# taz.de -- Politologe Werz über das Referendum: "Die Venezolaner wollen Veränderung"
       
       > Das Referendum ist der Hinweis der Venezolaner, dass sie keinen
       > Staatssozialismus à la Kuba wollen, meint der Politologe Nikolaus Werz.
       
 (IMG) Bild: "Es könnte der Anfang vom Ende sein": Präsident Chavez räumt Niederlage ein
       
       taz: Herr Prof. Werz, erstmals seit seinem Amtsantritt 1998 hat Venezuelas
       Präsident Chávez eine Abstimmung verloren. Warum? Und warum jetzt? 
       
       Nikolaus Werz: Da sind vier Faktoren zusammengekommen. Zum einen hat sich
       in den letzten Wochen gezeigt, dass die Opposition stärker ist als
       angenommen - und die hat mit den Studenten auch ein frisches Gesicht
       bekommen. Zweitens die Tatsache, dass sogar General Baduel, ein
       langjähriger Gefolgsmann von Chávez, das Referendum als "versuchten
       Staatsstreich" charakterisiert hat. Drittens haben sich die wenigen
       venezolanischen Intellektuellen, die Chávez kritisch begleitet haben, von
       ihm abgewandt. Und viertens dürften Chávez auch seine Ausfälle gegen
       Spaniens König Juan Carlos nach dem Iberoamerika-Gipfel geschadet haben. Es
       gibt 300.000 Venezolaner mit spanischem Pass - die sind auch Wähler.
       
       Hat also die Kritik aus Chávez Anhängerschaft heraus den Ausschlag für das
       Nein gegeben? 
       
       So ist es. Außerdem: Die Umfragen zeigten in den letzten Tagen eine starke
       Mehrheit für das Nein. Aber es ist gelungen, die mit der Reform
       Unzufriedenen sind auch tatsächlich zur Wahlurne gegangen, darunter auch
       viele, die 2006 noch Chávez gewählt haben.
       
       Obwohl das Ergebnis denkbar knapp war, hat Chávez sofort nach der
       Bekanntgabe seine Niederlage akzeptiert und seinen Gegnern gratuliert. War
       das so zu erwarten? 
       
       Das hatte er vorher angekündigt. Die Frage ist jetzt, ob sich Chávez auch
       im Diskurs und im Handeln mäßigt. Denn ein Teil der Vorhaben, die er zum
       Referendum vorgelegt hat, ist ja bereits umgesetzt worden:
       Parallelhaushalte, Elitenwechsel in den staatlichen Einrichtungen und so
       weiter.
       
       Aber diese Verfassungsreform sollte doch seinen Weg zum "Sozialismus des
       21. Jahrhunderts" institutionell absichern - und sie ist gescheitert. 
       
       Die Ausführungen, wie sein "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" aussehen
       soll, waren sehr ungenau. Bei Chávez ist es eine Form von Staatssozialismus
       im Zusammenhang mit einem nationalistischen, auf Importsubstitution
       basierenden Kurs. Das ist in einer Ökonomie, die stark vom Ausland,
       besonders von den USA abhängt, schwer durchzusetzen. Es ist also nicht
       klar, was er mit dem Sozialismus des 21. Jahrhunderts eigentlich gemeint
       hat. Vielleicht war es ein Versuch, aus ideologischen Versatzstücken eine
       Legitimation für den Verbleib an der Macht zu erhalten.
       
       Markiert denn dann das Nein tatsächlich einen Wendepunkt? 
       
       Es könnte der Anfang vom Ende sein, muss es aber nicht. Denn auch nach dem
       gescheiterten Putschversuch von 2002 hatte es Anzeichen dafür gegeben, dass
       er selbst Korrekturen einleitet. Aber sehr viel Hoffnung kann man sich da
       bei ihm nicht machen. Er selbst hat angedeutet, dass er nur por ahora
       gescheitert sei, also fürs Erste, so wie nach seinem eigenen Putschversuch
       1992. Er wird es noch mal versuchen.
       
       Viele haben gemeint, dieses Referendum sei die letzte Möglichkeit,
       Venezuela noch mit demokratischen Mitteln vom Weg in eine Diktatur
       abzubringen. Nun nimmt der vermeintliche Diktator die Niederlage höchst
       demokratisch an - ein Widerspruch? 
       
       Das ist ein Zeichen, das die venezolanischen Bürger gegeben haben, unter
       ihnen eben auch viele, die vorher Chávez gewählt haben. Die wollten eine
       Veränderung. Aber eine Variante des kubanischen Sozialismus à la Fidel - ja
       nicht einmal Raúl - Castro wollen sie nicht.
       
       3 Dec 2007
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Pickert
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Chávez scheitert mit Verfassungsreform: Sozialismus fürs Erste verschoben
       
       Das Ergebnis ist knapp, aber eindeutig: Venezuelas Präsident Chávez ist mit
       seinem Verfassungsreferendum gescheitert. In Caracas feiern seine Gegner.
       
 (DIR) Kommentar Venezuela: Kein Sozialismus per Dekret
       
       Venezuelas Wahlvolk hat die von Präsident Chávez geplante Verfassungsreform
       knapp abgelehnt und demonstriert damit demokratische Reife.