht gerade viel Anreiz zur
       Identifikation. Bei anderen dagegen, deren Eltern beide Migranten sind und
       die womöglich wenig Deutsch konnten, hat das Fernsehen eine größere Rolle
       gespielt. Ein Kollege türkischer Herkunft erzählte mir kürzlich, wie
       wichtig die Fernseherfahrung seiner Kindheit für ihn war: Da seine Eltern
       sich überhaupt nicht mit der deutschen Kultur identifizieren konnten, war
       das Fernsehen für ihn die Brücke in die deutsche Gesellschaft. Ohne die
       Sitcoms, Serien und Spielfilme, so meint er, hätte er vieles vom Leben in
       Deutschland gar nicht mitbekommen. Für ihn war das deutsche Fernsehen die
       Abgrenzung von der Familie. Mein eigener Vater dagegen wollte eher ein
       besonders guter Deutscher sein, diszipliniert und pünktlich. Meiner
       Schwester und mir vermittelte er, die meiste Anerkennung bekämen wir, wenn
       wir auch möglichst "deutsch" würden. Und so hätte ich als Teenager Serien
       wie "Türkisch für Anfänger" wohl nicht besonders cool gefunden. Mir hätte
       eher ein orientalisches Mädchen in einer deutschen Serie gefallen oder eine
       schwarzhaarige Kriminalkommissarin. Mehr Migranten auf der Straße, in der
       Schule und im Fernsehen - das hätte mir geholfen. Aber genau wie ich das
       gar nicht so benennen konnte, konnten es Medienpädagogen,
       Fernsehchefredakteure und Medienwissenschaftler damals eben auch nicht.
       
       13 Nov 2007
       
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