# taz.de -- die wahrheit: Das gute, alte Glück
> Vorstufen des Lottowahns: Erinnerungen an die große Nachkriegslotterie "2
> aus 3".
(IMG) Bild: Lottomitarbeiter begutachten an einem geheimen Ort den Lottobaum, an dem die Lottokugeln wachsen.
Gerade erst ist der Lotto-Jackpot geknackt und das Lottofieber hat sich
wieder ein wenig abgekühlt, da lässt sich eins deutlich erkennen: Der
Glücksspielwahn ist nicht mehr zu stoppen. An allen Ecken und Enden
explodieren die Gewinnspiele und Lotterien; die Nacht im Fernsehen gehört
allein barbusigen Brüllaffen und ihren Call-in-Shows, bei denen man aus den
Buchstaben B, R und Ä den Namen eines vermeintlichen Problemtiers bilden
muss. Eine groteske Entwicklung, die besonders in der besinnlichen
Vorweihnachtszeit Fragen aufwirft: Woher kommt das alles? War das schon
immer so? War früher nicht alles besser? Und ob! Denn vor gar nicht allzu
langer Zeit nahm sich die Sache mit dem Glück noch weit bescheidener aus.
"Da war nix mit '6 aus 49'", wie die rüstige Glücksspielrentnerin Cora
Ludwig zu erzählen weiß. "Bei uns in der schweren Zeit, direkt nach dem
Krieg, hieß die erste Lotterie noch '2 aus 3'. Wir hatten ja damals nix."
Frau Ludwig, die heute in einem Seniorenstift im hessischen Bad Wonzbach
die Bingo-Rabattmarken-Abteilung managt, gilt unter europäischen
Nachkriegslotterie-Experten noch immer als das Urgestein der
bundesdeutschen Trümmerzockerei. "Das war damals vielleicht immer ein
Ärger, wenn wieder '2 aus 3' von den zerbombten Kirchtürmen heruntergerufen
wurde und man nicht eine einzige Zahl richtig hatte. Zu gewinnen gab es
aber ohnehin kaum etwas, vielleicht mal einen halben Eimer kalten Dampf
oder eine Kruste Kaffee für zum Hochkant-in-der-Pfanne-Braten", weiß die
sympathische Mittachtzigerin nostalgisch lächelnd zu berichten, wenn sie
sich an jene Schwarz-Weiß-Tage zurückerinnert.
Und auch heute noch gibt sich die ehemalige Lottofee durchaus bescheiden.
So kauft sie zum Beispiel gern von ihrer Rente für die anderen "Senioren
und Senioritas", wie Frau Ludwig schelmisch zwinkernd ausführt, im
Supermarkt ein und kocht "fett für die ganze Belegschaft" leckere
Mahlzeiten wie etwa Nudeln mit Kartoffeln, Reis und Pommes oder Wurst für
alle. "Mir macht das Freude, wenn sich alle freuen wie die Schneekönige",
freut sich die Rentnerin, die es sich leisten kann, denn ihre eigenen
Lottogewinne sind Legende. Schließlich war sie Rekordgewinnerin bei "2 aus
3" und hat ein schönes Sümmchen fürs Alter auf die hohe Kante gelegt.
Selbst heutzutage gilt "2 aus 3" als die wohl bekannteste unter den
Nachkriegslotterien und damit noch immer als die Hebamme für all die später
folgenden Glücksspielformate. Die Lotterie "2 aus 3" war so etwas wie ein
süßer Vorgeschmack auf das Wirtschaftswunder und hat die
Wird-schon-wieder-Mentalität jener Jahre nicht unerheblich mitgeprägt.
In den späten Vierzigerjahren erschienen dann bereits erste
Glücksspielradiosendungen wie "Wer vergisst am schnellsten?" oder "Was bin
ich für ein Denunziant?" oder das unvergessene, charmant von Harry Hartmann
präsentierte Unbelehrbaren-Quiz "Keiner wird gewinnen", das im Übrigen
getrost als Vorläufer heutiger Quiz-Show-Formate bezeichnet werden kann.
1952 folgte dann das live aus Südamerika übertragene heitere
Kriegsverbrechersuchspiel "Heute hier, morgen dort", das erstmals in der
Geschichte des Radios das Hilfsmittel des Phantombilds nutzte. Überhaupt
scheint die Geschichte der deutschen Nachkriegslotterie eine äußerst
progressive Epoche auf dem Weg zur momentanen Medienlandschaft
darzustellen, steckte doch zu diesem Zeitpunkt die europäische
Showkonkurrenz noch in den kleinstmöglichen Kinderschuhen. Einzig und
allein das spanische Radio war damals mit seiner auch heute in weiten
Teilen Kastiliens noch überaus populären Rate-Sendung "Hasta pilawa"
bereits auf dem richtigen Weg.
Wie sehr die Leistung früher Lotterie-Pioniere heute wieder gewürdigt und
geschätzt wird, zeigt die Tatsache, dass Bundespräsident Horst Köhler, der
ja seinerzeit beim Tode von Max Schmeling mit der wahrlich Trost spendenden
Bemerkung "Ich bin traurig, dass er gestorben ist" glänzte, erwägt, Frau
Ludwig wegen besonderer Verdienste und außergewöhnlicher Courage den
begehrten "Kugelorden am Bendlerblock" zu verleihen. Denn nicht umsonst
gilt die große Nachkriegsfee Cora Ludwig nach wie vor als die Grande Dame
unter den großen Damen.
Und dieser Orden ist mehr als verdient, denn die rüstige Rentnerin weiß
nebenbei auch immer wieder durch großzügige Spendenaufrufe für die
Benachteiligten der Welt zu gefallen. "Gerechtigkeit muss sein", lächelt
Frau Ludwig altersweise, "das Geld wird gerecht verteilt, und der Rest geht
an mich."
JÖRG SCHNEIDER
11 Dec 2007
## AUTOREN
(DIR) Jörg Schneider
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